Großartig! Dabei hatten wir die Hoffnung schon fast aufgegeben. Aber es scheint sie noch zu geben, Politiker, die sich nicht ständig in den Vordergrund drängen. Lieber Karsten und lieber Patrick, ihr seid ein Vorbild, ein Leuchtturm im Dunkel der populistischen Dampfplauderer. Das tut gut in einer Welt der Söders und Spahns. Kein grenzdebiles Burgergefresse auf Insta, keine AfD-Lookalike-Dummschwätzerei. Ihr bleibt bisher konsequent unsichtbar. Ihr seid die personifizierte Eine-Millionen-Frage bei Günther Jauch. Wie heißt aktuell der Minister für Digitales und Staatsmodernisierung? Und wie heißt der Verkehrsminister? Kleiner Tipp: beide CDU. Na? Eine Idee? Niemand? Genau, niemand! Und das ist doch das Geniale.
Das ist der Weg. Druck vom Kessel nehmen, keine Ideen zur Diskussion stellen, am besten gar keine Ideen haben, keine großen Ankündigungen machen, sich besser rarmachen, sich nicht jeden Tag in Talkshows setzen, sich einfach komplett raushalten. Deutschland braucht jetzt vor allem Ruhe und keine Schnellschüsse. Die Staatsmodernisierung ist beispielsweise ein komplexes Schätzchen. Entbürokratisierung, so könnte man die große Aufgabe synonym beschreiben. Da ist über viele Jahre ein Moloch gewachsen. Da muss man nun sehr vorsichtig dran schrauben, sonst wackelt am Ende das gesamte System.
Klar, die Unternehmen sind ungeduldig. Alle reden von Überregulierung und dass man schleunigst etwas tun müsse, weil sonst die Wirtschaft angesichts der Welt, wie Donald Trump sie sich wide-wide-macht, hier in Deutschland demnächst vollends zugrunde geht. Aber das ist bestimmt auch nur wieder so eine Sau, die durchs Dorf getrieben wird. Nur weil ein paar Unternehmer schimpfen, muss man jetzt nicht gleich hektisch werden. Natürlich, einige werden noch in die Insolvenz müssen, bevor sich etwas verändert. Aber das ist nun mal so. Das ist Wettbewerb. Da sollte sich Politik ohnehin raushalten. Das ist einfach Markwirtschaft. Die bürokratie-resilienten Unternehmen, die sich eine eigene Rechtsabteilung leisten können und die genug Platz haben, um all die Akten aufzubewahren, die dereinst vielleicht irgendein Amt sehen will, sie werden am Ende umso potenter sein.
Gut, sie werden in der Fläche vielleicht nicht mehr so zahlreich sein. Und vielleicht wird auch der eine oder andere Handwerksbetrieb demnächst fehlen. Aber überstürzen sollte man jetzt trotzdem nichts. Wo wären wir denn ohne unsere Regeln? Bürokratie ist ja nicht nur schlecht. Sie schützt uns vor dem Chaos. Und manchmal auch vor uns selbst. Formulare, Vorschriften, Zuständigkeiten, Aktenstapel – das ist unser Sicherheitsgurt. Und wo wir gerade beim Thema sind. Wenn man ein Tempolimit auf Teufel komm raus nicht mehr thematisiert, kräht irgendwann kein Hahn mehr danach. Läuft!
Lieber Karsten, lieber Patrick, genau darum seid ihr unsere Helden. Ambitionen sind doch was für Anfänger. Ihr lasst es einfach laufen. Das ist klug. Das nimmt euch aus der Schusslinie. Ihr nehmt das Tempo raus. Während die anderen, die Söders und Spahns nur zu gern in die Lücke springen. Ihr seid unsere Geheimwaffe gegen all die panischen Innovationsrausch-Anfälle, gegen dieses permanente „Lasst uns jetzt alles umkrempeln!“-Getöse. Keine dröhnenden Pressekonferenzen, keine lauten Tweets, keine gehetzten Ankündigungs-Wettbewerbe, keine Schlagzeilen. Das ist brillant. Öffentlichkeit erzeugt nur Stress. Aufmerksamkeit zwingt zu Entscheidungen. Entscheidungen führen zu Fehlern. Fehler führen zu Kritik. Kritik führt zu Twitter-Shitstorms. Ein Teufelskreis. Ihr kennt das Spiel. Ihr macht nicht mit.
Und das ist großartig. Und sehr cool, sehr professionell. Sollen die Unternehmen doch nörgeln, wie sie wollen. Mehr Tempo, fordern sie. Mehr schnelle Hilfe. Mimimi! Man darf sich als Bundesminister einfach nicht unter Druck setzen lassen, dann macht man schon ganz viel richtig. Und wenn die Kritik zu laut wird, sagt man einfach auf irgendeinem Wirtschaftskongress „Technologieoffenheit!“ und schon haben einen alle wieder lieb.
So kann es doch jetzt gut (für euch) weitergehen. Wir sind begeistert von eurer erstaunlichen Fähigkeit, einfach da zu sein, ohne dass irgendjemand wirklich bemerkt, was ihr tut. Viele bekommen nicht mal mit, dass ihr überhaupt existiert. Danke für dieses mutige Raus-Halten, für eure vorbildliche Zurückhaltung und für die Gewissheit, dass wir uns wenigsten an manchen Stellen darauf verlassen können, dass alles so bleibt wie es ist. Das beruhigt wirklich ungemein. GAH
