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Literarisches: Lisa Holtmeyer


Stress schlägt auf den Magen aber auch aufs Herz, Hirn, die Haut und das Immunsystem. Einer der Stressfaktoren in dieser schnelllebigen Welt ist Kommunikation. Welche Auswirkungen Kommunikation auf uns hat und wie wir lernen können, gesund zu kommunizieren, zeigt Lisa Holtmeier in ihrem neuen Buch Wortmedizin.

„Ich sage immer gern: Worte säen, Gesundheit ernten.“ Im Februar hat Lisa Holtmeier ihr Buch „Wortmedizin“ veröffentlicht. Darin setzt sie sich mit ungesunden Kommunikationsmustern und deren Auswirkungen auf unsere mentale Gesundheit auseinander. In 20 Kapiteln beschreibt Lisa Holtmeier am Beispiel von Alltagssituationen „krank machende Kommunikationsmuster“ und gibt konkrete Tipps für eine gesündere Kommunikation. Ihr Ziel: Mentale Gesundheit durch richtige Kommunikation stärken.

Lisa Holtmeier ist gelernte Ergotherapeutin und hat in Hildesheim Therapie- und Gesundheitswissenschaften studiert. Nebenbei hat sie in Praxen und Kliniken gearbeitet.

„Da ist mir das Thema Kommunikation sehr häufig untergekommen. Besonders auf der Intensivstation, wo die Menschen an Monitoren angeschlossen sind, merkt man sehr schnell, welche Auswirkungen Kommunikation auch auf die Herzfrequenz, auf den Blutdruck, auf die Atemfrequenz haben kann.“ Holtmeiers Faszination für Kommunikation und Sprache rührt aus ihrer schwierigen Schulzeit her, in der sie durch Mobbing häufig mit ungesunden Kommunikationsmustern konfrontiert war. Im Studium vertiefte sie ihr Interesse und legte den Fokus ihrer Bachelorarbeit auf die Auswirkungen von Kommunikation auf die mentale Gesundheit. Nach dem Bachelor-Abschluss gründete sie ihr Unternehmen Wordseed. Auf Fortbildungen, unter anderem für Unternehmen, lehrt sie flexible und gesunde Kommunikation für Führungskräfte – in der Schweiz, Österreich, aber auch in Hannover.

Ihr Buch „Wortmedizin“ versteht Holtmeier als „Wegbegleiter in Richtung gesündere Kommunikation.“ In alltagsnahen Geschichten, die am Arbeitsplatz stattfinden, aber auch in Gesprächen zwischen Freund*innen oder Beziehungspartner*innen, sollen sich ihre Leser*innen wiederfinden können. Figuren wie Frau Lippmann, die eines Tages in das Büro ihrer Chefin zitiert wird, ohne zu wissen, worum es geht und sich den Kopf darüber zerbricht, oder Eleni, die sich auf Instagram als Psychologin inszeniert, obwohl sie gar keine ist und damit von einer Freundin konfrontiert wird, nimmt die Autorin aus ihrem Umfeld. „Diese Geschichten habe ich so oder so ähnlich entweder aus meinen Coachings oder Beratungen mitbekommen. Ich habe aber natürlich Namen und andere Details stark verändert, um die Personen zu schützen.“ Die geschilderten Situationen nutzt Holtmeier, um ungesunde Kommunikationsmuster aufzudecken. Am Ende eines jeden Kapitels gibt die Autorin Tipps, diese Kommunikationsmuster und Phänomene, wie Overthinking (zermürbendes Überanalysieren), Nonpology (unechte Entschuldigung) oder Gaslighting (gezielte Verunsicherung oder Manipulation des Gegenübers) zu durchbrechen. Holtmeier gibt direkte Formulierungshilfen und Bewältigungs-Methoden, wie die RAIN-Methode (Achtsamkeitstechnik zur Emotionsbewältigung), die 10-10-10-Methode (negative Gedanken einordnen und loslassen) und Journaling (schriftliches Festhalten von Gedanken). Auch sie selbst wendet Bewältigungs-Methoden wie das Journaling an. „Das hilft mir persönlich sehr, meine Gedanken zu sortieren und mich zu reflektieren. Ich würde mich tendenziell als sehr sensiblen Menschen bezeichnen. Ich nehme mir Worte manchmal sehr zu Herzen und denke lange darauf rum. Journaling ist für mich persönlich eine gute Methode, das einzuordnen.“ Aber auch wenn man sich an Holtmeiers Ratschläge hält, kann trotzdem noch was schiefgehen. „Die Verantwortung für Kommunikation teilen wir uns 50-50. Zu 50 Prozent bin ich verantwortlich, wie ich mich ausdrücke. Zu 50 Prozent bin ich darauf angewiesen, was du daraus machst. Und das ist manchmal auch das Unbefriedigende an Kommunikation. Das Ziel sollte nicht sein, dass wir andere Menschen verändern – in meiner Welt funktioniert das nicht – sondern, dass wir selbst gesund kommunizieren.“ Aber Lisa Holtmeier erkennt auch bei sich selbst hin und wieder noch ungesunde Kommunikationsmuster. „Ja, da kann ich einige aufzählen“, sie lacht. „Ich merke echt oft, dass ich aufopfernd kommuniziere, wenn zum Beispiel mal wieder aus dem eigentlichen Nein ein Ja geworden ist.“

Die Autorin erhofft sich von ihrem Buch vor allem eins: dass es Menschen hilft. „Ich wünsche mir, dass Menschen mit dem Buch einen Begleiter und eine Hilfestellung finden und dadurch lernen, sich im Alltag vor ungesunder Kommunikation zu schützen und gleichzeitig sensibel und achtsam zurück kommunizieren. Ich denke, wir haben da draußen einige Herausforderungen, die man unter anderem auch kommunikativ lösen könnte. Wir müssen alle mal ein bisschen achtsamer sein mit unserer Sprache, denn Sprache schafft Wirklichkeit.“

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Literarisches: Ossy Pfeiffer


Schweigen ist nicht immer Gold. Genau deshalb möchte Ossy Pfeiffer die Stille brechen und über das Kuriositätenkabinett, das sich Musikindustrie nennt, erzählen. Festgehalten ist dieses unsortierte Sammelsurium in seinem ersten Buch: „So, Alter! Jetzt pass auf!“. Jene Worte mit denen Gespräche zwischen Musiker*innen zu beginnen scheinen, die enttarnen wollen, was alles schiefläuft.
„So, Alter! Jetzt pass auf!“ ist ein unzensierter Blick hinter die – Achtung Ironie – glamourösen Kulissen des Lebens eines Musikers, Produzenten und kreativen Freigeists. Seit mehr als 30 Jahre arbeitet Ossy Pfeiffer pausenlos in der Musikbranche – als Musiker, Multi-Instrumentalist und Produzent. Pfeiffer schreibt in seinem Buch selbstreflexiv über erlebte Höhen und Tiefen, darunter Studio-Anekdoten, spannende Begegnungen mit weniger spannenden Persönlichkeiten und weniger spannende Begegnungen mit spannenden Persönlichkeiten. Zwischen Momenten des Scheiterns und des Erfolgs zeigt Pfeiffer die rissigen Fassaden der Musikindustrie. Humoristisch. Ehrlich. Melancholisch.
Pfeiffers Geschichten machen unmissverständlich klar: Nicht alles, was glänzt, ist Gold. „Viele verwechseln nämlich das Musikgeschäft oder das Musikerdasein mit Glanz und Gloria“, erzählt der Musiker und Autor. Er sagt von sich selber er habe schon alles erlebt, was man so erleben könne. Festgehalten hat er die intensiven Situationen zum Verarbeiten im Tagebuch, aus dem letztendlich dieses Buch wurde. „Schon immer habe ich zwischendurch Kurzgeschichten aufgeschrieben, absurde, lustige, aber auch fiese Geschichten, die zwischendurch im Alltag als Musiker und Musikproduzent passieren.“
Aus diesem Grund ist das Buch stark autobiografisch geprägt. Auch das Cover zeigt den Autoren selbst im Alter von einem Jahr – wobei das Rauchen selbstverständlich nachträglich rein montiert wurde. „Der rote Faden meines Buches ist im Grunde genommen die Art und Weise, wie ich alles erzähle: ungefiltert, direkt, aber ohne Namen zu nennen. Die prägendsten Geschichten sind natürlich die fiesen“, sagt Pfeiffer. „So Alter! Jetzt pass auf!“ ist jedoch nicht nur ein Buch – es kommt mit einer Bonus-CD, die vier Songs enthält. Die Songs sind ein „Aufruf an die Menschlichkeit“ in Country-Rock Form. Erarbeitet wurden sie von Anca Graterol, Sophie Mühlmann, Eckhardt Reimann, dem Autor selbst und vielen weiteren. „Der kreative Prozess des Schreibens hat sich im Grunde, zumindest für mich, nicht groß vom Musik komponieren, Songs schreiben, Texte schreiben unterschieden. Ich habe allerdings unterschätzt, wie viel Struktur ein Buch braucht. In der Musik ist es doch etwas anders, und die künstlerische Freiheit ist etwas weiter ausgelegt.“ Für die Zukunft gibt es auch schon gute Nachrichten, denn der Herzblutmusiker hat noch viel Energie: „Mein zweites Buch ist tatsächlich schon in Arbeit“, erzählt Ossy Pfeiffer.
RoBiDo Verlag
19,90 Euro
270 Seiten + Bonus CD mit 4 Songs

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Literarisches: Heinrich Thies


Eine Holocaust-Überlebende begegnet in der Lüneburger Heide einem Mann, dessen wahre und grausame Identität erst Jahre später enthüllt wird. Heinrich Thies‘ Roman „Sally – Der Weg zurück ins Leben“ ist eine Auseinandersetzung mit der Normalität des Bösen. Im Oktober veröffentlicht, erzählt der Text, inspiriert von realen Biografien, eine Geschichte über die Herausforderungen des Überlebens.

Sally Rosenstein, eine jüdische Tänzerin, lebt nach ihrer Befreiung aus dem KZ Bergen Belsen in einem Camp für „Displaced Persons“ und wartet auf ihre Ausreise nach Palästina. Sie tanzt, spielt Theater und fährt Rad. Bei einer ihrer Radtouren durch die Lüneburger Heide trifft sie zufällig den Eiermann Otto, einen charmanten, Geige spielenden Hühnerhalter. Es folgt eine Freundschaft, bei der Sally nicht ahnt, dass Otto einer der größten Kriegsverbrecher der NS-Zeit ist und damit mitverantwortlich an der Ermordung von Millionen von Menschen. Als sie dies Jahre später anhand eines Fotos herausfindet, schlägt es Sally zurück in die tiefen Abgründe ihrer Vergangenheit. Sie ist konfrontiert von einer inneren Zerrissenheit und Wut – und dem Bösen, das mitten unter uns zu leben scheint.

Thies‘ Sohn tippt auf ein Foto der jüdischen Tänzerin Dolly Friedler-Kotz und schlägt seinem Vater vor, die Geschichte dieser Frau zu erzählen. Das war der Impuls für „Sally“, so erzählt es der Autor. Über Otto Adolf Eichmann und sein Undercover-Leben in dem Ort Altensalzkoth hatte er bereits vor 15 Jahren für die HAZ recherchiert. „Zum einen hat es mich fasziniert, dass schon innerhalb weniger Monate am Rande der Massengräber neues jüdisches Leben aufgeblüht ist“, sagt Heinrich Thies und fährt fort: „Zum anderen hat es mich elektrisiert, dass nur rund zehn Kilometer entfernt der Cheflogistiker des Massenmords an den Juden Hühner gehalten und Geige gespielt hat und durchaus bei seinen Nachbarn angesehen war. Diese verstörende Nähe von Opfer und Täter, die ja der Realität entspricht, hat mich dazu bewogen, Sally mit Otto zusammenzuführen – eine fiktive Begegnung, die sich aber durchaus so hätte ereignen können.“

Der Autor beleuchtet wenig erforschte Facetten der Nachkriegszeit: das Leben von Holocaust-Überlebenden in Displaced Persons Camps und die beunruhigende Nähe zwischen Opfern und Tätern. Sallys Geschichte von ihrem Leben in Israel, ihrer Rückkehr nach Deutschland und die Rückblicke auf die Schrecken des Holocausts verweben sich zu einem Geflecht aus fundierter historischer Geschichte und psychologischer Tiefe, das Lesende beeinduckt und beklemmt zurücklässt.

Thies greift damit Hannah Arendts Konzept der „Banalität des Bösen“ auf, „welches betont, dass Eichmann – wie andere Nazi-Verbrecher – kein Monster war, sondern verstörend normal. Für Arendt liegt gerade in dieser Normalität das Erschreckende, das Gefährliche des Nationalsozialismus“, erzählt Heinrich Thies. Otto erscheint nicht als Dämon, sondern als gewöhnlicher Mann, der sich scheinbar mühelos an jede Umgebung anpasst. „So konnte eine Holocaust-Überlebende wie Sally diesen Mann durchaus sympathisch finden – sicher auch, weil Eichmann so skrupellos in der Lage war, sich ganz unterschiedlichen Bedingungen anzupassen. Ein Chamäleon.“

Heinrich Thies, geboren 1953 in der Lüneburger Heide, begann seine berufliche Laufbahn als Gymnasiallehrer, bevor er als Journalist zur Hannoverschen Allgemeinen Zeitung wechselte. Neben seiner journalistischen Arbeit hat Thies Biografien, Romane und Sachbücher verfasst. Mit Sally knüpft er an den Erfolg von „Fesche Lola, brave Liesel“ an, das ebenfalls historische und fiktionale Elemente verwebt.

331 Seiten

24 Euro

Rote Katze Verlag

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Literarisches: Marc Lunghuß


Teppiche bieten Heimat. Gerade denen, die keine haben“, schreibt Marc Lunghuß in seinem im Oktober veröffentlichten Roman „Am Boden“. In der Theorie ist es ein Roman über Teppichböden. In der Praxis aber eine mit besonderer Symbolik erzählte Vater-Sohn Geschichte in stiller Atmosphäre, über das unter den Teppich Gekehrte. „Trotz aller Teppichthematik und der von mir erhofften Unterhaltsamkeit ist ‚Am Boden‘ vor allem das: Trauerliteratur“, so beschreibt Lunghuß sein Werk.

Die Familie in „Am Boden“ lebt warm und geborgen in einem Haus, dessen Räume alle mit Teppichboden ausgelegt sind. „Hart fallen konnten wir als Kinder also nicht“, heißt es im Buch. An ein weiches Leben gewöhnt, wird die Familie im Jahr 2006 mit dem Tod des Vaters konfrontiert. Mit 59 Jahren stirbt er in der Medizinischen Hochschule Hannover, der „Stadt aus Waschbeton“, an Leukämie. Der Teppichvertreter verstirbt „in einem Zimmer mit anti-bakteriellem Kautschukboden“. Aus dieser Situation heraus beginnt eine intensive aber humorvolle Familiengeschichte – und ein Trauerroman. Eine Geschichte über eine Kleinfamilie, die in der Nähe des Deisters lebt, über Sehnsucht, Trauer sowie die Flucht davor, über das Aufwachsen in einer politisch aufgeladenen Gesellschaft – und natürlich über Teppichböden.
„Ich hielt die Information, der Sohn eines Teppichbodenvertreters zu sein, noch nie für besonders spannend“, sagt Marc Lunghuß. Doch dann sitzt der Autor im Frühling 2022 im Rahmen des Alfred-Döblin-Stipendiums in einem kleinen Dorf in Schleswig-Holstein und schreibt. Mit den beiden anderen Stipendiatinnen kommt er viel ins Gespräch: Sie ermutigten ihn seine Idee zu verfolgen. „Also begann ich mit einem kleinen Text, der sich auch im fertigen Roman wiederfindet“, sagt Lunghuß und erzählt weiter: „So setzte ich die Arbeit fort, begann mit der intensiven Recherche, hielt aber immer noch den Gedanken, daraus könnte ein Roman entstehen, von mir fern. Und vielleicht war genau das der Schlüssel, dass daraus tatsächlich ein Roman wurde.“ Das Ergebnis: Ein Roman über das Unauffällige.
„Unauffällige Begleiter unseres Lebens, wie Teppiche, treten manchmal aus ihrer Unauffälligkeit in unser Bewusstsein, zum Beispiel wenn sie nicht funktionieren. Oder wenn sie mit Bedeutungen aufgeladen werden, die von uns auf sie projiziert werden“, erklärt der Autor. In Lunghuß’ autobiografisch geprägtem Roman wird der Teppichboden zum Akteur in einem familiären aber auch gesellschaftlichen Geflecht, der Verhalten und Strukturen maßgeblich beeinflussen kann. Symbolisch dient der Teppich als Spiegel für soziale Normen und Werte sowie unterdrückte Emotionen und ungelöste Konflikte. In „Am Boden“ ist der Teppich mehr als nur ein Bodenbelag: „Ein Material wird zur Brücke“, wie Lunghuß sagt.

Marc Lunghuß wurde 1974 in Gehrden geboren und studierte Philosophie und Germanistik in Heidelberg sowie Berlin. Er führt Regie bei diversen Theaterinszenierungen und veröffentlicht Kurzprosa und Erzählungen. „2025 beginne ich mit etwas Neuem, darauf freue ich mich“, erzählt er.

Bärmeier & Nikel

192 Seiten

24 Euro

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Literarisches_ Jobst Mahrenholz


Jobst Mahrenholz hat im März seinen Roman „Das Zubereiten gemeinsamer Zeit“ veröffentlicht. In keinem seiner Bücher ist so viel von ihm selbst wiederzufinden wie in diesem. Eine Geschichte, die schroff und kühl, aber gleichzeitig warm und einfühlsam ist …

Wie kann man Sie persönlich und als Autor am besten beschreiben?

Als kantig! Sowohl optisch als auch vom Wesen. Ich ecke oft an. Das bringt mich immer wieder in Konfliktsituationen. Für einen Autor ist das nicht das Schlechteste, denn es hat oft Dialoge über das Gängige hinaus zur Folge.

Worum geht es in „Das Zubereiten gemeinsamer Zeit“?

Zwei Männer begegnen sich im winterlichen Dänemark, an der Nordseeküste. Und sie stellen fest: Da gibt es Überschneidungen. Beide haben sich eine Auszeit genommen, über viele Wochen hinweg. Sie beginnen, Zeit miteinander zu verbringen. Der eine ist ein leidenschaftlicher Koch, kann jedoch wenig bis gar nichts essen, der andere, ein hingebungsvoller Genießer, ist des Kochens nicht mächtig, möchte es aber unbedingt lernen. Das verbindet sie. Einen Teil des Buches habe ich in genau dem Loft geschrieben, in dem gekocht, geredet und gedacht wird.

Sie haben unter anderem Literatur studiert und später als Journalist gearbeitet. Was bewegte Sie zum Schreiben?

Ich wurde als Kind von einem Juristen und einer Psychologin adoptiert. Ich denke mal, diese sehr entscheidende Wendung in meinem Leben hat sowohl den Drang zum Schreiben geweckt als auch meine Faszination für Sprache. Aber eine Idee im Kopf zu haben und sie dann letztlich zu verschriftlichen, sind zwei verschiedene Dinge. Es braucht sowohl die Fantasie als auch das Handwerk. Also fing ich an, mich mit dem Handwerk zu befassen, um dem Wust in meinem Kopf einen passenden Rahmen zu geben.

Was hat sie zum Schreiben von „Das Zubereiten gemeinsamer Zeit“ inspiriert?

Der Auslöser war ein einziger Satz eines Freundes, den ich auf Facebook kennengelernt hatte. Irgendwann gestand er mir, dass sein Profilbild nicht ihn abbildet. „Ich bin hässlich!“, schrieb er zur Begründung. Das hat mich damals sehr berührt. So ein starker, harter Satz. Inspiriert hat mich schließlich ein anderer Freund, den ich sehr liebe, mit dem ich auch einige Zeit in Dänemark verbracht habe. Der Mads in der Geschichte.

Sie sind adoptiert worden. Mads, einer der Hauptcharaktere, hat eine ähnliche Geschichte. Spiegeln sich Ihre eigenen Erfahrungen in Ihren Charakteren wider?

Mads zieht nach dem Tod seiner Mutter zu seinem Vater, der eine neue Familie gegründet hat, ist dort jedoch nicht willkommen. In all meinen Büchern bin ich wiederzufinden, aber in keinem so sehr wie in diesem.

Ihre Bücher werden der LGBTQ-Literatur zugeordnet. Wie sehen Sie das?

Tatsächlich werde ich in eine Ecke gestellt, allein, weil unter den meisten meiner Bücher „queer“ steht, aber das ärgert mich enorm, ist ungerechtfertigt und verursacht ein Schubladendenken, gegen das ich im Grunde anschreibe. Unter Hetero-Büchern steht ja auch nicht „hetero“. Da würde man sich doch an den Kopf fassen. Ich bin ein queerer Mensch, also spiegelt sich das in meinen Texten wider, denn: Will ich authentisch sein, berichte ich über Vertrautes. Das, was meine Geschichten ausmacht, sind Empfindungen, die jeden Menschen betreffen, der fühlt, liebt, hasst, abstumpft oder über sich hinauswächst. Ganz gleich, auf welcher Party er tanzt.

Verstehen Sie die sexuelle Orientierung Ihrer Charaktere eher als etwas Banales und Realität, oder sehen Sie in Ihrem Schreiben auch ein Stück weit einen Bildungsauftrag?

Sex empfinde ich generell als etwas Banales, sei es in der Literatur, im Film oder im real live. Sei er queer, hetero oder sonst wie geartet. Er ist zwingend banal. Aber im Ernst: lässt man den Sex außen vor, ist es nicht banal, queer zu sein, denn da geht es plötzlich um ethische Fragen, um Würde und Respekt, um Politik und Menschenrechte, um Gleichheit und das Recht darauf. In meiner Arbeit thematisiere ich das Queersein bezogen auf die jeweiligen Protagonisten. Die einen haben kein Problem damit, die anderen arbeiten sich daran ab. Ich gebe nicht vor, zu wissen, was richtig, was falsch ist. Das entscheiden meine Figuren ganz für sich. Und so geben sie auch den Lesenden die Chance, sich ein eigenes Bild zu machen. Es ist mir wichtig, relevante Geschichten zu schreiben, Denkanstöße zu liefern und Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten.

Der Titel „Das Zubereiten gemeinsamer Zeit“ lässt zunächst darauf schließen, dass man für das Verbringen und Schaffen gemeinsamer Zeit ein Rezept braucht. Ist das so? Oder spielen Sie damit eher auf das Koch- und Essverhalten Ihrer Charaktere an?

Der Titel umfasst in der Tat sowohl das Ess- und Kochverhalten der beiden als auch die zwischenmenschliche Entwicklung. Sie fangen an, Fehler zu machen, und diese Fehler haben Folgen. Würde man es aufs Kochen übertragen, haben sie sich irgendwann nicht mehr ans Rezept gehalten. Mit den Konsequenzen daraus müssen sie dann klarkommen.

Interview: Pia Frenk

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Literarisches: Bert Strebe und die Lyrikedition Hannover


Innerhalb von drei Jahren erscheinen im Rahmen der Lyrikedition Hannover, im hannoverschen Wehrhahn-Verlag, insgesamt zehn einzigartige Lyrikbände, herausgegeben von Bert Strebe. Die Idee: Hannovers Lyrikszene zu repräsentieren und die Vielfalt dichtender und poetischer Stimmen der Region in den Vordergrund zu rücken. Beim Lyrikfest im Literaturhaus Hannover am 27. September wurden die neuen drei Bände von Tabea Farnbacher, Annette Hagemann und Jan Egge Sedelies vorgestellt – eine Reise durch das lyrische Hannover.
Entlang der drei so unterschiedlichen Bände entfalten sich düstere Bilder und ein poetisches Buchstabengewirr, mal leise, mal laut, aber immer kraftvoll. Mit dieser Edition will Strebe zeigen, wie viele herausragende Dichterinnen und Dichter aus der Region Hannover stammen oder hier leben.
Die in Hannover geborene Psychologin und Poetry-Slammerin Tabea Farnbacher ist eine dieser Dichterinnen. In „überwintern“ verwebt sie Mutterschaft und Sehnsucht mit Erinnerungen an die früheste Kindheit. Das Resultat ist eine naturwissenschaftliche Atmosphäre mit dem zentralen und immer wiederkehrenden Motiv des Atmens, bei dem die Bewunderung der Autorin für den menschlichen Körper deutlich wird. „Sie lässt mit leiser Stimme uralte Bilder und Klänge aufsteigen, versöhnliche, verbunden mit der Welt. Wildlederrauh sind diese Gedichte, wildlederfein.“, so heißt es im Vorwort der Schriftstellerin Gabriela Jaskulla. Farnbachers Gedichte sind sanfte Wortströme, die die Lesenden, wie zahme Schattenspiele in einen Sog ziehen.
„Die fünfte Jahreszeit“ ist der Lyrik-Band der in Hannover lebenden Annette Hagemann. Die Lyrikerin schreibt über eine sich wandelnde Welt, die kleinen Dinge und das Alltägliche. Die Konstante: Das lyrische Leitmotiv der Metamorphose. Ihre Gedichte sind „welthaltig, weitsichtig (…) und witzig“, so heißt es im Vorwort von Andreas Platthaus. Die Texte befinden sich im Dauerzustand zwischen Bewegung, Ruhe und Reflexion.
Der dritte Band „kinetischer Sand“ von Journalist, Moderator und Autor Jan Egge Sedelies zeigt politisierte Lyrik, die das Laute leise macht und das Vergessene ins Bewusstsein rückt. Es geht um das Erwachsenwerden und -sein, um Scham, Angst sowie politische Alltäglichkeiten. Mit schlittriger Straßenmusiker-Motivik sind die Gedichte mal sperrig, mal bitter, mal ernst. Der kinetische Sand, nach dem der Band benannt ist, verdeutlicht die Fähigkeit, Vergangenes zu formen und neu zu gestalten, ohne es je vollständig festhalten zu können.
Herausgeber, Schriftsteller und Lyriker Bert Strebe lebt in Hannover und ist stolz auf das literarische Klima der Stadt. Er erzählt: „Die Szene ist bescheidener als beispielsweise die in Berlin. Aber kein Stück schlechter. Wir müssen uns hier überhaupt nicht verstecken, im Gegenteil. Und ich hoffe, die Lyrikedition macht das auch deutlich.“ Vor der Lyrikedition hatte Strebe noch nie Texte anderer Verfasser und Verfasserinnen lektoriert; es ist ein Projekt, das er in die Hand genommen hat, weil es sonst niemand getan hat. „Das ist ein toller Job, und es ist ein unglaubliches Gefühl, im Literaturhaus zu stehen und zu sehen, wie gut die Lyrikfeste, mit denen wir in jedem der drei Jahre die neuen Lyrikbände der Edition feiern, bei den Leuten ankommen“, erzählt Strebe. Mit der Lyrikedition Hannover erschafft er einen poetischen Raum, der die Vielfalt und Tiefe der hannoverschen Lyrikszene widerspiegelt. Jeder Band regt zum
Eintauchen, Staunen und Nachdenken an, ebenso auch die Bände aus dem Vorjahr von Caroline Hartge, Sabine Göttel und Hans Georg Bulla. Bis 2025 erscheinen noch vier weitere Bände.
Werhahn Verlag
48 Seiten
10 Euro

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