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El Kurdis Kolumne im Mai: Und Bob sah, dass es gut war …

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El Kurdis Kolumne im Mai: Und Bob sah, dass es gut war …


In diesem Jahr jährt sich der Todestag von Bob Ross zum dreißigsten Mal. Ich bin immer wieder erstaunt darüber, dass es Leute gibt, die noch nie von diesem Kunst-Giganten, dem wahrscheinlich größten Maler des 20. Jahrhunderts,

gehört haben. Vielleicht handelt es sich dabei um schnöselige TV-Verweigerer, vielleicht aber sind sie Bob beim Herumvagabundieren im Fernsehprogramm doch schon mal begegnet, haben ihm dreißig Sekunden zugeschaut, zappten dann aber ignorant weiter. Weil sie sich nicht für die Welt, in der sie leben interessieren. Oder weil sie sich nicht dem gnadenlosen journalistischen Credo verpflichtet fühlen, auf das wir Stadtkind-Autor*innen zu Beginn unsere Tätigkeit eingeschworen werden – mit der Hand auf der Gesamtausgabe der Tagesthemen-Moderationen von Hajo Friedrichs. Das Credo lautet: „Wer, wie, was? Wieso, weshalb, warum? Wer nicht fragt bleibt dumm!“

Fürs Protokoll: Ich bin kein Fan der dekorativen Landschaftsmalerei. Ich bin auch kein Fan der nicht-dekorativen Landschaftsmalerei. Mich interessiert Malerei eigentlich überhaupt nicht. Was nicht heißt, dass ich diese Kunstform abwerten möchte. Sie spricht mich einfach nicht an. So wie mich auf kulinarischer Ebene Grünkohl und Spargel nicht ansprechen. Oder die geruchsintensive isländische Vorweihnachts-Speise „kæst skata“ – auf Deutsch auch gerne mal „Gammel-Rochen“ genannt. Es handelt sich dabei tatsächlich um verfaulten Fisch. Die Isländer lassen den Rochen vergammeln, weil durch die Fermentierung giftiger Harnstoff – den diese Fischart mangels Harnblase im Blut anreichert – abgebaut wird. Nach vier Wochen Fermentation, ist der Rochen dann zwar nicht mehr giftig, stinkt allerdings wie Hulle. Aber wer’s mag … Isländer stoßen zum „kæst skata“ übrigens mit Milch an, vermutlich weil diese die leicht entzündlichen Fäulnis-Gase neutralisiert. Ansonsten würden jährlich am 23. Dezember unzählige Isländer explodieren.

Zurück zu Bob Ross: Bei einem Maler möchte man vermuten, dass seine künstlerische Hinterlassenschaft aus seinen Gemälden besteht. Nichts könnte in Bobs Fall falscher sein. Das Ross’sche Erbe, sein wahres Œuvre, sind nicht seine Bilder, sondern die 403 Folgen der Fernsehserie „The Joy of Painting“, die bis heute rund um den Globus ständig wiederholt werden. In Deutschland kann man sie z.Z. auf ARD-Alpha sehen. In jeder Episode dieses TV-Kunst-Kurses malt Bob mit Ölfarbe ein neues gegenständliches Bild, obwohl seine Technik eher abstrakt ist. Zwar beherrscht er auch alle klassischen Pinseltechniken, vor allem aber ist Bob ein Meister der Spachtelei. Wählt er etwa ein schilfbewachsenes Teichufer als Motiv, so schmiert er zunächst mit einem Spachtel eine amorphe Fläche aufs Bild und kratzt dann flink mit einer Ecke des mit Restfarbe verunreinigten Werkzeugs die einzelnen Halme auf die Leinwand. Aus der Nähe alles Struktur und Muster, aus der Entfernung fast Fotorealismus.

Noch wichtiger als die Maltechnik war für Bobs Schaffen aber seine Stimme. In seinen Sendungen beschreibt er – während er malt – jeden einzelnen Schritt, jeden Pinselstrich und Spachtelkratzer so meditativ und sanft hauchend, dass dieser Sound bei manchen Menschen ein wohliges Hautkribbeln erzeugt. Eine sogenannte „Autonome sensorische Meridianreaktion“, kurz: ASMR. Menschen, die anfällig für dieses Phänomen sind, erleben das Kribbeln wie sanfte elektrostatische Entladungen – von der Kopfhaut über den Nacken bis in den Schulterbereich. Obwohl Bob Ross in der „tinglecommunity“ immer noch als der „King of ASMR“ gilt, gibt es natürlich noch andere Trigger für diese als beruhigend empfundene Körperreaktion: Geräusche wie Haarebürsten, Finger, die über Stoff streichen, das Umblättern von Buchseiten oder fallender Regen. Das Kribbeln kann auch über visuelle Reize provoziert werden. Es gibt YouTube-Kanäle, die ausschließlich ASMR-Videos zeigen.

Apropos visuelle Reizen: Nicht unerwähnt lassen darf man die optische Krönung des Gesamtkunstwerkes „The Joy of Painting“: Bobs dunkelblonder Fake-Afro! Diesen ließ er sich jahrzehntelang in regelmäßigen Abständen per Dauerwelle auf den Kopf modellieren. Wie eine Gloriole umrahmt er Bobs Gesicht und verpasst ihm so die Aura eines mittelalterlichen Heiligen.

Und ja, tatsächlich geht es hier zumindest um Para-Religion. Bob Ross re-enactet in jeder Folge den göttlichen Schöpfungsakt: Am Anfang ist nichts, dann nach sechs Tagen respektive neunundzwanzig Minuten ist da eine Welt. Und Bob atmet tief ein sagt mit seiner ASMR-Stimme: Es ist sehr gut.

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Stadtkinder essen: Luz de Luna

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Stadtkinder essen: Luz de Luna


Mitten in Linden auf der Falkenstraße, gegenüber der Helene-Lange-Schule, gibt es seit Kurzem das „Luz de Luna“. Was mag es sein? Ein Restaurant? Ein Café? Eine Bar? Googelt man es, landet man bei einer Finca auf Mallorca oder einer CD mit portugiesischer Entspannungsmusik. Der Laden ist also so neu, dass noch keine Website existiert und auch die sozialen Medien geben sich geheimnisvoll. Auf dem Instagram-Profil des Luz de Luna wird mit „Genuss im Schein des Mondes“ geworben. Ich bin ein Werbe-Opfer und stante pede interessiert.

Begleitung gesucht und über Instagram-DM einen Tisch reserviert. Gesundheitlich bedingt konnte die erste Verabredung nicht stattfinden, ich musste stornieren und verschieben. Warum erzähl ich das? Weil schon der Kontakt mit dem Team des Luz de Luna so sympathisch und freundlich war, dass ich das für erwähnenswert halte. Der zweite Termin klappte dann aber und wir waren erst mal ein bisschen beeindruckt von der Inneneinrichtung: Pfauenblaue Clubsessel, viel Grünzeug und die echt gut gemachte Plastik eines gigantischen Vollmondes an der Wand. Das Team ist im echten Leben genauso bemüht und freundlich wie online – die Servicekraft lacht, als ich sage, ich müsse unverzüglich den sagenumwobenen Blue Moon Latte (4,10 Euro) probieren. Dabei handelt es sich um einen Latte Macchiato mit Milch, die mit Spirulina blau gefärbt wurde. Spielerei, aber es ist ein wirklich guter Latte Macchiato mit extrem leckerem Kaffee. Und auch, wenn uns das Cocktail- und Longdrinkangebot schwer in Versuchung führt, – wir zählen allein 15 Sorten Gin sowie 4 Sorten Tonic – bleiben wir vernünftig und entscheiden uns für ein kleines Bayreuther Helles vom Fass (0,3l für 3,40 Euro) und eine hausgemachte Grapefruitlimonade (0,4l für 4,45 Euro).

Die Speisekarte ist so konzipiert, dass man den ganzen Tag über die passende Mahlzeit finden kann. Von ansprechenden Tellerfrühstücken über fancy Sandwiches, Bagel, Hauptgerichte und Fingerfood à la Nachos mit Jalapenos bis hin zu hausgemachten Waffeln, Eis und Torten.

Wir bestellen Kibbeh (9,00 Euro) und Currywurst Nordischer Style (9,90 Euro). Beim Kibbeh wundert uns die Darreichungsform. Eigentlich handelt es sich um eiförmige Gebilde gefüllt mit Hackfleisch – ein Klassiker der Levanteküche. Hier aber wurde aus dem Hartweizengrieß ein Fladen gemacht, der dann gefüllt und knusprig ausgebacken wurde. Dazu gibt es Sauerrahm, Zitrone und Rucolasalat (großes Plus: Der Rucola wurde geputzt!). Die Füllung ist gut abgeschmeckt und hat eine leichte Zimtnote, die flache Form macht es sehr angenehm zu essen.

Die nordische Currywurst, unter der wir uns zunächst nicht viel vorstellen konnten, entpuppt sich als Spitzenidee: Es ist genaugenommen ein Currywurst-Hotdog ohne Brötchen, aber dafür mit Fritten! Mit milder Currysauce, dänischer Remoulade, sauren Gurken und Röstzwiebeln. Warum sind wir selbst bislang noch nicht auf die Idee gekommen? Zumal es so gut schmeckt!

Hinterher sind wir schön satt, können es aber nicht lassen: Es gibt einen doppelten Espresso Macchiato (3,30 Euro) und ein Stück Pistazientraum-Torte (5,50 Euro): Ein Schoko-Mürbteigboden, darauf eine Schicht knuspriges Engelshaar, gefolgt von Pistaziencreme und einer Ganache mit Schokolade, Pistazie und feinem Orangenabrieb. Sehr, sehr gut!

Zusammenfassend: Das ist natürlich keine haute cuisine, sondern Wohlfühlessen. Aber es ist einfallsreich, wohlschmeckend und optisch ein wahrer Knaller. Die Preise sind sehr zivil und das Team ist an Freundlichkeit kaum zu schlagen. Wir kommen ganz sicher wieder. Vielleicht mal morgens zum Frühstücken, vielleicht abends auf ein paar Cocktails. Klare Empfehlung!

IH

Falkenstraße 22a

30449 Hannover

Mo-Do: 09-21 Uhr

Fr: 09-23 Uhr

Sa: 09-00 Uhr

So: 10-21 Uhr

@cafebar_luzdeluna

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Der besondere Laden: boochen – eco conscious

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Der besondere Laden: boochen – eco conscious


Ich wollte etwas machen, das genau so bunt ist, wie die Welt selbst“, strahlt Jingjing Qi, Modedesignerin und Gründerin der Marke boochen. Seit 2018 verkauft sie via Onlineshop europaweit ihre liebevoll designte, nachhaltige Swim-, Surf- und Yogawear.

„Als Surferin stehe ich nicht nur oft vor der Herausforderung, den passenden Bikini zu finden, sondern sehe immer wieder, wie viel Müll inzwischen in den Ozeanen schwimmt“, berichtet Qi. „Mit boochen möchte ich gegen diese Probleme vorgehen.“ Die Kollektionen werden ausschließlich aus nachhaltig gewonnenen Fasern von Kunststoffabfällen hergestellt. In Zusammenarbeit mit der Organisation UNIFI greift Qi auf ein Material namens REPREVE Our Ocean zurück, das zum Beispiel aus PET-Flaschen gewonnen wird. „So können wir gewährleisten, dass wir Produkte verkaufen, mit denen man guten Gewissens schwimmen, surfen und Sport treiben kann.“

Hergestellt werden die Artikel von boochen in einer Manufaktur in Jingjing Qis Heimat, China. „Einerseits kann ich immer wieder die Arbeitsbedingungen checken, wenn ich zu Besuch bei meinen Eltern bin, andererseits kann ich meine Wünsche und Vorstellungen ganz genau kommunizieren. Alles ist für mich komplett transparent einzusehen“, erklärt sie. Nach Deutschland kommen die fertigen Designs dann per Güterzug.

Nachhaltigkeit bildet aber nur die Grundlage der Marke. „Wir möchten ein rundum gutes Produkt anbieten – langlebig und mit schönen Mustern.“ Dabei haben Qis Ideen vielseitige, teils persönliche Ursprünge: „Mein allererstes Design, Caparica, ist dem Strand in Portugal gewidmet, an dem ich surfen gelernt habe“, erklärt die Designerin. „Aber alle unsere Teile haben etwas Besonderes an sich. Sie sind alle sehr grafisch und je länger man sie sich ansieht, desto mehr entdeckt man darin.“

Darüber hinaus sind die meisten Tops und Bottoms, die boochen verkauft, wendbar. Fast jedes Teil hat zwei Seiten, von denen entweder beide mit unterschiedlichen Prints bedruckt oder eine der Seiten unifarben ist. Auf diese Weise können dieselben Pieces ganz individuell gestylt werden. Anders als Fast Fashion Labels bringt boochen jährlich auch nur eine neue Kollektion auf den Markt, die auf bereits bestehenden Artikeln aufbaut. „Wir möchten nicht, dass sich unsere Kund*innen gezwungen fühlen, neue Teile zu kaufen, nur, weil es eine neue Kollektion gibt. Alles greift ineinander und kann beliebig kombiniert werden.“

Auch bezüglich der Größen bietet boochen viel Flexibilität. Hierfür gibt es ein verstellbares Detail an den Designs: Ein Schieber an den wichtigsten Bewegungspunkt kann beim Tragen einfach angepasst werden. „Bei sportlicher Aktivität kann man es enger stellen und Verrutschen vermeiden und, wenn man einfach am Strand chillen möchte, macht man es wieder lockerer“, so Qi. „Außerdem ist es kein Problem, wenn sich der Körper unserer Kund*innen verändert. Auch da kann man ganz einfach die Weite unserer Swim- und Surfwear verstellen.“

Verkauft werden boochen-Designs zur Zeit über den markeneigenen Onlineshop, aber auch über den Avocadostore und seit neuestem im Concept Store Maesh and friends auf der Lister Meile. Onlinekund*innen aus Hannover und der Umgebung haben die Möglichkeit, Versandkosten zu sparen und zur Abholung in die boochen-Zentrale in der Nordstadt zu kommen. „Wer mag, kann die Bestellung auch hier vor Ort anprobieren. Dann können wir direkt schauen, ob alles gut sitzt und gegebenenfalls die Größe anpassen. Schließlich möchten wir, dass all unsere Kund*innen mit unserer nachhaltigen Bade- und Yogamode glücklich sind.“

Laura Druselmann

boochen – eco concious

E-Mail: support@boochen.co / hello@boochen.co

Onlineshop: www.boochen.de

Instagram: boochenstudio

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Editorial 05-2025

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Editorial 05-2025


Für diese Ausgabe habe ich noch einmal Sonja Anders getroffen. Sie wechselt nach sechs Jahren Intendanz am Schauspiel Hannover zur nächsten Spielzeit zum Thalia Theater nach Hamburg. Und das ist schön für Hamburg – aber nicht so schön für Hannover. Was Sonja über unsere Stadt denkt, was sie vermissen wird, wie sie ihr Schaffen in Hannover beschreibt, was ihr hinsichtlich der Entwicklungen in unserer Gesellschaft Sorgen bereitet und was ihr außerdem noch wichtig war und ist, darüber mehr ab Seite 52.

Was mir hier an dieser Stelle wichtig ist, das sind ein paar Gedanken, auf die mich nicht zuletzt Sonja gebracht hat – übrigens immer wieder während ihrer Spielzeit. Sonja mag, glaube ich, keine großen Lobhudeleien. Aber sie kann sich ja hier nicht wehren … Was ich an ihr wirklich sehr bewundere, das ist die Klarheit, mit der sie ihre Haltung vertritt. Sie hat das, was man gemeinhin wohl als Rückgrat bezeichnet. In den vergangenen Wochen war politisch viel von Verantwortung die Rede. Sonja mach darum nicht viele Worte, sie sieht sich einfach in der Verantwortung. Sicher auch in der Rolle als Intendantin, aber darüber hinaus – und das finde ich noch viel wichtiger – einfach als Mensch. Und sie nimmt diese Verantwortung voll an. Was heißt, dass sie immer für ihre Werte eintritt, dass es kein vorsichtiges Taktieren gibt, aus Angst vor irgendwelchen Konsequenzen. Sie hat ihre Grundsätze, ihre Werte, und wer daran rütteln will, der muss sich auf Widerstand gefasst machen. Sie ist an dieser Stelle wohltuend stur.

Ich finde das beispielhaft. Und ich würde mir wünschen, dass viel mehr Menschen bei uns in Deutschland in dieser Weise Verantwortung übernehmen würden, nicht nur im Kulturbetrieb. Wenn ich mich umschaue und umhöre in diesen schwierigen Zeiten, dann fehlen mir die klaren Stimmen, die Farbe bekennen, die widersprechen, die laut und deutlich auf unsere Werte pochen, aus der Kultur, aus den Kirchen, aus der Wissenschaft. Zum Beispiel, wenn es aktuell darum geht, Menschen auf Afghanistan aufzunehmen. Die Diskussionen um diese Aufnahme, auch angestoßen von der CDU/CSU waren schlicht unwürdig. Ich habe mich wirklich geschämt. Was für Gefühle will man mit solchen Aktionen in der Bevölkerung eigentlich bedienen? Und was ist noch der Unterschied zu den Stimmen, die wir von der AfD hören? Ich bin in den vergangenen Wochen immer wieder darüber erschrocken, in was für eine platte Sprücheklopferei die Politik teilweise abrutscht. Markus Söder natürlich vorneweg, aber der Rest unseres politischen Führungspersonals gibt sich ebenfalls alle Mühe. Ich denke da zum Beispiel an Jens Spahn – der es partout nicht lassen konnte, kurz nach dem Sturz Assads alle Syrer aufzufordern, jetzt doch bitte umgehend Deutschland wieder zu verlassen und zurückzukehren in das wieder „sichere“ Heimatland. Während natürlich alle, die sich auch nur ein bisschen mit der Situation vor Ort auskennen, die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben. Was einen Jens Spahn allerdings nicht weiter zu stören scheint. Er macht auf mich schon lange den Eindruck, gegen Beratung ausgesprochen resistent zu sein. Ich frage mich wirklich, wie wir mit solchen Persönlichkeiten einen Wandel in Deutschland hinbekommen wollen. Billiger Populismus hat jedenfalls noch nie irgendwelche Probleme gelöst. Ich hoffe sehr, dass sich unsere demnächst neue Regierung das immer wieder in Erinnerung ruft. Und dass man sich zwischendurch gemeinsam daran erinnert, für welche Werte wir uns in unseren Breitengeraden eigentlich so stolz auf die Schultern klopfen … Wenn beispielsweise mal wieder von „den Syrern“ oder „den Afghanen“ die Rede ist. Das sind verdammt noch mal Menschen! Ich habe den Eindruck, dass genau das sehr oft vergessen wird. Auch bei der „illegalen Migration“ geht es nicht um irgendwelche abstrakten Monster, sondern um Menschen, die alle einen sehr guten Grund haben, sich auf den Weg zu machen – bittere Armut, Verfolgung, Krieg. Würden wir unsere Maßstäbe nicht scheinheilig, sondern ehrlich anlegen, würden wir nicht über 138 debattieren, sondern überlegen, wie wir möglichst viele Frauen aus Afghanistan nach Deutschland ausfliegen.

Aber das diskutieren wir nicht. Schon gar nicht, weil solche Gedanken natürlich alles andere als populistisch sind. Mit Nachdenklichkeit gewinnt man heute keinen Blumentopf mehr. Was es braucht, sind kurze Kernbotschaften, die den richtigen Nerv treffen. Und entsprechend gereizt ist inzwischen der „Volks-Nerv“, entsprechend wund ist unsere Gesellschaft. Ich finde, es ist jetzt wirklich allerhöchste Zeit, der Verflachung zu widerstehen und sich zu besinnen. Es geht auch anders. Man kann Politik ohne diese permanenten lauten Töne machen, ernsthaft und faktenbasiert. Man kann sich dabei sogar unterstützen lassen. Wir haben in Deutschland noch eine relativ freie Wissenschaft, die gerne berät, ohne dass irgendwelche Lobbygruppen im Hintergrund die Fäden ziehen.

Leider ist momentan die Wissenschaft aber ebenfalls eher leise unterwegs. Unsere Akademikerinnen und Akademiker schweigen um die Wette. Ja, es gibt ein paar Ausnahmen, aber ich sage es mal so: Ein Harald Lesch macht noch keinen Sommer. Wo bleibt eigentlich der kollektive Aufschrei aus den Geisteswissenschaften, angesichts einer immer rechteren Stimmung im Land? Warum mischen die sich alle politisch nicht viel mehr ein? Und kämpfen beispielsweise dafür, dass bei uns die Bildung in der Agenda allmählich mal wieder nach oben rutscht? Oder schlicht für eine andere Debattenkultur? Um es auf den Punkt zu bringen: Wir brauchen viel mehr Sonja Anders und viel weniger Markus Söder in Deutschland. Dringend!

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Das Mai-Kind ist da!

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Das Mai-Kind ist da!


Wenn Hannover zu klein wird, gehen die guten Leute nach Hamburg oder Berlin. Hört man ja ständig. Im Fall von Sonja Anders ist das aber, Achtung, Wortspiel, anders. Die geht zwar auch nach Hamburg, aber nicht, weil ihr Hannover nicht mehr gefällt, sondern weil eine Intendanz immer eine Stelle auf Zeit ist und diese Zeit ist jetzt vorbei. Finden wir schade, aber was will man machen?! Lars Kompa hat mit Sonja Anders über Hannover gesprochen. Was ihr hier gefallen hat, was sie mitnimmt und woran es der Theaterbranche vielleicht noch mangelt, ist ab Seite 52 im Titel-Interview zu lesen.

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Stadtkinder kochen veganen Indoor-Grillteller

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Stadtkinder kochen veganen Indoor-Grillteller


Die Grillsaison geht los! Das ist toll für alle, die einen Garten haben. Oder zumindest einen Kleingarten. Einen Dauercampingplatz. Oder einen Balkon. Ein altes Ölfass vor der Haustür, ein brennendes Fahrzeug – irgendwas. Für alle Anderen, die ohne den Luxus einer Outdoorzubereitungsmöglichkeit auskommen müssen, ändert sich nicht viel, es sei denn, man lädt sich bei Freunden ein, die über eine verfügen. Aber man kann ein bisschen so tun als ob. Man kann hässliche Shorts und Adiletten tragen und einen unangenehmen, dicklichen Gartennachbarn mit Ruhrpottslang visualisieren, der ständig über den Zaun lugt und pseudo-lustige wie -kluge Kommentare von sich gibt.
Gut, das vielleicht nicht. Besonders nicht bei unserem heutigen Gericht. Da würde er ohnehin nur behaupten, dass wir „seinem Essen das Essen wegessen, haha“. Es gibt nämlich kein Fleisch heute, genauer gesagt, gar nichts Tierisches. Aber es gibt etwas, das einigermaßen nah an einen Grillteller heranreicht. Einen Indoor-Grillteller, wenn man so will. Das Rezept reicht für zwei Portionen.
Wir brauchen einen Block Räuchertofu (ca. 200g), je zwei Esslöffel Zitronensaft und Sojasauce, einen Esslöffel Sesamöl, einen Teelöffel Agavendicksaft oder Reissirup und eine fein gehackte Knoblauchzehe. Den Tofu tupfen wir trocken, schneiden ihn in 12 gleichmäßig große Stücke und verrühren die restlichen Zutaten zu einer Marinade, in der wir die Würfel für mindestens eine Stunde einlegen. Danach wenden wir sie und lassen sie dort für eine weitere Stunde, bevor wir die Stücke gleichmäßig auf Spieße stecken und etwas abtropfen lassen.
Nun geht es an unsere Beilage: 100g buntes Quinoa brauchen wir dafür, bereiten es nach Packungsanweisung zu und lassen es etwas abkühlen. In der Zwischenzeit mischen wir 3 EL Tomatenmark mit einem EL Olivenöl und den Kräutern, die wir mögen, zu einer Paste. Ein Stück Salatgurke, vielleicht zehn, zwölf Zentimeter lang, wird der Länge nach geviertelt, grob von den Kernen befreit, klein geschnitten und gesalzen, um überschüssiges Wasser heraus zu ziehen, was nach etwa einer Viertelstunde geschehen sein sollte. Dies gießen wir nun ab und mischen die Gurken mit dem Quinoa und der Würzpaste.
Der eigentliche Star ist aber die Sesamsauce und dazu kommen wir jetzt:
3 Esslöffel Tahini (Sesampaste) mischen wir mit folgenden Zutaten: Einem Esslöffel Sesamöl, je einem Teelöffel weißem und schwarzem Sesam, je zwei Esslöffeln Zitronensaft und Sojasauce, einer Knoblauchzehe und einer Scheibe Ingwer, beides fein gehackt, einer sehr fein geschnittenen Lauchzwiebel, einigen Flocken Chili und 50ml Wasser. Probieren! Denn je nachdem, wie intensiv die Sojasauce ist, kann das eine ganz schön salzige Angelegenheit werden. Abhilfe schafft da gegebenenfalls ein Teelöffel Agavendicksaft oder Reisessig. Dann allerdings ist diese Sauce ein Knaller. Und so vielseitig einsetzbar! Funktioniert als Dip, Salatdressing… Ich hätte nicht mal ein Problem damit, sie auf Nudeln zu gießen oder gar zu trinken. Aber so weit kommt es heute nicht. In der Pfanne braten wir die Tofu-Spieße von beiden Seiten für etwa drei Minuten. Die Pfanne sollte wirklich sehr heiß sein. Deshalb empfiehlt es sich auf gar keinen Fall, anstelle von Agavendicksaft oder Reissirup Honig zu verwenden, der würde in Rekordzeit verbrennen und die Spieße wären verkohlt und ungenießbar. Unsere sind aber schön braun und knusprig geworden. Wir richten sie zusammen mit dem Quinoa und der Sesamsauce an und sind dann doch froh, dass der Ruhrpott-Gartennachbar nur in unserer Phantasie existiert und nicht leibhaftig vorbeikommt, um uns alles wegzufressen.
IH

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