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Ein offener Brief … an Karsten Wildberger und Patrick Schnieder

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Ein offener Brief … an Karsten Wildberger und Patrick Schnieder


Großartig! Dabei hatten wir die Hoffnung schon fast aufgegeben. Aber es scheint sie noch zu geben, Politiker, die sich nicht ständig in den Vordergrund drängen. Lieber Karsten und lieber Patrick, ihr seid ein Vorbild, ein Leuchtturm im Dunkel der populistischen Dampfplauderer. Das tut gut in einer Welt der Söders und Spahns. Kein grenzdebiles Burgergefresse auf Insta, keine AfD-Lookalike-Dummschwätzerei. Ihr bleibt bisher konsequent unsichtbar. Ihr seid die personifizierte Eine-Millionen-Frage bei Günther Jauch. Wie heißt aktuell der Minister für Digitales und Staatsmodernisierung? Und wie heißt der Verkehrsminister? Kleiner Tipp: beide CDU. Na? Eine Idee? Niemand? Genau, niemand! Und das ist doch das Geniale.

Das ist der Weg. Druck vom Kessel nehmen, keine Ideen zur Diskussion stellen, am besten gar keine Ideen haben, keine großen Ankündigungen machen, sich besser rarmachen, sich nicht jeden Tag in Talkshows setzen, sich einfach komplett raushalten. Deutschland braucht jetzt vor allem Ruhe und keine Schnellschüsse. Die Staatsmodernisierung ist beispielsweise ein komplexes Schätzchen. Entbürokratisierung, so könnte man die große Aufgabe synonym beschreiben. Da ist über viele Jahre ein Moloch gewachsen. Da muss man nun sehr vorsichtig dran schrauben, sonst wackelt am Ende das gesamte System.

Klar, die Unternehmen sind ungeduldig. Alle reden von Überregulierung und dass man schleunigst etwas tun müsse, weil sonst die Wirtschaft angesichts der Welt, wie Donald Trump sie sich wide-wide-macht, hier in Deutschland demnächst vollends zugrunde geht. Aber das ist bestimmt auch nur wieder so eine Sau, die durchs Dorf getrieben wird. Nur weil ein paar Unternehmer schimpfen, muss man jetzt nicht gleich hektisch werden. Natürlich, einige werden noch in die Insolvenz müssen, bevor sich etwas verändert. Aber das ist nun mal so. Das ist Wettbewerb. Da sollte sich Politik ohnehin raushalten. Das ist einfach Markwirtschaft. Die bürokratie-resilienten Unternehmen, die sich eine eigene Rechtsabteilung leisten können und die genug Platz haben, um all die Akten aufzubewahren, die dereinst vielleicht irgendein Amt sehen will, sie werden am Ende umso potenter sein.

Gut, sie werden in der Fläche vielleicht nicht mehr so zahlreich sein. Und vielleicht wird auch der eine oder andere Handwerksbetrieb demnächst fehlen. Aber überstürzen sollte man jetzt trotzdem nichts. Wo wären wir denn ohne unsere Regeln? Bürokratie ist ja nicht nur schlecht. Sie schützt uns vor dem Chaos. Und manchmal auch vor uns selbst. Formulare, Vorschriften, Zuständigkeiten, Aktenstapel – das ist unser Sicherheitsgurt. Und wo wir gerade beim Thema sind. Wenn man ein Tempolimit auf Teufel komm raus nicht mehr thematisiert, kräht irgendwann kein Hahn mehr danach. Läuft!

Lieber Karsten, lieber Patrick, genau darum seid ihr unsere Helden. Ambitionen sind doch was für Anfänger. Ihr lasst es einfach laufen. Das ist klug. Das nimmt euch aus der Schusslinie. Ihr nehmt das Tempo raus. Während die anderen, die Söders und Spahns nur zu gern in die Lücke springen. Ihr seid unsere Geheimwaffe gegen all die panischen Innovationsrausch-Anfälle, gegen dieses permanente „Lasst uns jetzt alles umkrempeln!“-Getöse. Keine dröhnenden Pressekonferenzen, keine lauten Tweets, keine gehetzten Ankündigungs-Wettbewerbe, keine Schlagzeilen. Das ist brillant. Öffentlichkeit erzeugt nur Stress. Aufmerksamkeit zwingt zu Entscheidungen. Entscheidungen führen zu Fehlern. Fehler führen zu Kritik. Kritik führt zu Twitter-Shitstorms. Ein Teufelskreis. Ihr kennt das Spiel. Ihr macht nicht mit.

Und das ist großartig. Und sehr cool, sehr professionell. Sollen die Unternehmen doch nörgeln, wie sie wollen. Mehr Tempo, fordern sie. Mehr schnelle Hilfe. Mimimi! Man darf sich als Bundesminister einfach nicht unter Druck setzen lassen, dann macht man schon ganz viel richtig. Und wenn die Kritik zu laut wird, sagt man einfach auf irgendeinem Wirtschaftskongress „Technologieoffenheit!“ und schon haben einen alle wieder lieb.

So kann es doch jetzt gut (für euch) weitergehen. Wir sind begeistert von eurer erstaunlichen Fähigkeit, einfach da zu sein, ohne dass irgendjemand wirklich bemerkt, was ihr tut. Viele bekommen nicht mal mit, dass ihr überhaupt existiert. Danke für dieses mutige Raus-Halten, für eure vorbildliche Zurückhaltung und für die Gewissheit, dass wir uns wenigsten an manchen Stellen darauf verlassen können, dass alles so bleibt wie es ist. Das beruhigt wirklich ungemein. GAH

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Tonträger Oktober 2025

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Tonträger Oktober 2025


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Bandporträt Oktober 2025: Sondaschule

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Bandporträt Oktober 2025: Sondaschule


Sondaschule gibt es schon länger als Ronja Malzahn Dreadlocks trägt. Ein ziemlich unsinniger Satz, aber nur auf den ersten Blick: Kulturelle Aneignung wird schon deutlich länger diskutiert als von dem Moment an, in dem Fridays for Future sich an der Frisur einer kaukasischen Musikerin störte. Hardliner und solche, die im Kommisston deklamieren, wer welche Musik machen darf, gab es wahrscheinlich schon immer. Was Ska betrifft, ist die Liste kurz: Man ist entweder Jamaikaner, hat mit Desmond Dekker Kaffee getrunken oder wurde von Laurel Aitken gesegnet. Vielleicht ist man aber auch ein englischer Dockarbeiter. Deutscher Ska? Auf gar keinen Fall!

Nach dem jamaikanischen Ska der 60er und dem britischen Revival mit dem 2-Tone-Ska der 80er-Jahre rollte die dritte Welle heran und mit ihr auch erstmals Ska in deutscher Sprache. Beeinflusst von Punk und New Wave veränderte sich das Klangbild merklich: Ska-Punk war geboren. Und warum auch nicht? In Mülheim an der Ruhr wird es schon den einen oder anderen Zechenmalocher gegeben haben, da ist es nur legitim, wenn eine lokale Band Musik für ihre eigenen Rudeboys spielt. Wenn diese Band sich aber nicht festlegen will und genervt ist von diesen ganzen Old School- und New School- und Wave-Labels, nennt sie sich Sondaschule. Im Gründungsjahr 1999 konnte ja schließlich noch keiner ahnen, dass der Name später mal suggerieren könnte, es handele sich dabei um ein Berliner Gangster-Rap-Trio. Dankenswerterweise spielen Sondaschule aber vergnüglichen Ska-Punk, mit Betonung auf vergnüglich. Wo anderen Genrevertretern allzu oft die Leichtigkeit abhanden kommt, weil die Welt eine schlimme ist, gibt es bei Sondaschule immer ein Augenzwinkern und Spaß. Selbstironisch handelt ein großer Teil ihrer Songs vom selbsterklärten Unvermögen, mit dem Alltag zurecht zu kommen. Nahezu hymnisch widmet man sich mitunter dem übermäßigen Verzehr unterschiedlichster Alkoholika und sonstiger Rauschmittel. Sänger Tim Kleinrensing inszenierte einst ein fiktives Telefonat zwischen seinem Alias Costa Cannabis und Peter von Frosta, in dem die Markteinführung einer Cannabispizza diskutiert wird. Will sagen: Oft ist auch Quatsch dabei, aber herrlicher Quatsch. Haufenweise adoleszente Albernheiten, hier und da gespickt mit erstaunlich hellsichtiger Sozialkritik, untermalt mit den typischen Offbeat-Gitarren und kurzatmigen Bläsersätzen. Wenn man es mit einer solchen Melange dann noch in die Albumcharts schafft, ist das schon etwas Besonderes. So geschehen im Februar 2022, als Sondaschule mit „Unbesiegbar“ auf Platz 2 der Albumcharts landeten. Ein bisschen Balsam auf eine Bandseele, die kurz zuvor einen traurigen Verlust wegstecken musste: Ihr langjähriger Gitarrist starb nach kurzer schwerer Krankheit. Dieser Schicksalsschlag wird auf ihrem gerade erschienenen Album titelgebend verarbeitet: „Wir bleiben wach“ ist nicht nur der Name ihrer Neuerscheinung, sondern auch der Opening Track. Trotz des traurigen Themas ist der Song ein druckvolles, energiegeladenes Versprechen, weiterzumachen. Unterstrichen wird dieses Vorhaben durch die Ankündigung einer Tournee. In zehn deutschen Städten spielen Sondaschule ihre bislang größte Hallen-Tour. Darunter auch in Hannover: Am 29. November um 20 Uhr sind die Ruhrpottler in der Swiss Life Hall zu Gast. Tickets gibt es für 52,60 Euro online und an den bekannten Vorverkaufsstellen.

IH

Foto: Flo Ehlich

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Ein letztes Wort im Oktober

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Ein letztes Wort im Oktober


Herr Weil, lassen Sie uns noch einmal über Vertrauen sprechen. Das Vertrauen in Parteien und Institutionen ist momentan so niedrig wie lange nicht. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?

Es wäre schön, wenn es darauf eine einfache Antwort gäbe. Vertrauen bedeutet für mich die Zuversicht, dass eine Person sich so verhalten wird, wie sie es ankündigt und wie ich es von ihr erwarte. Vertrauen bedeutet auch, dass ich eine Person oder eine Institution verlässlich einschätzen kann. Vertrauen braucht also auf der gegenüberliegenden Seite Glaubwürdigkeit als Grundlage. Nur so kann Vertrauen überhaupt entstehen. Wenn man dann gute Erfahrungen macht, wächst das Vertrauen. Vertrauen ist für die Politik in einer Demokratie ganz zentral. Letztlich ist es wahrscheinlich die wichtigste politische Währung.

 Es gibt aber scheinbar jede Menge Politikerinnen und Politiker, die das noch nicht verinnerlicht haben, beziehungsweise lieber irgendwelche populistischen Spielchen spielen.

Ja, viele haben es immer noch nicht begriffen. Das ist eine beunruhigende Feststellung, finde ich.

Vertrauen zu sammeln, das ist eine langfristige Angelegenheit. Vertrauen muss wachsen, das haben Sie gerade gesagt. Aber hat die Politik dazu überhaupt noch eine Chance in diesen Zeiten?

Es ist viel schwieriger geworden und das hat Gründe. Wir haben zuerst diese Unübersichtlichkeit der Verhältnisse. Vieles ist inzwischen wahnsinnig kompliziert. Und vieles geht im Politikbetrieb sehr schnell, oft zu schnell. Politikerinnen und Politiker müssen ein Thema ja zunächst einmal verstehen, um mögliche Schlussfolgerungen ziehen zu können. Ein gewisses Durchdringen ist notwendig, um wirklich bewerten zu können, wie sinnvoll und vertrauenswürdig das ist, was mir als Lösung angeboten wird. Gleichzeitig haben wir eine veränderte Medienlandschaft. Es zählen Klicks, die eher mit schlechten Nachrichten generiert werden. Sich unter solchen Umständen zu orientieren, ist schwer. 

Welchen Anteil hatten die sogenannte Flüchtlingskrise und die Pandemie am Vertrauensverlust?

Ich bin mir da gar nicht so sicher. Es wird ja immer so pauschal gesagt, dass das wesentliche Punkte seien, aber stimmt das eigentlich? In der ersten Phase der Pandemie war das Vertrauen in die Politik so hoch wie kaum jemals zuvor. Vertrauen entsteht ja auch durch entschlossenes Handeln. Die Maßnahmen waren drakonisch, aber es gab viele Menschen, die sie als notwendig akzeptiert haben und wenige qualifizierte Einwände. Ein gewisser Vertrauensverlust kam gegen Ende der Pandemie. Und die sogenannte Flüchtlingskrise hat zunächst ebenfalls keinen Vertrauensverlust ausgelöst. Wir hatten eine große Willkommenskultur. Allerdings sind dann einige Fehler gemacht worden. Ich habe immer verstanden, warum Deutschland bereit war, die syrischen Menschen von den Autobahnen in Ungarn zu holen. Das fand ich ausdrücklich richtig. Aber gleichzeitig war sehr schnell klar, dass Deutschland nicht allein in der Lage sein würde, dieses gesamteuropäische Problem zu einem erheblichen Teil allein zu lösen. Es sind sehr viele Menschen in sehr kurzer Zeit zu uns gekommen. Damit haben wir uns Probleme geschaffen, die nicht schnell zu lösen waren und die bis heute nachwirken. Das hat Vertrauen gekostet.

Viele Bürgerinnen und Bürger haben ja das Gefühl, dass die Politik die Probleme nur „verschleppt“. Hat das einen realen Nährboden oder verstehen diese Menschen nicht, wie Politik funktioniert?

Sigmar Gabriel hat mal gesagt, dass man Politikerinnen und Politikern alles zutraut, und dass man ihnen gleichzeitig nichts zutraut. Das bringt es gut auf den Punkt, gerade in so einer verwirrenden und auch teilweise beunruhigenden Phase, wie wir sie derzeit erleben. Es richten sich ganz viele Erwartungen und Hoffnungen auf die Politik. Und umso größer ist dann die Enttäuschung, wenn die Politik nicht liefert. Genau dann wird schnell gesagt, dass die Politik gar nichts kann. Und dieser Eindruck wird von den Populisten noch befeuert. Das ist aber falsch. Die Politik kann eine Menge. Die Probleme, mit denen wir derzeit konfrontiert sind, haben allerdings ein beträchtliches Ausmaß. Wenn Sie die 2010er- und die 2020er-Jahre vergleichen, erkennen Sie sofort riesige Unterschiede. Das wird bei der Bewertung von Politik oft vergessen.

Die aktuelle Regierung bildet nun ständig irgendwelche Kommissionen. Was halten Sie davon?

Wenn du nicht mehr weiterweißt, gründe einen Arbeitskreis – das ist so ein gängiger Spruch. Aber es gibt etliche Beispiele dafür, dass gerade bei kontroversen Themen eine Kommission Vorschläge entwickelt hat, mit denen dann ein gordischer Knoten aufgelöst werden konnte. Denken Sie an das Thema Endlagerung. Ich bin deshalb nicht so skeptisch im Hinblick auf die Arbeit in Kommissionen. Ein solches Vorgehen hat den Vorteil, dass man ein Thema aus der ersten Reihe herausnimmt. Und dass sich dann Leute mit einem Thema befassen, die viel davon verstehen, die vielleicht etwas mehr Distanz zu den Medien haben und sich nicht ununterbrochen erklären und rechtfertigen müssen. Wenn schließlich ein Konsens gelingt, kann das eine enorm befriedende Wirkung haben. So ein Konsens ist dann oft auch akzeptabel für die Politikerinnen und Politiker in der ersten Reihe. Und die Lösungen sind mitunter tragfähiger als ein Kompromiss, der in irgendeiner nächtlichen Koalitionsausschusssitzung zurechtgezimmert wird.

Nachtsitzungen sind nie gut, darüber haben wir auch schon öfter gesprochen.

Nachtsitzungen sind eine Erfindung des Teufels (lacht).

Wir haben mal über die Vorschläge zum Bürokratieabbau gesprochen, die Thomas de Maizière, Peer Steinbrück, Andreas Voßkuhle und Julia Jäkel erarbeitet haben. Das ist alles schon wieder Schnee von gestern, oder?

Nein, das ist falsch. Diese Initiative hatte sogar einen sehr frühen ersten Erfolg: Es ist ein ganzes Ministerium zur Umsetzung errichtet worden, das Ministerium für Digitales und Staatsmodernisierung. Nach der Koalitionsvereinbarung soll dieses Ministerium gewissermaßen das organisierende Zentrum sein. Noch haben wir allerdings nicht viel von diesem Ministerium gehört, und ich würde vermuten, dass der Name des zuständigen Bundesministers nur wenigen einfallen wird. Aber das wird hoffentlich bald anders werden – ich jedenfalls wünsche Karsten Wildberger und seinem Team viel Erfolg!

Bestätigt das nicht das Gefühl vieler Bürgerinnen und Bürger, dass die Politik nicht liefert oder viel zu langsam liefert?

Das wäre zu leicht. Es gibt aus meiner Sicht nicht den einen, revolutionären Schnitt, der die Probleme mit unserer Bürokratie löst. Das ist eher harte Arbeit in den Tiefen von Verwaltung und Gesetzen. Und man muss sich – sonst kann‘s nicht funktionieren – darüber im Klaren sein, dass es ohne einen ausgeprägten politischen Willen an der Spitze und eine entsprechend intensive Unterstützung der politisch Verantwortlichen nicht geht. Das ist jedenfalls eine Erfahrung, die ich sehr oft gemacht habe. Man muss mitunter enorme Beharrungskräfte überwinden. Aber wir haben inzwischen natürlich auch Verwaltungsverfahren und Prozesse, die an Irrsinn grenzen.

In manchen Wäldern werden jetzt die Bänke abgebaut, weil jemandem ein Ast auf den Kopf fallen könnte …

An genau solchen Punkten sind wir eindeutig falsch abgebogen, finde ich. Es kann ja nicht sein, dass wir uns eine Bürokratie aufbauen, die jedes nur erdenkliche Risiko beseitigt. Wir versuchen, unser System zu perfektionieren und übertreiben dabei mitunter hemmungslos. An der Überwindung dieser Denke muss jetzt mit Nachdruck gearbeitet werden. Es braucht aus meiner Sicht auch eine deutliche Veränderung der Fehlerkultur in unserer Verwaltung. Und wir brauchen mehr Mut an der Spitze der Häuser. Leitungspersonen dürfen die eigenen Leute nicht im Regen stehen lassen, wenn mal etwas schiefgeht.

Ich bleibe im Fernsehen hin und wieder bei der „tageschau vor 20 Jahren“ hängen. Und sehe, dass die Themen erschreckend ähnlich sind. Rente, Umwelt, Energie, Zuwanderung und der Streit um die Vermögenssteuer tobt ebenfalls schon seit Jahrzehnten. Ich kann den Eindruck sehr gut nachvollziehen, dass wir seit vielen Jahren irgendwie auf der Stelle treten.

Ich könnte Ihnen jetzt natürlich einige Themen aufzählen, bei denen wir durchaus Fortschritte gemacht haben. Aber es gibt auch Bereiche, da haben wir uns lange selbst im Wege gestanden. Nehmen Sie die Energiepolitik. Da gab es vor 25 Jahren mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz einen richtig guten Einstieg in einen langsam, aber kontinuierlichen Wandel hin zu immer mehr Erneuerbaren. Das ist aber ein paar Jahre später gestoppt worden und dann folgte ein wildes Hin und Her. Geblieben ist nach all dem leider eine spürbare Unsicherheit, wie es jetzt weitergehen soll. Gerade bei solchen Themen braucht man einfach einen langen Atem und ein dickes Fell. 

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Gründungsstrecke Oktober 2025: Prosimo

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Gründungsstrecke Oktober 2025: Prosimo


Nachhaltigkeit auf zwei Rädern: Elektro-Kits für Vespa-Roller

Aus Leidenschaft für Vespas zur Innovation: Simon Hische elektrifiziert Klassiker

Schon als Kind schraubte Simon Hische an Vespas. Was im elterlichen Geschäft begann, hat er 2024 mit der Gründung der prosimo GmbH in Springe auf eine neue Stufe gehoben: Mit selbst entwickelten Elektro-Kits rüstet er klassische Vespa-Modelle auf Stromantrieb um. Damit bringt er die Zweirad-Ikonen ins Zeitalter der Nachhaltigkeit – und das inzwischen nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich, Italien und den Niederlanden. „Das ist erst der Anfang“, sagt Hische selbstbewusst. Rund 100 Kits hat er bereits verkauft.

Der 36-Jährige vereint Handwerk und Hightech: Meisterbrief in Kfz-Technik, Studium der Elektrotechnik und Informatik, dazu eine Ausbildung als Mechatroniker. „Ich habe immer schon viel an Vespas repariert. 2016 fiel mir auf, dass Motoren zunehmend kaputtgingen. Das war frustrierend. Also habe ich nach einer besseren Lösung gesucht – und bin beim Elektroantrieb gelandet“, erzählt er. Weil es damals kein entsprechendes Produkt gab, entwickelte er kurzerhand einen eigenen Prototyp, der 2018 erstmals legal zugelassen wurde. Schritt für Schritt folgten TÜV-Zertifizierung, Patent und Markenschutz – und schließlich die Gründung der prosimo GmbH. „Alles, was ich einnehme, fließt zurück ins Unternehmen. Meinen Lebensunterhalt verdiene ich bis heute hauptberuflich bei einem Automobilzulieferer in Wolfsburg.“

Die Idee dahinter: Vespa-Fahrer sollen ihre Klassiker nicht wegen drohender Fahrverbote für Zweitakter aufgeben müssen. „Natürlich gibt es viele Elektroroller auf dem Markt – aber keiner hat den Kultstatus einer Vespa. Gerade die alten Modelle will ich retten. Wir machen die Roller leise, sauber und zukunftsfähig – ohne Stil, Form oder Charakter zu zerstören.“ Die Vorteile beschreibt er anschaulich: „Das Schalten entfällt, das Anfahren ist kraftvoll und direkt, es riecht nichts mehr nach Abgas. Statt Minuten dauert es nur Sekunden von 0 auf 80 km/h.“

Hische setzt auf Qualität aus der Region. Produziert, assembliert, getestet und versendet wird in Eldagsen. Sein Baukastensystem bietet vier Leistungsstufen von 45 bis 100 km/h, mit Reichweiten zwischen 50 und 120 Kilometern. Die Akkus sind herausnehmbar, können an öffentlichen Ladesäulen oder der Steckdose geladen werden. Die Kits kosten zwischen 3.999 und 6.999 Euro. „Deutlich günstiger als viele neue Roller – und der Sammlerwert der Vespa bleibt erhalten.“

Doch der Gründer steht vor der nächsten Herausforderung: Wachstum. „Aktuell suche ich einen Investor, um größere Stückzahlen produzieren zu können. Derzeit bin ich regelmäßig ausverkauft, weil ich nur einkaufe, was ich einnehme – das hemmt das Wachstum.“ Parallel baut er ein Netzwerk von Partnerwerkstätten in ganz Europa auf. Sein nächstes Ziel: Elektro-Kits für große Vespas und klassische italienische Dreiräder. „Meine Vision ist ein modulares Baukastensystem, mit dem künftig eine Vielzahl von Zwei- und Dreirädern elektrifiziert werden kann – inklusive vereinfachter Wartung und Reparatur.“

Unterstützung findet er bei hannoverimpuls. „2023 habe ich nach Fördermöglichkeiten gesucht und hannoverimpuls kontaktiert. Kurz darauf meldete sich Olaf Daebler über LinkedIn und machte mich auf einen Pitch-Abend aufmerksam. Seitdem bin ich gut vernetzt, halte Vorträge und werde regelmäßig zu Veranstaltungen eingeladen.“ Besonders schätzt er die professionelle Beratung: „Es ist sehr wertvoll, wenn Profis von außen auf das Geschäftsmodell schauen – gerade bei den Finanzen. Für mich ist das eine große Hilfe.“

Auch von offizieller Seite kommt Rückenwind. „Ich sehe in der prosimo GmbH von Simon Hische enormes Potenzial“, sagt Daniel Bogaerts, Projektleiter Gründung und Entrepreneurship bei hannoverimpuls. „Er ist nicht nur ein ausgewiesener Fachmann, sondern treibt sein Unternehmen mit innovativen Ideen konsequent voran. Wir werden ihn bestmöglich dabei unterstützen, von Hannover aus in ganz Europa durchzustarten.“

Seinen Rat an andere Gründerinnen und Gründer gibt Hische offen weiter: „Kümmert euch frühzeitig um Förderungen und gute Beratung. Ich habe sicher viel Geld verschenkt, weil ich nicht wusste, was möglich ist. Jede Pitch-Präsentation hilft, das Geschäftsmodell zu schärfen. Und: Habt keine Angst, über eure Idee zu sprechen – jede Erfahrung bringt euch weiter.“

Kontaktdaten:

prosimo GmbH
Im Loffenkamp 1
31832 Springe

Telefon:+4915155656397
E-Mail: info@prosimo.de

www.prosimo.de

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Literarisches: Liane Wagner

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Literarisches: Liane Wagner


Mit gleich zwei neuen Werken meldet sich Liane Wagner in diesem Herbst zu Wort: dem
Roman Bei Omika – Ein Kokon aus hellen Tagen und dem Gedichtband Im Zeitenwechsel –
Lyrische Gedanken. Zwei Bücher, zwei Formen – und doch eine gemeinsame Quelle. Beide
sind gespeist aus Erinnerungen, Beobachtungen, Sehnsüchten und den feinen
Zwischentönen des Lebens. „Der Roman beschreibt vieles aus der Sicht des Kindes, der
Heranwachsenden. Die Gedichte dagegen werfen einen Blick in die Seele einer
Erwachsenen und setzen sich mit Liebe, Gesellschaft, Politik, Natur und Umwelt
auseinander“, sagt die Autorin.
Bei Omika führt die Leserinnen zurück ins Rumänien der 1960er- und 70er-Jahre. Es ist die Geschichte einer Kindheit voller Geborgenheit, getragen von der Großmutter – und zugleich von der Begegnung mit Murli, dem „fremden Bruder“. Emilie, die Erzählerin, wächst als Einzelkind auf, umgeben von Erwachsenen, aber ohne Geschwister. In Murli, einem Jungen aus schwierigen Verhältnissen, findet sie zum ersten Mal eine Vertrautheit, die dieser Leerstelle etwas entgegensetzt. Damit verwebt Wagner persönliche Erinnerungen mit einem größeren gesellschaftlichen Panorama: Bürokratie, Vorurteile, der Umgang mit sozial Schwachen, Verlust. „Ja, das Buch ist auch ein Zeitzeugnis. Es war meine Absicht, diese Aspekte des damaligen Lebens in Rumänien – nicht im Vordergrund, aber am Rande – festzuhalten.“ Besonders eindrücklich sind die sinnlichen Details: Gerüche, Farben, Geräusche, die Atmosphäre des Sommers. „Sprache ist für mich das Sine qua non, die unabdingbare Voraussetzung für mein Schreiben. Sie hält Gefühle, Erlebtes, Situationen fest. Ohne Sprache gäbe es für mich keine Geschichten, keine Gedichte.“ Während der Roman aus der Vergangenheit schöpft, richtet der Band Im Zeitenwechsel den Blick auf das Hier und Jetzt. In den Gedichten verbinden sich Naturbilder mit Reflexionen über Liebe, Vergänglichkeit, gesellschaftliche Fragen. „Wir leben nicht auf einer Insel. Alles ist miteinander verbunden. Wir sind nur ein Teil eines komplexen Lebensraums“, betont Wagner. Die Natur ist dabei immer wieder Motiv und Resonanzraum – Meer, Strand, Bäume, Himmel. „Sie ist für mich Inspirationsquelle, Projektionsfläche und Lebensgrundlage zugleich. Sie spendet mir Kraft, gibt Geborgenheit – und es macht mich traurig, wenn ich menschlichen Egoismus erlebe.“ Ob in Prosa oder Lyrik – immer wieder schwingt die Sehnsucht mit: nach Nähe, nach Freiheit, nach Geborgenheit. „Ich glaube schon, dass Sehnsucht ein Motor meines Schreibens ist. Aber ebenso wichtig ist der Wunsch, Geschichten und Gedanken mit anderen zu teilen – und Resonanz zu erhalten.“ Wagner unterscheidet klar zwischen den Ausdrucksformen: „Wenn das Schicksal eines Menschen mich bewegt, schreibe ich Prosa. Wenn starke Gefühle meine Seele bedrängen, dann kommt das lyrische Ich ins Spiel.“ Beides entsteht aus Emotionen, manchmal eruptiv, manchmal nach längerer Inkubation. Und was sollen die Leserinnen aus den Büchern mitnehmen?
„Natürlich Trost, Inspiration und eigene Erinnerungen. Aber mein großer Wunsch ist, dass sie
auch mehr Heiterkeit und Zuversicht in ihren Alltag tragen. Dass sie lächeln, sich an eigene
Erlebnisse erinnern und bestärkt werden – in der Liebe zu Mitmenschen und zur Natur.“ So
werden Roman und Gedichtband zu zwei Seiten derselben literarischen Handschrift: die eine
erzählt von einer Kindheit zwischen Wärme und Härten, die andere reflektiert die Gegenwart
im Spiegel der Natur. Gemeinsam ergeben sie ein Werk, das tief in die Vergangenheit greift
und zugleich hochaktuell klingt – getragen von dem, was Liane Wagner antreibt: Sehnsucht,
Erinnerung und der Wunsch, das Erlebte weiterzugeben.
Shaker Media, 202 Seiten, 18,90 Euro (Roman) und Shaker Media, 136 Seiten, 19,90 Euro
(Gedichtband)

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