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Der Freundeskreis im Gespräch im Februar

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Der Freundeskreis im Gespräch im Februar


Dirk Altwig, Vorstand Freunde d. Historischen Museum

Diesen Monat unterhalten wir uns mit Bernd Schwabe (BS) von Wikipedia Hannover und Dirk Altwig (DA), dem Vorsitzenden der Freunde des Historischen Museums. Das Gespräch umfasst Ideen der beiden Mitglieder des Freundeskreis e.V., wie man aktuell und in der Zukunft den Menschen in Hannover die Stadtgeschichte näherbringen kann und was dazu notwendig ist.

Beginnen wir mit einer Vorstellungsrunde: Wer seid ihr und wo seid ihr tätig?
DA – Mein Name ist Dirk Altwig. Ich bin seit zwei Jahren der Vorsitzende der Freunde des
Historischen Museums e.V. Ich bin dazu gekommen, weil die langjährige Vorsitzende dieses Fördervereins, Dr. Wallbrecht, Leute gesucht hat.
Sie ist auf mich aufmerksam geworden, weil ich rund 20 Jahre für die Neue Presse als Redakteur gearbeitet habe, lokalpolitisch und landespolitisch.
Ich habe mich als Journalist auch mit der Entwicklung des Museums auseinandergesetzt.
Außerdem ist Hannover meine Stadt. Ich wollte hier nie weg und ich will hier auch nicht weg. Da liegt mir die die Stadtgeschichte einfach am Herzen.
Ich denke, es ist eine wichtige Aufgabe, den Menschen hier – die ja ihre Wurzeln inzwischen in vielen, vielen verschiedenen Kulturen haben – die Geschichte der Stadt Hannover näherzubringen. Und beispielsweise durch das Historische Museum können wir alle gemeinsam etwas darüber erfahren.

BS – Mein Name ist Bernd Schwabe, ich bin gelernter Kaufmann und unter dem Namen „Bernd Schwabe in Hannover“ schreibe ich auf Wikipedia.
Ich fotografiere, um Stadtgeschichte und Geschichten zu visualisieren.
Als Hannoveraner arbeite ich exemplarisch über unsere Stadt, weil ich mich hier wohlfühle und Wissen über die Stadt und die Stadtgeschichte verbreiten möchte, das dann weltweit abrufbar sein soll.
Wir haben insgesamt 51 Stadtteile. Einige Stadtteilgruppen haben ihre Geschichte bereits aufgearbeitet, aber man kommt leider nur sehr schwer an diese Unterlagen. Wir müssen viel mehr in die Stadtteile rein und ein Bewusstsein für die individuellen Geschichten schaffen.
Wir haben bereits eine Menge Digitalisate bei Wikipedia Commons gesammelt, aber das ist noch längst nicht genug. Wir haben einen Hochauflösungs-Scanner.Wir wollen Karten, Stadtpläne, Bilder und Schriften elektronisch zusammenfügen und übereinanderlegen.
Ich wünsche mir, dass die Menschen später mit Virtual-Reality-Brillen durch die Straßen Hannovers gehen und entscheiden können, in welchem Jahr und in welchem Zustand sie den Ort, an dem sie gerade sind, ansehen wollen.

Was sind eure Gemeinsamkeiten, was sind die Unterschiede?

Bernd Schwabe, Team Wikipedia Hannover

BS – Ich würde sagen, eine Gemeinsamkeit ist auf jeden Fall, dass wir beide großes Interesse für die Stadtgeschichte hegen; dass das Historische Museum und wir bei Wikipedia jeweils die Stadtgeschichte an die Menschen weitergeben wollen.

DA – Wikipedia und Commons ergänzen sich mit dem Historischen Museum ganz wunderbar. Das
Museum hat handfeste Ausstellungsstücke: Von der goldenen Kutsche bis zu Schmalstiegs Klapprad. Das Haus verfügt über echtes „Geschichtsgut“, das von und für Wikipedia und Commons natürlich genutzt werden kann. Beim Thema Geschichte verzahnen sich die neuen Medien und die alten, konkreten Objekte wirklich gut.

Offenbar habt ihr beide ein gemeinsames Ziel vor Augen, doch wie sieht es mit der Zielgruppe aus?
BS – Also erst einmal ist die Zielgruppe von Wikipedia natürlich enorm viel größer als die des Historischen Museums, weil Wikipedia global aufgestellt und in allen Sprachen der Welt verfügbar ist. Manche studieren in Hannover, andere kommen nach dem Studium und gründen hier eine Familie. Wikipedia kann all diese Menschen erreichen und mit Wissen versorgen.

DA – Als Förderverein reden wir natürlich nicht inhaltlich rein. Aber ich habe den Eindruck, dass das Museum für alle da sein will.
Ich finde, dass auch die aktuelle Kolonialismus-Ausstellung ein Zeichen dafür ist, dass dieses Museum absolut auf der Höhe der Zeit ist und spürt, welche Themen die Menschen interessieren. Es gibt Angebote für Kinder, für ältere Menschen und für Menschen mit Beeinträchtigungen. Dazu kommt, dass das Museum schon immer ganz wichtig für die Schulen in Hannover und der Region war. Es ist Hannovers größtes Klassenzimmer! Jedes Grundschulkind sollte hier etwas über die Geschichte seiner Heimatstadt erfahren.
Deshalb ist es auch so schade, dass die Dauerausstellung seit 2017 wegen Umbauarbeiten geschlossen ist. Der Umbau soll nun endlich nächstes Jahr beginnen und wohl 2029 fertig sein.

Da du gerade die Kolonialismus-Ausstellung angesprochen hast: Museen allgemein werden ja in den letzten Jahren mit der Problematik von Raubkunst konfrontiert. Denkst du, dass mit solch kritischen Ausstellungen – im Museum August Kestner gab es ja etwa auch die Ausstellung „Spuren der NS-Verfolgung“ – gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung getragen wird? Oder ist es eher so, dass Museen solche Entwicklungen anstoßen?
DA – Das kann ich nicht beantworten. Bei der Kolonialismus-Ausstellung geht’s ja nicht um Raubkunst. Aber die Ausstellung zeigt, dass das Haus ein Gespür für Themen hat, die angesprochen werden müssen und die viele Menschen in der Gesellschaft beschäftigen.
Es hat in den vergangenen Jahrzehnten schon Ausstellungen zur Migrationsgeschichte in Hannover gegeben und auch das Thema Nationalsozialismus ist immer bearbeitet worden. Ich finde, dass gerade die aktuelle Ausstellung sehr schön zeigt, dass man zwar in gewisser Weise stolz auf die goldene Kutsche sein kann – und auch darauf, zu sehen, wie wichtig Hannover einmal gewesen ist –, doch das Historische Museum geht eben auch einen Schritt weiter und klärt die Besucher darüber auf, wo das Gold ursprünglich herkommt.

Gibt es auf Wikipedia ähnliche Phänomene? Führen etwa die Gender-Debatten oder die Auswirkungen des Hashtag Activism in den letzten Jahren dazu, eigene Texte zu überdenken? Fragt man sich da etwa, ob man nun gendern sollte oder nicht?
BS – Natürlich werden wir auch durch gesellschaftliche Entwicklungen beeinflusst. Themen wie Gendern sind natürlich auch bei uns sehr präsent, insbesondere durch die Frauen in unserem Team. Eigentlich sollte Wikipedia divers sein, aber Männer dominieren mit etwa 90 Prozent.
Deswegen finde ich es toll, dass wir mehrere Frauen im Team haben, die dieser Männerdominanz etwas entgegensetzen.
Wir brauchen Frauen im Team und den fraulichen Blick auf die Dinge. Es gibt zahlreiche Artikel über Autos, Generäle, Sieger – und nun haben wir Frauen, die das Ganze mit einer vollkommen anderen Vorgehensweise angehen: vielfältiger und sorgfältig, sie bringen neue und andere Themen ein.
Da ist mehr „wir“. Es ist eine große Bereicherung für uns alle, dass Frauen bei Wikipedia Hannover dabei sind.

Eine Kritik, mit der Wikipedia gerade anfangs sehr konfrontiert war, betrifft ja eine mangelnde Zitierfähigkeit. Würdest du sagen, Wikipedia ist inzwischen zitierfähig?
BS – Das kann ich pauschal nicht sagen. Es gibt leider noch Artikel, in denen die Belege fehlen.
Wenn ich jetzt einmal nur für mich spreche, dann ist Wort für Wort und Aussage für Aussage belegt und nachprüfbar.
Ich muss aber auch klarstellen, dass ich nie sagen kann, was wirklich wahr ist, sondern nur aufzeige, woher ich das Wissen bezogen habe: So gibt es dann auch mal drei verschiedene Geburtsdaten zu einer Person, die alle mit Quellen belegt werden können.
Im Vergleich zu früher hat sich jedoch einiges getan, denn da sah es auf Wikipedia noch ganz anders aus: Der erste Artikel, der in der deutschsprachigen Wikipedia erschienen ist, war „Die Nordsee ist ein Meer“. Der komplette Artikel bestand aus diesem einen Satz, mehr stand da nicht. Damals war man erst einmal froh darüber, dass Leute angefangen haben, sich für Wikipedia zu interessieren und sich damit zu beschäftigen.
– Tatsächlich gibt es kein Werkzeug, das so viel kann wie Wikipedia, und zwar durch die Links, also die Querverweise. Dadurch erschließt sich eine Welt von Zusammenhängen.

Sprechen wir noch über die Bereitschaft zur Mitwirkung: Wie breit sind denn die Freunde des Historischen Museums aufgestellt und gibt es Schwierigkeiten, Nachwuchs zu generieren?
DA – Im Moment haben wir rund 400 Mitglieder. Das ist in unserer 43-jährigen Geschichte ein Rekord.
Die Zahl der Aktiven, die Angeobte organisieren, wächst.
Wir haben jetzt auch einen Online-Shop und Online-Veranstaltungen. Unseren Mitgliedern ist es wichtig, auch während der Interimszeit Angebote wie die Museumspädogik zu fördern.
Wir haben auch Geld für die neue Ausstellung gesammelt.
Anreiz für die Mitglieder ist sicher auch der kostenfreie Eintritt ins Schlossmuseum Herrenhausen und derzeit auch fürs Museum August Kestner.
Außerdem bieten wir sehr gute Veranstaltungen und Exkursionen an. Und das wollen wir auch beibehalten, wenn das Museum dicht ist.
Wer also 35 Euro im Jahr übrig hat – das sind etwa zehn Cent am Tag –, kann sich gerne bei uns melden. Student*innen zahlen sogar nur 20 Euro im Jahr. Bei uns ist jede*r herzlich willkommen.

Wie groß ist euer Team von Wikipedia Hannover?
BS –  Unser Team besteht unter anderem aus IT-Fachleuten, aber auch Kolleginnen und Kollegen mit unterschiedlicher Expertise aus den Bereichen Bibliothek, Journalismus, Jura, Geschichte, Natur- und Sprachwissenschaft. So vertreten wir viele verschiedene Interessen- und Themenbereiche und können viele Menschen auf der ganzen Welt ansprechen.
Wir sind in der Pandemie gewachsen.
Jetzt sind wir circa zehn Leute, die auch Schlüsselgewalt haben, Verantwortung für die Räumlichkeiten übernehmen und produktiv arbeiten. Dafür haben wir große Räume zum Arbeiten und für Konferenzen im Uihlein-Gebäude, in zentraler Lage am Kröpcke. Auch eine Hannover-Bibliothek ist dort untergebracht. Leider ist das Gebäude nicht behindertengerecht zugänglich. Ich könnte mir gut vorstellen, dass wir ins Historische Museum ziehen.

Noch eine abschließende Frage: Wenn ihr in die nahe Zukunft blickt, was habt ihr für Wünsche?
DA – Wir freuen uns, dass die Stadt sehr ernsthaft nach einem „Schaufenster“ für das Museum in der Innenstadt sucht, damit dort in der Umbauphase einige Angebote möglich sind.
Da wollen wir dann auch mit anfassen, um das Museum sichtbar zu halten. Das ist jetzt für uns das große Thema. Dann knacken wir vielleicht auch noch die 500 Mitglieder.

BS – Ich wünsche mir mehr Unterstützung, Entlastung. Manchmal komme ich nicht dazu, E-Mails zu beantworten oder ans Telefon zu gehen. Das schaffe ich mitunter nicht, denn ich muss mich auch mal einen ganzen Tag auf einen Artikel konzentrieren können.
Außerdem hätte ich gern ein schöneres Umfeld, mehr Ambiente – wir arbeiten immerhin ehrenamtlich.
Im 19. Jahrhundert war am Marstall eine Lesegesellschaft eingerichtet, für Menschen, die sich bilden wollten, sich aber keine Bücher leisten konnten.
Wir haben eine Hannover-Bibliothek, und wer für Wikipedia schreiben will, kann gerne mit Anmeldung bei uns vorbeischauen und die Bücher bei uns zum Arbeiten nutzen.
Wie Wikipedia funktioniert, dazu bieten wir regelmäßig Schulungen und individuelle Beratung an.

https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Hannover
email: hannover@wikipedia.de

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