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Stadtkinder essen: Andronaco

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Stadtkinder essen: Andronaco


Wenn man an italienisches Dolce Vita denkt, ist der alte Hauptgüterbahnhof in Hannovers Nordstadt jetzt vielleicht nicht unbedingt die erste Assoziation. In Berlin wäre das fraglos anders und mit Sicherheit voller Start-up-Fritzen mit MacBooks, die auf Palettenmöbeln sitzen. In Hannover ist es nur ein Industriegelände, auch wenn vor mittlerweile sechs Jahren dessen Wandel zu einem Freizeitzentrum begann. Mittlerweile gibt es an der Adresse am Weidendamm einen Skatepark, ein Fitnessstudio und auch einen Großhandel für italienische Feinkost mit angeschlossenem Bistro.

Im Außenbereich stehen einige Sitzgarnituren und Töpfe mit riesigen Strelitzien, was auf seltsame Weise gleichermaßen fehl am Platz und gemütlich wirkt. Hier kann man recht schön in der Sonne sitzen, sich in der hauseigenen Gelateria ein Eis, ein Dessert oder an der Caffèbar einen Espresso holen. Aber dafür sind wir nicht hier – Essen, bitte! Insgesamt sieben Märkte mit Bistro gibt es von Andronaco in Deutschland. In Hannover befindet sich linkerhand der Supermarkt, in dem man italienische Produkte erwerben kann, rechts ist das Bistro. Dieser Begriff scheint nicht wirklich angemessen, erinnert es optisch eher an eine freundlich gestaltete Mensa. Das ist gar nicht despektierlich gemeint! Unter einem Bistro stellt man sich üblicherweise etwas Kleines, Gemütliches vor. Hier aber schaffen die hohen Decken der Industriehalle einen stylischen Loftcharakter und unzählige Tische, mithilfe großzügig bepflanzter Kübel von einander abgetrennt, bieten den Besuchenden genug Platz und Privatsphäre. Man schnappt sich Tablett, Teller und Besteck und bedient sich dann an der großzügigen Vorspeisenauswahl, wo es von klassischen Antipasti über frische Salate, Meeresfrüchte bis hin zu goldbraunen, apfelgroßen Arancini eine Menge zu entdecken gibt. Abgerechnet wird hier nach Verzehr. Alternativ kann man ein Hauptgericht von der Speisekarte wählen, was wir auch tun: Wir entscheiden uns für eine gemischte Grillfischplatte (22,90 Euro) und eine Vier-Käse-Pizza (14,90 Euro). Es stehen Körbchen mit frischem Brot bereit, wir schnappen uns eines und tragen es gemeinsam mit unseren Piepsern (das ist hier unmöglich anders zu regeln) und den Getränken (Weißwein zu 6,90 Euro à 0,2l und San Pellegrino Zitronenlimonade zu 2,90 Euro je Dose) an einen freien Tisch. Schon kurze Zeit später ist unser Essen fertig. Die Pizza, gebacken in einem gigantischen Steinofen, in den auch ein ganzer Ochse passen würde, ist, wie sie sein sollte: Der Teig schmeckt reif und würzig, mit knusprigem Rand und mehr als großzügigem Käsebelag. Fior die Latte, Gorgonzola, Fontina und Schafskäse verteilt auf 32cm Durchmesser. Das ist echt viel und dennoch wirft sie einen nicht ins Fresskoma; ein Spagat, den nur ein guter Pizzabäcker beherrscht. Auch die Fischplatte überzeugt auf ganzer Linie. Je ein großes Lachs- und ein Doradenfilet, zwei Riesengarnelen und eine Tintenfischtube liegen auf einem Bett aus frischen Salaten. Fährt man mit der Gabel über den Tintenfisch, gibt es ein befriedigend knuspriges Geräusch, trotzdem ist er sehr zart und hervorragend gewürzt. Die Garnelen sind ebenfalls perfekt gegart, saftig und rosig. Sowohl Dorade als auch Lachs sind noch ein bisschen glasig und fallen leicht und blättrig von der Gräte, das Fischmesser erfüllt hier nur dekorative Zwecke. Nach dem Essen sind wir satt und überzeugt.

Sicher: Es ist nicht unbedingt ein gemütlicher Ort, allein durch den angeschlossenen Supermarkt gibt es eine Menge Raus und Rein. Und wo viele Menschen sind, ist viel Geräusch, das sich mit dem unvermeidlichen Italopop aus den Lautsprechern mischt. Die Qualität der Speisen allerdings macht das durchaus wett. Wir halten Andronaco für eine gute und empfehlenswerte Adresse für alle, die Wert auf eine schnelle, aber hochwertige Mahlzeit legen.

Andronaco

Weidendamm 2

30167 Hannover

www.andronaco.de

Öffnungszeiten Supermarkt: Mo-Sa 09-19 Uhr

Öffnungszeiten Bistro: Mo-Sa 10.30-19 Uhr (warme Küche ab 11.30 Uhr)

Öffnungszeiten Gelateria: Mo-Sa 11.30-18.30 Uhr

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Neu in der Stadt: Lakritz Hannover & Shaghf Café

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Neu in der Stadt: Lakritz Hannover & Shaghf Café


„Schwarze Leidenschaft“ nennt der Lakritzmann Bernd Martin seine süß-salzige Ware, die seit dem 20. Jahrhundert die Geschmäcker teilt. Für Martin aber gilt ganz klar: „Lakritz ist meine Lieblingssüßigkeit, schon seit ich ein kleiner Junge war. Ich esse einfach gerne Lakritz!“ Die Leidenschaft wurde mit dem „legendären“ Lakritzfahrrad zum Beruf, auf dem Martin seit vier Jahren unterwegs ist und seine Leckereien auf Märkten und Veranstaltungen in und um Hannover verkauft. Seit dem 12. April – dem Internationalen Lakritztag – ist seine Auswahl jetzt auch in dem neuen Geschäft in der List erhältlich. Skandinavische Lakritzspezialitäten aus Finnland oder Schweden gibt es dort nicht nur in klassischer Form, sondern auch in ausgefallen Varianten wie Raspberry Cheesecake, Banane-Karamell oder belgische Schokolade und Chili-Pfeffer. „Die Firma Haupt Lakritz ist ein sehr bekannter Lakritzhersteller“, erzählt Martin über die Produzent*innen dieser ungewöhnlichen Aromen. „Sie stellen unter anderem das salzigste Lakritz der Welt her und haben eine Kollaboration mit Jägermeister, die wir auch hier verkaufen.“ Martins persönliche Geschmacks-Empfehlung: „Mir schmeckt die Hexe sehr gut, eine fein gezuckerte Salmiakstange. Die essen auch die Leute sehr gerne.“ Wer in der heißen Jahreszeit seine Eiskugel verfeinern will, findet dafür Lakritzstreusel oder Schumtreide im Laden. Und für die Kleinsten, die sich vielleicht noch nicht so ganz mit dem Geschmack angefreundet haben, gibt es eine leckere Auswahl an Fruchtstangen. Nur drei Tage die Woche hat das Geschäft geöffnet – doch wer es nicht abwarten kann, sich seine bunte Tüte zusammenzustellen, dem öffnet der Lakritzmann höchstpersönlich nach Vereinbarung seine Türen.

Jakobistr. 55, 30163 Hannover. Di & Mi 15-18 Uhr, Sa 10-14 Uhr und nach Vereinbarung.

In der Kurt-Schumacher-Straße 7 bringt ein neues Café mit Wurzeln aus dem Nahen Osten neuen Geschmack nach Hannover: Das Shaghf Café – was auf Arabisch „Leidenschaft“ bedeutet – hat im Juli seine erste Deutschland-Filiale eröffnet und bringt damit ein Stück Dubai direkt in die Innenstadt. Besonders ist hier nicht nur die Herkunft, sondern auch das Konzept: Im Mittelpunkt steht die arabische Kaffeekultur, die mit viel Sorgfalt und Liebe zum Detail zelebriert wird. Jede Bestellung wird frisch zubereitet – egal ob traditioneller Kaffee, cremiger Matcha, herzhafte Sandwiches oder süße Desserts. Die moderne Einrichtung in warmen Beige- und Brauntönen schafft eine stilvolle, aber einladende Atmosphäre. Besonders bei jungem Publikum kommt das gut an – und auch Influencer*innen zählen zu den regelmäßigen Gästen. „Wir wollen trotzdem alle ansprechen, von jung bis alt“, erzählt ein Mitarbeiter. Für Sichtbarkeit sorgt das Unternehmen vor allem über Social Media. In Dubai betreibt das Franchise sogar ein eigenes Büro, das sich gezielt um die digitale Vermarktung kümmert – vor allem rund um die Eröffnung. Und damit nicht genug: Zukünftig sollen Kaffeeworkshops angeboten werden, um Besucher*innen noch tiefer in die Kunst des Kaffeebrauens eintauchen zu lassen. Weitere Standorte in Europa sind ebenfalls in Planung – man darf also gespannt sein.

Kurt-Schumacher-Straße 7, 30159 Hannover. Mo-Do 10-21 Uhr, Fr-Sa 10-22 Uhr, So 12-20 Uhr.

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Der besondere Laden: TAO Buchhandlung

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Der besondere Laden: TAO Buchhandlung


Die TAO Buchhandlung blickt inzwischen auf eine 35-jährige Geschichte zurück: Schon immer war sie ein Ort, an dem Wissen und Spiritualität aufeinandertreffen, an dem die Kund*innen lernen, sich frei zu entfalten, und wie ihr Alltagsstress zur Nebensache wird. Vor fünf Jahren haben Sandra Thiet und Eva Wellhöner das Geschäft auf der Lister Meile übernommen. Als langjährige Freundinnen und mit ihrer Leidenschaft für spirituelle Lehren verbinden sie seither Tradition mit jeder Menge – wortwörtlich – frischem Wind.

Der Geruch neu gedruckter Bücher und die vielfältigen Aromen einer großen Auswahl an Räucherwerk mischen sich in der Luft. Schon auf der Straße vor dem Geschäft ist der Duft zu vernehmen und lädt zusammen mit liebevoll bestückten Produktaufstellern dazu ein, das Sortiment zu entdecken. Im Laden reihen sich die bunten Farben der Einbände spiritueller Literatur, Edelsteine und Papeterie in großen Regalen, gläsernen Vitrinen und auf kleinen Tischchen aneinander. Aus dem hinteren Bereich des Ladens erhellt der Ton einer Klangschale, die gerade von einer Kundin getestet wird, den gesamten Raum. Die Atmosphäre in der TAO Buchhandlung ist ohne Zweifel besonders.

Strahlend erzählt Thiet, dass sie und ihre Geschäftspartnerin selbst bereits viele Jahre Kundinnen in der Buchhandlung waren, bevor sie sich dazu entschieden, sie zu übernehmen. „Wir haben uns schon immer sehr für all die Themen interessiert, die hier vertreten sind. Als die Buchhandlung dann zum Verkauf stand, haben wir es einfach gewagt und sind ins kalte Wasser gesprungen.“ Die zwei Frauen haben schon zuvor zusammengearbeitet, allerdings in einem vollkommen anderen Bereich. Angetrieben von ihrer Leidenschaft und mit einer klaren Vision haben sie schließlich einen Ort erschaffen wollen, „an dem die Menschen sich wohlfühlen, an dem sie inspiriert und zugleich gut beraten werden.“

Und dieser Anspruch wird hier großgeschrieben. Neben einer umfangreichen Auswahl an Titeln zu Themen rund um Achtsamkeit, Yoga und Philosophie sowie esoterischen Weisheiten und Naturheilkunde zeugen auch die aufmerksamen Mitarbeitenden und ihre Expertise davon. Ob Räucherharz für die Wohnungsreinigung, der passende Stein gegen innere Unruhe oder ein inspirierendes Buch für den Einstieg in die Meditation – das Team weiß, wovon es spricht. Viele Mitarbeitende bringen eigene spirituelle Ausbildungen mit, etwa im Bereich Aromatherapie, Schamanismus oder Klangarbeit. „Wir sind nicht allwissend, aber sehr neugierig. Und was wir nicht wissen, recherchieren wir gern gemeinsam mit unseren Kunden“, lächelt Thiet.

Für Kund*innen, die Interesse daran haben, an Workshops oder Seminaren teilzunehmen, gibt es im Laden außerdem eine Flyerwand. Hier ist von Reiki, über Meditation und Atemtechniken bis hin zu Trommelbau-Kursen alles dabei. Und auch der TAO-eigene Veranstaltungsbereich soll künftig wachsen. Aktuell finden regelmäßig Tarotkartenlegungen und Veranstaltungen zum Thema Tierkommunikation statt. Für die Zukunft ist unter anderem ein Rauhnächte-Seminar geplant, das jene Menschen anleiten soll, die ihr Jahresende bewusst und rituell gestalten möchten. Ein Online-Newsletter und der Instagram-Account der Buchhandlung informieren regelmäßig über anstehende Events wie dieses, aber auch über besondere Produkte und Neuzugänge im Sortiment.

Im Fokus soll aber grundsätzlich der persönliche Austausch stehen. Thiet und Wellhöner verstehen ihre Buchhandlung nicht nur als ein Geschäft, sondern als einen Ort der Begegnung. In einer Zeit, in der viele Einkäufe möglichst schnell und unkompliziert digital abgewickelt werden, erinnert die TAO Buchhandlung daran, dass ein Einkaufserlebnis auch lebendig sein kann. Hier gibt es noch persönliche Beratung, ehrliche Begeisterung, bewusste Buchempfehlungen – und eine Prise Räucherduft in der Luft.

Laura Druselmann

TAO Buchhandlung

Lister Meile 19, 30161 Hannover

Tel.: 0511 317954

E-Mail: service@tao-buchhandlung.de

www.tao-buchhandlung.de

Öffnungszeiten:

Mo bis Fr: 10 bis 19 Uhr

Sa: 10 bis 16 Uhr / Adventssamstage: 10 bis 18 Uhr

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Editorial 09-2025

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Editorial 09-2025


Liebe Leser*innen

Für diese Ausgabe habe ich Vasco Boenisch getroffen, neuer Intendant am Schauspiel Hannover. Geboren in Berlin, eine Mutter, die gerne und oft mit ihm ins Theater gegangen ist, ein Vater, der ihm ein eigenes Puppentheater gebaut und ihm vorgespielt hat. Ausgebildet an der Deutschen Journalistenschule, Radio, Fernsehen, jahrelang unterwegs als Theaterkritiker, Teil der Theatertreffen-Jury – und dann der Seitenwechsel. Er geht als Dramaturg zur Ruhrtriennale, er wird Chefdramaturg am Schauspielhaus Bochum, dann Künstlerischer Direktor und stellvertretender Intendant. Natürlich habe ich mich und ihn gefragt, wie man das alles in ein Leben zwängt. Wie schafft man das? Und ich nehme seine Antwort mal hier vorweg: Man schafft sehr viel, wenn man phasenweise sehr wenig schläft. Ich bin mir sicher, während ich hier diese Zeilen schreibe, ist er gerade wieder mitten in so einer Phase – in der Vorbereitung seiner ersten Spielzeit am Schauspiel Hannover.

Ich bin wirklich gespannt, wie Vasco Boenisch das Theater in Hannover prägen wird. Seine Biografie erzählt von einem, der zuhören und sehr genau beobachten kann, der den Blick des Publikums kennt. Er will ein nahbares Theater, er versteht sich als Gastgeber, er möchte das Publikum mit offenen Armen empfangen. Das Schauspiel soll ein Ort werden, der die Vielfalt der Gesellschaft spiegelt, sein Theater soll dabei sinnlich, emotional und gerne auch widersprüchlich sein.

„Liebe will riskiert werden“ lautet das Motto seiner ersten Spielzeit. Klingt zuerst gar nicht so politisch. Ist es aber. Während uns in unserer Gesellschaft immer mehr die Empathie abhandenkommt, wir Hass und Hetze gegen Minderheiten erleben, die Menschen wieder egoistischer werden, kälter werden, will Vasco Boenisch mit seinem Theater das Risiko eingehen, ein Gegenentwurf zu sein. Er will Nähe, er will Menschen zusammenzubringen, er will Wärme geben und vielleicht auch Zuversicht. Er will Liebe riskieren. „Für mich steckt in diesem Satz Haltung. Respekt. Menschenliebe“, hat Vasco Boenisch am Ende unseres Interviews über das Motto gesagt.

Das klingt nach einem klaren Kompass. Und es klingt auch kämpferisch. Ich ahne, dass er für sein Theater brennen wird. Energie, Neugier und Ernsthaftigkeit – Vasco Boenisch wird dem Schauspiel in Hannover eine neue, spannende Richtung geben. Ich wünsche im einen richtig guten Start und vor allem ein neugieriges Publikum.

Also unbedingt hingehen! In Zeiten, in denen der Ton in unserer Gesellschaft immer härter wird, in denen Polarisierung und Vereinfachung die Debatte bestimmen, in denen wieder der Stärkere Recht hat, in solchen Zeiten braucht es Räume, die das Gegenteil wagen: Dialog, Miteinander, Empathie. Kunst und Kultur können die Spaltung nicht allein heilen, aber sie können immerhin Erfahrungsräume öffnen. Sie laden ein, Perspektiven zu wechseln, Geschichten anders zu hören und zu sehen. Gerade das Theater, live, unmittelbar, ist dafür ein starkes Medium. Wir sollen unbedingt riskieren, demnächst mal wieder ins Theater zu gehen.

Aber natürlich nicht nur ins Theater. Dieser Stadtkind-Ausgabe liegt wieder unser „Kunststück“ bei. Wir haben auf 32 Seiten einige Institutionen, Galerien, und Projekträume versammelt und dazu mit Reinhard Spieler, Direktor des Sprengel Museums Hannover, über die Ausstellung „Niki. Kusama. Murakami: Love you for Infinity“ gesprochen. Wir werden unsere kleine Kunst-Broschüre zum Zinnober-Wochenende am 6. und 7. September auch an vielen Kunstorten auslegen. Gerne mitnehmen!

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Das September-Kind ist da!

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Das September-Kind ist da!


Seine erste Spielzeit läuft unter dem Motto „Liebe will riskiert werden“. Das klingt vielversprechend und nach etwas, das wir durchaus gebrauchen können, wo uns anscheinend die Empathie mehr und mehr abhanden kommt. Vom ausgebildeten Journalisten zum neuen Intendanten am Schauspiel Hannover war es für Vasco Boenisch ein spannender Weg – und es war ein spannendes Interview, das Lars Kompa mit ihm geführt hat. Nachzulesen ab Seite 58 im Heft.

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Ein offener Brief… an die niedersächsischen Finanzämter

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Ein offener Brief… an die niedersächsischen Finanzämter


Liebe niedersächsische Finanzverwaltung, herzlichen Glückwunsch! Es ist so weit: Niedersachsen hat das Faxgerät beerdigt. Am 1. Juli 2025, so hat es die Landespressestelle verkündet, habt ihr euch offiziell von einem der zuverlässigsten Begleiter deutscher Bürokratie getrennt – dem heiligen Rattern, dem Neuigkeiten versprechenden Quieken, dem weißen Rauschen der Verwaltung, der grauen Eminenz zwischen Klammeraffe und Lochverstärker: dem Faxgerät. Dann doch schon …

Man muss es euch lassen – das ist mutig. Denn wer Fax sagt, meint schließlich auch: „Warum einfach, wenn es auch analog geht?“ Für Einfachheit ist ein deutsches Finanzamt schließlich nicht zu haben, weshalb dieser Schritt fast schon progressiv anmutet. Jetzt also seid ihr wild entschlossen, der Zukunft eine Chance zu geben (eigentlich eher der Gegenwart, aber heben wir uns die Spitzfindigkeiten lieber für Anlage S auf). Doch die Welt der Technik reibt sich noch immer verwundert die Augen: Niedersachsen faxt nicht mehr.

Welcher Technikpionier euch auch immer gesteckt haben mag, dass das Internet inzwischen keine Modeerscheinung mehr ist, dass E-Mails kein Hexenwerk sind, dass Menschen heutzutage PDF-Dateien per Smartphone unterschreiben, während sie im Bus sitzen: Danke!

Wir hoffen natürlich, dass ihr keine Entzugserscheinungen bekommen mangels der typischen Faxgerätgeräusche – an dieses hypnotische Piepen, Rattern und Zittern des Papiers kann man sich ja schnell gewöhnen. Klug wird sein, für den Fall der Fälle Seelsorgende bereitzustellen.

Dennoch, alles hat seine Zeit. Und wie sagt man so schön: Wer zu spät faxt, den bestraft das Leben.

Doch nun zur alles entscheidenden Frage: Was plant ihr als nächstes, ihr lieben niedersächsischen Finanzämter? Wird in naher Zukunft vielleicht die Brieftaube als offizielles Kommunikationsmittel abgelöst? Oder wird der Rohrpostschacht im Keller endlich stillgelegt, damit Platz für einen modernen Server entsteht – oder gar, Achtung Vision, für schnelles Internet, das nicht nur werktags zwischen 9 und 10 Uhr sporadisch funktioniert? Wird etwa Heinz-Rüdiger, der in achter Familiengeneration in Hannover das Paternoster bedient, entlassen?

Vielleicht wird alles besser. Vielleicht dürfen wir sogar hoffen, dass Formulare eines Tages digital ausfüllbar sind, ohne dass die Hälfte des Textes beim Abspeichern verschwindet? Und wie steht es um das elektronische Elster-Portal – wird es irgendwann ein Passwortsystem einführen, das nicht aus 17 Hieroglyphen, einer Blutprobe und dem DNS-Code unseres Erstgeborenen besteht?

Gibt es vielleicht sogar Pläne, künftig PDFs hochladen zu dürfen, ohne dass sie „aus Gründen der Sicherheit“ erst ausgedruckt, ausgefüllt, wieder eingescannt, erneut ausgedruckt und dann per Brief geschickt werden müssen (gut, wir sehen ein, das ist nun wirklich zu verwegen)? Bei so viel Fortschritt rechnen wir jetzt natürlich mit weiteren Schlagzeilen, zum Beispiel: „Das Diensttelefon ist jetzt auch außerhalb der Mittagspause besetzt!“, „Antworten auf E-Mails in unter 14 Werktagen!“ oder „Sachbearbeitung durch Menschen statt durch kafkaeske Zufallsgeneratoren!“ Ja, die Spannung steigt. Man spürt direkt: Niedersachsen ist bereit für den digitalen Quantensprung – von 1996 direkt ins Jahr 2012. Wir gratulieren noch einmal, warnen aber auch ausdrücklich: Die Zivilgesellschaft hat das Fax nicht vergessen, rechnet besser mit einer „Initiative zum Erhalt analoger Lebensqualität“. Mit Stickern und allem. „Ich faxe, also bin ich!“ – Widerstandsgruppen mit Thermopapier und Resttinte.

Liebe Finanzverwaltung, bleibt standhaft. Ihr habt ein Zeichen gesetzt. In Sachen Fortschritt ist Niedersachsen jetzt das Kalifornien der Verwaltung. Nur mit weniger Sonne. Und mehr Kopien in dreifacher Ausfertigung. In diesem Sinne: Adieu, Faxgerät, Willkommen, Zukunft! Vielleicht.

Mit zukunftsoffenen Grüßen, die Stadtkinder mit WLAN und Hoffnung.

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