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Der besondere Laden: Paraphernalia

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Der besondere Laden: Paraphernalia


Mitten in Hannover-Oststadt, nur wenige Schritte vom Wedekindplatz entfernt, liegt eine Damenmodeboutique, die seit Jahrzehnten für Individualität, Eleganz und auch Nachhaltigkeit steht. Inhaberin Helga Bretschneider verspricht neben kompetenter Beratung auch ein außergewöhnliches Sortiment „immer ein Stück neben der Mainstreamspur“.

Schon am Wedekindplatz zieht ein liebevoll gestaltetes Schaufenster viele Blicke auf sich. Farbenfrohe Muster vereinen Extravaganz mit Eleganz und machen neugierig auf mehr. Ist das Interesse erst einmal geweckt, ist der Weg zum Geschäft in der Flüggestraße nicht mehr weit. Und auch hier grüßt unmittelbar ein Schaufenster, das in leuchtenden Farben einen Hinweis auf das besondere Sortiment von Paraphernalia gibt: ein durchdachtes Konzept, ein Hauch Vintage und viel Liebe zum Detail.

Hinter der gläsernen Eingangstür öffnet sich schließlich ein heller Raum, dessen eindrucksvoller Kronleuchter und wellenförmige Deckenverzierung der Verkaufsfläche Tiefe verleihen. Die weißen Wände werden durch bunte Muster ausgewählter Kleidungsstücke aufgebrochen und so befinden sich das Interieur und das Sortiment der gelernten Dekorateurin im Einklang. Klarheit und Farbenfreude ziehen sich wie ein roter Faden durch das große Angebot von überwiegend Kleidern, die das Herzstück des Sortiments bilden. „Es macht unser Sortiment einfach aus, dass es sich stark auf das Kleid konzentriert, auf einen femininen Look von der Freizeit- bis zur Anlassmode.“

Seit inzwischen fast 50 Jahren ist Bretschneider mit diesem Konzept erfolgreich. „Ich habe dieses Geschäft 1976 gemeinsam mit fünf Studentinnen gegründet“, erzählt sie mit einem Lächeln im Gesicht. „Damals sind wir viel nach Afghanistan und Indien gefahren und haben vor Ort nach Kleidern und Accessoires geschaut, die wir in Deutschland verkaufen konnten.“ Auch in London seien sie zu dieser Zeit viel gewesen. Der Fokus habe schon immer auf Sachen gelegen, „die es woanders meist nicht gibt“. Bis heute arbeitet Bretschneider mit Marken zusammen, die in anderen Geschäften in der Stadt kaum bis gar nicht vertreten sind und ihr so ein Alleinstellungsmerkmal garantieren. „Die Lieblingsmarken unserer Kundinnen sind die Firma Fox’s, mit der wir schon seit den 80er-Jahren zusammenarbeiten und die sich stilistisch immer wieder neu erfunden hat, und die Firmen Lanius und Ellen Eisemann.“ Beliebt seien aber auch die weichen Schals der irischen Firma McKernan und das ausgewählte Schmucksortiment.

Und auch gesellschaftliche Verantwortung spielt bei Paraphernalia eine wichtige Rolle. Bretschneider achtet heute bei der Auswahl ihres Sortiments stets darauf, „dass die Sachen in Europa unter guten Bedingungen produziert werden, möglichst mit Naturmaterialien und ohne Synthetik.“ Hinzu kommt, dass die Inhaberin einen Reparaturservice für kaputte Kleidungsstücke anbietet. Dadurch leistet sie aktiv einen Beitrag gegen die immer stärker werdende Wegwerfkultur. „Ich habe schon immer gern selbst genäht oder Second Hand getragen. Das mache ich bis heute. Für meine Kundinnen repariere ich auch hochwertige Pullover und biete Vintage Taschen an, die ich aufbereitet habe. Gerade habe ich zum Beispiel eine wirklich schöne Tasche von Yves Saint Laurent in Arbeit.“

So ist es nicht nur die jahrelange erfolgreiche Zusammenarbeit mit verschiedenen Modemarken, die Bretschneider bis heute schätzt, sondern auch die persönliche Verbindung zu ihren Kundinnen. Seit einigen Jahren gibt es einen Onlineshop von Paraphernalia und hin und wieder „gibt es Kundinnen, die anrufen und sich beraten lassen – das mache ich selbstverständlich gern!“ Jenseits von Fast Fashion und Einheitslook möchte Bretschneider für jede ihrer Kundinnen die passende Paraphernalie, auf Deutsch Zubehör, für ihren persönlichen Stil finden.

Laura Druselmann

Paraphernalia

Flüggestraße 14, 30161 Hannover

Tel.: 0511 664866

E-Mail: info@paramoda.de

www.paraphernalia-hannover.de

Facebook: Paraphernalia Hannover

Instagram: paramodehaus

Öffnungszeiten:

Mo bis Fr: 12 bis 18 Uhr

Sa: 12 bis 15 Uhr

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Editorial 08-2025

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Editorial 08-2025


Liebe Leser*innen,

in dieser Ausgabe habe ich René Schweimler zum Interview getroffen. Muss man den eigentlich noch vorstellen? René ist Geschäftsführer und Chefredakteur beim Fahrgastfernsehen. Und er zieht auch die Fäden beim Seh-Fest. René ist aber noch viel mehr als Geschäftsführer, er ist einer dieser Menschen, die man in Städten unbedingt braucht, wenn es funktionieren soll, jemand, der gerne etwas auf die Beine stellt, und das darf dann auch gerne ganz neu sein. Dazu ist er ein echter Netzwerker, jemand, der die richtigen Leute zusammenbringt.

René hat mir gleich zum Einstieg sehr viel darüber erzählt, wie er seinen Weg in den Journalismus gefunden hat, über den Einfluss seines Vaters und seine ersten Jahre. Und wir haben in der Folge natürlich darüber gesprochen, welchen Anspruch Journalismus haben sollte. Wir sind uns bei dieser Frage sehr einig: Journalismus soll die Öffentlichkeit informieren, und das unbedingt seriös und faktenbasiert. Im Fahrgastfernsehen ist das die tägliche Challenge. Wie bekommt man die Informationen auf ein paar wenige Zeilen so eingedampft, dass inhaltlich nichts verloren geht? Sie haben das mit den Jahren perfektioniert. Wer heute mit der Bahn unterwegs ist, und nicht auf sein Smartphone starrt, der kann sich darauf verlassen, kurz und knapp informiert zu werden, und das inhaltlich sehr gut recherchiert. Das ist schon eine Kunst. Das Fahrgastfernsehen ist die schnelle, fundierte Information, die Tageszeitung geht dann mehr in die Tiefe. Wobei die App „Das Fahrgastfernsehen.“ jetzt ebenfalls Zusatzinformationen bietet. Und wir sind mit dem Stadtkind sozusagen der Roman. Aber eben auch ein Monatsmagazin – und der Lesestoff muss ja reichen für den Monat.

Mir ist bei dem Gespräch mit René noch einmal sehr klar geworden, wie wichtig es ist, dass wir in Deutschland (noch) einen Journalismus haben, für den der Pressekodex nicht nur irgendein abgehobener Anspruch ist. Es geht um Wahrhaftigkeit, Fairness, Integrität, Unabhängigkeit und Verantwortung. Gerade, wenn immer mehr falsch gespielt wird in den Sozialen Medien, wenn Fake News lanciert werden, wenn gelogen wird, dass sich die Balken biegen, wenn beispielsweise eine Juristin, wie gerade geschehen, völlig grundlos diffamiert wird, muss der Anspruch sein, sehr genau und sehr klar auf der anderen Seite zu stehen.

Die Diffamierung der Öffentlich-Rechtlichen und auch privater seriöser Medien als Lügenpresse ist ja Teil einer übergeordneten Strategie. Es geht im Grunde darum, die Wahrheit zur Glaubensfrage zu machen. Und dann wird irgendwann vieles sagbar und denkbar. Bitte nicht darauf hereinfallen! Julian Reichelt ist beispielsweise kein seriöser Journalist und sein Nachrichtenportal Nius ist auch kein Nachrichtenjournal, sondern eine Sammlung ausgewiesenen Schwachsinns. Das Internet ist voll mit diesem Mist und auch die Social-Media-Kanäle werden momentan regelrecht geflutet. Man sollte bestenfalls einen großen Bogen um all das machen. Und man sollte den Mut haben, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. „Sapere aude!“ Immanuel Kant lässt grüßen. Den eigenen Verstand einschalten, das heißt gerade nicht, sich aus irgendwelchen zusammengewürfelten Desinformationen eine eigene Wahrheit zu kreieren, sondern sich tatsächlich gut zu informieren. Das geht in den seriösen Medien (aka Lügenpresse).

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Das August-Kind ist da!

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Das August-Kind ist da!


Wenn man zwei Journalisten aufeinander loslässt! Natürlich geht es im Gespräch mit René Schweimler (Geschäftsführer und Chefredakteur beim Fahrgastfernsehen) um den Kodex: Was darf Journalismus, was braucht er? Es geht um Wahrhaftigkeit und Fake News, Unabhängigkeit und Verantwortung, besonders aber geht’s um Hannover im Titel-Interview auf Seite 54.

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Ein offener Brief … an Ralf Stegner und Co.

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Ein offener Brief … an Ralf Stegner und Co.


Lieber Ralf und liebe alle, ganz großartig! So ein schönes Manifest. Und zum genau richtigen Zeitpunkt. Wenn all die nassforschen und besserwisserischen jungen und jüngeren und mittelalten Menschen in Verantwortung den falschen Weg einschlagen, weil sie sich einfach nicht genug mit der jüngeren Geschichte auskennen und verdammt noch mal nicht reden wollen, wenn sie nur alle Krieg wollen und Aufrüstung, dann ist es eine gute Idee, wenn die Altgedienten sich vereinen und mahnende Worte finden.

Du, lieber Ralf, hast auf die Schnelle eine beeindruckende Truppe zusammengetrommelt. 32 x heißt es a. D. in der Liste der ersten, die das Manifest unterzeichnet haben. Und das ist ein Qualitätsmerkmal, denn wer außer Dienst ist, wer keine Verantwortung mehr hat, der hat einfach ein bisschen mehr Muße, sich den Dingen von der Seitenlinie grundsätzlicher zu widmen. Und klar, wer sich grundsätzlicher mit dem Russland-Ukraine-Konflikt auseinandersetzt, der kommt schnell darauf, dass man das alles nicht so einfach schwarz-weiß sehen darf. Ja, Russland hat die Ukraine angegriffen, aber man muss Russland auch ein Stück weit verstehen. Putin hat sich einfach bedroht gefühlt vom Verteidigungsbündnis NATO. Immerhin hat dieses Bündnis 1999 Serbien angegriffen – einfach so, völlig grundlos. Oder gab es einen Grund, den ihr im Manifest vergessen habt? Egal. Die Amerikaner haben jedenfalls ganz viele Verträge und Absprachen gebrochen. So war das. „Einseitige Schuldzuweisungen“ sind also eindeutig zu kritisieren. Die Amis sind auch nicht ohne und manchmal ziemlich böse.

Und wenn das endlich mal allen klar ist, dann kann man doch auch wieder ins Gespräch kommen miteinander. Leonid Breschnew, Willy Brandt, John F. Kennedy, Ronald Reagan, Michail Gorbatschow – sie alle haben miteinander geredet. Und sie haben auf diese Weise friedlich Vertrauen zueinander aufgebaut. Warum soll das jetzt nicht wieder gehen? Donald Trump, Wladimir Putin, Xi Jinping, das sind doch alles total rationale und gutmeinende Menschenfreunde – warum setzen wir uns nicht alle gemeinsam an einen Tisch und reden. Mehr Diplomatie wagen! Statt immer nur Aufrüstung. Und wenn der Wolodymyr Selenskyj nicht wieder so stur ist, sondern ein bisschen realistischer, darf er auch kommen und über die Zukunft der Ukraine mitdiskutieren. Man muss doch jetzt endlich wieder aufeinander zugehen. Verdammt noch mal!

Und es könnte alles so einfach sein. All die Kriegstreiber müssten einfach nur einsehen, dass man Russland nicht schlagen kann. Weswegen es auch total irre ist, der Ukraine immer weiter Waffen zu liefern. Wozu denn? Damit dieser Krieg nur immer weiter geht? Ein Leiden ohne Ende? Das kann es doch nicht sein. Du lieber Ralf, kennst die Russen sehr gut, und du bist dir sicher, dass es für die Menschen in der Ukraine schon nicht so schlimm kommen würde. Keine entführten Kinder, keine Folter, keine Vergewaltigungen, keine Massaker an der Zivilbevölkerung, keine Willkür. Weil die Menschen in der Ukraine ja eigentlich auch Russen sind. Und so etwas tut man doch den eigenen Leuten nicht an. Butscha war bestimmt nur ein Versehen …

Lieber Ralf, es ist gut, dass ihr jetzt so mutig wart, du, zusammen mit dem Rolf und den anderen. Für den Frieden zu sein, das muss man sich heutzutage ja erstmal trauen. Ein wichtiger Schritt. Lasst euch jetzt bloß nicht beirren von all den schießwütigen Idioten à la Carlo Masala. Die wollen diesen Krieg, weil sie ohne diesen Krieg nicht ständig in den Talkshows sitzen würden – ist doch klar. Alle, die nicht euer Manifest unterzeichnen, wollen Krieg. So ist das. Du, und der Rolf, und die Sahra und die Alice, ihr seid die wahren Friedenstauben. Wobei, Sahra und Alice – das war ein anderen Manifest. Da haben wir jetzt was verwechselt.

Foto: StockSnap / Pixabay.com

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Tonträger Juli 2025

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Tonträger Juli 2025


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Ein letztes Wort im Juli

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Ein letztes Wort im Juli


Herr Weil, heute sind Sie fast einen Monat Ministerpräsident a. D. Sind Sie schon aufgewacht mit dem Gedanken, dass Sie verschlafen haben und in die Staatskanzlei müssen?

Nein, das ist noch nicht passiert. Erstaunlicherweise fehlt mir momentan nichts von dem, was mit meinem früheren Amt zu tun hat. Ich finde das ziemlich erstaunlich, aber es ist so. Vielleicht liegt es daran, dass ich einen sehr schönen Abschied und einen klaren Schnitt hatte. Jetzt fängt einfach ein neues Leben an. Und klar, da muss sich jetzt noch einiges zurechtruckeln, aber das entwickelt sich gerade.

Fühlt es sich schon an wie Ruhestand oder noch wie Urlaub?

Es ist ja noch nicht wirklich ein Ruhestand, ich bin ja noch Landtagsabgeordneter. Im Moment habe ich keine 80-Stunden-Arbeitswoche mehr, aber weiter Arbeit. Eine Arbeit, die mir richtig Spaß macht. Viele Menschen in meinem Wahlkreis haben mir gesagt, dass ich jetzt 12 Jahre in der Weltgeschichte unterwegs war und dass sie froh sind, jetzt mal einen ‚normalen‘ Abgeordneten zu haben, der viel vor Ort ist.

Ich habe überlegt, worüber wir sprechen, wenn Sie nicht mehr Ministerpräsident sind. Aber eigentlich können wir uns unterhalten wie bisher, denn aus den Niederungen der niedersächsischen Tagespolitik haben wir uns immer weitgehend herausgehalten. So ein bisschen notgedrungen, weil in einem Monatsmagazin die Tagespolitik immer schon ein paar Tage alt ist …

Ja, wenn das Stadtkind erschienen ist, hatten sich manche Themen aus unseren Gesprächen schon wieder erledigt. Insofern haben wir beide uns doch immer eh meistens über das Große und Ganze unterhalten.

Es gibt so ein paar Megathemen in Deutschland, die werden uns erhalten bleiben.

Ja, aber nicht nur in Deutschland. Auch außerhalb von Deutschland passieren viele wirklich besorgniserregende Dinge. Die Eskalation im Nahen Osten zum Beispiel und der Ukraine-Krieg. Die Bedrohung der Demokratie: Nehmen Sie die USA, die Lage dort wird immer schlimmer. In der Türkei wird gerade die größte Oppositionspartei systematisch kriminalisiert und nebenan in Polen haben die Rechtsextremen die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Das wirkt ja auch alles auf Deutschland ein. Und wir haben hier bekanntlich auch noch genug eigene Themen. 

Ein großes Thema in Deutschland ist die Migration. Finden Sie, dass Deutschland, dass die Koalition momentan den richtigen Weg einschlägt?

Teils, teils. Zunächst sollten wir ganz nüchtern feststellen, dass wir Migration dringend brauchen. Wir brauchen Menschen, die zu uns kommen, um hier zu arbeiten und zu leben. Unsere alternde Gesellschaft ist darauf dringend angewiesen. Und dann geht es zweitens um die Frage, wie wir die riesige Aufgabe der Integration besser bewältigen können.

Aber die Tonlage ist momentan eine ganz andere. Für mich ist das meiste nur Symbolpolitik. Ein schlechter Versuch, der AfD mit AfD-Themen das Wasser abzugraben. Wir können uns ja darauf einigen, dass es Probleme gibt. Aber ich würde mir wirklich wünschen, dass man auch mal einsteigt in eine Diskussion um echte Lösungen.

Das stimmt, vor allem müssen wir auch endlich einmal über die unendlich vielen guten Beispiele gelungener Integration reden. Aber wir müssen natürlich auch die Probleme klar benennen: Wir müssen wissen, wer zu uns kommt und wir müssen in der Lage sein, zu entscheiden, wer bleiben kann. Ich finde einen echten Fortschritt, dass wir jetzt einen europäischen Antritt zur Migrationspolitik haben. Menschen mit Schutzrechten müssen auch weiter Schutz bekommen, aber gleichzeitig müssen wir die Zahl der auf irregulären Wegen nach Deutschland kommenden Menschen reduzieren. Und wir dürfen auch nicht verschweigen, dass es konkrete Probleme gibt. Viele Kommunen haben keine Aufnahmekapazitäten mehr. Und wir müssen bei der Integration wesentlich besser werden. Das betrifft auch den Bildungssektor.

Ich sehe diese Probleme, aber ich sehe noch keine echten Lösungsversuche. Nicht bei Dobrindt und bei Söder, nicht bei Merz. Ich habe eher den Eindruck, die gesamte Union scheint bei diesem Thema in eine fragwürdige Richtung abgebogen zu sein.

Das war schon so im Wahlkampf. Nach der Wahl kam dann bei der CDU in manchen Bereichen der Realitätsschock. Das hatten wir beim Thema Schuldenbremse, das haben wir jetzt beim Thema Migration. Mit den Zurückweisungen wird Dobrindt in dieser Form aller Voraussicht nach vor den Gerichten scheitern. Für mich ist eine Tatsache: Wir werden das Thema Migration letztlich nur auf europäischer Ebene wirksam regeln können, nicht auf nationaler Ebene.

Die Migrationszahlen sind in letzter Zeit gesunken. Ich frage mich immer, von welcher Notlage Herr Dobrindt jetzt eigentlich spricht. In einem Ton, als würde bei uns morgen die Welt untergehen.  

Stimmt absolut, und damit wird er bei den Gerichten auch nicht durchkommen. Die Union hat das Thema Migration während des Wahlkampfs zum Thema Nummer 1 erklärt. Schon damals hat sie das Thema deutlich größer gemacht worden, als es ist. Das war nicht gut. Es ist unbestritten, dass es Probleme gibt, aber die Art und Weise, wie dieses Thema zur Schicksalsfrage hochstilisiert wurde, war aus meiner Sicht einer der Gründe für den AfD-Erfolg. Jetzt ist die Union in Regierungsverantwortung und muss liefern. Diesen Sprung hat sie noch nicht wirklich geschafft, aber sie wird nicht darum herumkommen.  Klar ist, dass wir bei unseren Integrationsmöglichkeiten Grenzen haben. Ein Beispiel: In den Schulen haben vielerorts mittlerweile im Schnitt etwa 40 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund. Davon haben natürlich nicht alle einen hohen Sprachförderbedarf, aber eben doch sehr viele. Und das ist für unser Bildungssystem eine massive Herausforderung. 

Ich habe die Sorge, bei der Stimmung, die inzwischen bei uns herrscht, dass sich immer mehr Menschen zweimal überlegen, nach Deutschland zu kommen. Wir brauchen Zuwanderung, wir müssen ein Einwanderungsland sein, aber wir machen uns gleichzeitig immer unsympathischer …

Diese Sorge muss man auch haben, finde ich. Und wir brauchen nicht nur Fachkräfte, sondern auch einfach Hände. Wir brauchen Menschen, die sich hier bei uns etwas aufbauen möchten. Mit dem misstrauischen und ablehnenden Grundsound sorgen wir stattdessen dafür, dass unser Land für viele Menschen unattraktiver wird. Es ist ein Fehler, wenn wir alle die kommen und die bereits da sind, mit Misstrauen beäugen. Dabei gibt es doch vier Grundsätze, die eigentlich Konsens sind: Erstens brauchen wir Zuwanderung. Zweitens, wer ein Schutzrecht hat, wird weiter aufgenommen. Wir müssen drittens für eine kontrollierte Zuwanderung sorgen. Und wer sich bei uns viertens nicht an die Regeln hält, der muss unser Land wieder verlassen.

Ich habe die Befürchtung, die Union beschäftigt sich momentan nur mit dem letzten Punkt.

Ich hoffe, dass das nicht so ist.

Es gibt ja durchaus auch sehr viel, was funktioniert. Was mir gefallen hat, war beispielsweise „Niedersachsen packt an“.

Ja, darauf können wir wirklich stolz sein. Niedersachen hat seit 2015 rund 300.000 Menschen aufgenommen und das hat insgesamt ganz gut funktioniert. Das Bündnis „Niedersachsen packt an“, hat dazu beigetragen. Es geht um eine Kultur der Zusammenarbeit in ganz vielen Bereichen. Wie gelingt beispielsweise eine bessere und schnellere Integration in den Arbeitsmarkt. Das ist dann eine oft kleinteilige und natürlich nicht so schlagzeilenträchtige Arbeit, aber sie ist erfolgreich. Die Grundlage sind ganz viele Akteure, die sich engagieren – von der Wirtschaft bis zur Flüchtlingshilfe.  Dieses Bündnis ist übrigens nach wie vor einmalig in Deutschland.

Ich finde, der Königsweg ist immer die Begegnung, das Miteinander. Wenn man sich kennenlernt, räumt das viele Vorurteile ab. Das schafft Vertrauen. 

Das ist ganz sicher so. Was würde ich brauchen, wenn ich aus irgendeinem Grund gezwungen wäre, Deutschland zu verlassen und zum Beispiel nach Syrien zu gehen – in ein vollkommen fremdes Land, eine fremde Sprache, eine andere Kultur, eine andere Religion. Was ich zuerst bräuchten, das wäre jemand, der mich an die Hand nimmt. Wir brauchen doch alle mal helfende Hände und in einem solchen Fall ganz besonders. Es steht übrigens auch bei mir auf der Liste der Möglichkeiten für die nächste Zeit, Zu schauen, was ich ehrenamtlich Sinnvolles tun könnte. Gute Verbindungen zu anderen Menschen sind mit Sicherheit extrem wichtig. Ich glaube, wir machen momentan noch den großen Fehler, immer die Sprachförderung an die erste Stelle zu setzen und dann erst die Integration in den Arbeitsmarkt. Über die Arbeit ergeben sich oft erst die Kontakte, die so wertvoll sind. Wir sollten das sehr viel früher miteinander verzahnen. Das geht, wenn die Unternehmen mitmachen und wenn es vor Ort Kolleginnen und Kollegen gibt, die so ein Ankommen begleiten. Solche Projekte, die Begegnung schaffen, sind tatsächlich die effizientesten, das weiß ich noch aus alten Rathaus-Tagen. So funktioniert Integration.

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