Heinrich Jacobi und Kurt Prenzler

In dieser Ausgabe treffen wir die Geschäftsführer zweier Unternehmen mit langjähriger Tradition: Heinrich Jacobi (HJ) vom VW-Vertragshändler Gessner & Jacobi und Kurt Prenzler (KP) von der Parfümerie Liebe. Beide kennen sich seit Jahren, nicht zuletzt, weil sie Kunden beim jeweils anderen sind. In unserem Gespräch geht es um die Zusammenarbeit mit der Familie, historische Meilensteine und aktuelle Herausforderungen. Zu Beginn kommt, wie überall derzeit, der Krieg in der Ukraine zur Sprache, der ein paar Erinnerungen weckt … 

KP – Meine Mutter gebar mich in der Kriegszeit – in Uetersen bei Elmshorn, wohin sie mit meiner zwei Jahre älteren Schwester geflohen war. Unser Geschäft war nach einem Bombardement 1943 ein Raub der Flammen geworden, und als wir zurückkehrten, haben wir es komplett wiederaufbauen müssen. Das war 1948. Übergangsweise waren wir ausquartiert in der Königstraße, wo wir unser Geschäft weiter betreiben durften, da wir Waren für den täglichen Gebrauch anboten – Sanitäts- und Reinigungsartikel, so wie heute eine Drogerie. Eine schlimme Geschichte, aber wir haben es als Unternehmen überstanden und können nun auf eine mehr als 150-jährige Tradition zurückblicken. Mein Urgroßonkel Wilhelm Liebe hat die Firma am 1. Oktober 1871 in der Georgstraße gegründet. Anfang des 20. Jahrhunderts war dann diese Lokalität in der Karmarschstraße zu kaufen, seitdem sind wir hier. Mit einigem Stolz darf ich sagen, dass wir mittlerweile die größte Parfümerie in ganz Deutschland sind. Wir haben seit unseren Anfängen drei sehr maßgebliche Firmen als erste im Land geführt: Einmal Elizabeth Arden, das war 1923, die Firma Lancôme 1957 und, was ich schon miterlebt habe, Estée Lauder 1968. Das sind schon ganz tolle Meilensteine. Ansonsten haben wir hier im Haus etwa 90 bis 100 Kosmetikdepots, eigentlich alles, was Rang und Namen hat. 1.200 Damendüfte, 750 Herrendüfte. 90 Mitarbeiter auf vier Etagen – das sind schon beeindruckende Zahlen, wie ich finde. Mein Beruf macht mir aber auch ungeheuer viel Spaß! Ich denke, man kann etwas nur dann gut machen, wenn man auch viel Spaß daran hat. Neben mir ist auch meine Tochter in der Geschäftsführung, ihr gehört die andere Hälfte. Wir sind ein reines Familienunternehmen, meine Tochter jetzt in der fünften Generation.

Sie sind also gleichberechtigte Geschäftsführer?
KP – Meine Tochter hat den hälftigen Anteil meiner Schwester übernommen, als die vor vier Jahren aus dem Unternehmen ausgeschieden ist. Der beinhaltet auch die Mode, die immerhin 500 von unseren fast 2.000 Quadratmetern ausmacht. Wir sind aber für dasselbe verantwortlich. Und sie ist so fair, dass sie mich ab und zu fragt, wenn sie sich bei etwas unsicher ist (lacht).
HJ – Das ist so wie bei uns! Wir sind auch ein Familienunternehmen. Ich führe es zusammen mit meiner Frau – oder andersherum, meine Frau mit mir. Sie sitzt inzwischen ein bisschen mehr im Driver Seat als ich. Fachlich hat sie mir auch ein bisschen was voraus, sie hat nämlich Kfz-Mechanikerin gelernt.
KP – Ich finde, Sie ist eine tolle Fachfrau! Ich habe zwei alte VW-Käfer, mit denen ich immer wieder gerne zu Herrn Jacobi komme. Nicht, weil etwas kaputt wäre, dafür bewege ich sie zu selten, aber zur Kontrolle. Und ein Nutzfahrzeug zur Auslieferung haben wir auch von VW.
HJ – Uns freut es immer, wenn Herr Prenzler vorbeikommt und ich das Auto mal wieder sehe, weil das so schön mit „Liebe“ beschriftet ist. Es ist natürlich auch für uns eine Anerkennung, wenn wir namhafte Familienbetriebe als Kunden haben.

Ihr eigenes Unternehmen ist aber auch sehr namhaft – und sogar noch älter als Liebe.
HJ – Ja, uns gibt es sogar schon seit 1820! Vor zwei Jahren hatten wir 200-jähriges Jubiläum, leider nicht gefeiert, aus den bekannten Gründen. Das möchten wir diesen Sommer aber endlich nachholen! Gegründet wurde unser Unternehmen am selben Standort in Linden wie heute von meinem Urgroßvater, damals noch als Stellmacherwerkstatt. Nachher wurden hier Kutschen für den Calenberger Landadel gebaut und „Pferdebahnen“ – also Straßenbahnen, die von Pferden gezogen wurden. Ein paar davon stehen heute im Straßenbahnmuseum. Während der Kriege hat das alles fortbestanden, aber natürlich vermindert. Und nach dem Zweiten Weltkrieg kam mein Vater aus Kriegsgefangenschaft wieder und hat mit Herrn Gessner zusammen die Firma neugegründet. Irgendwann ist er ausgestiegen und dafür habe ich übernommen. Seit 1950 sind wir nun Volkswagenvertragspartner. Karosseriefirmen gibt es ja nicht mehr in der Form wie früher, da die Fahrzeuge heutzutage industriell gefertigt werden. Wir haben zwei Standorte: In der Falkenstraße haben wir den Volkswagen-Service und im Bauweg einen eigenen Nutzfahrzeugbetrieb, weil wir uns darauf ein bisschen spezialisiert haben. Da verkaufen wir die Bullis und alles, was damit zusammenhängt, und wir reparieren sie auch. Wir haben in beiden Betrieben round about 110 Mitarbeiter samt Azubis, bilden auch stark aus.

Gerade scheint es eine schwierige Zeit für den Autohandel zu sein. Woran liegt das?
HJ – Das hat viele Gründe. Zum einen findet ja derzeit ein struktureller Wandel der Mobilität statt in Richtung Elektro. Ein unvermeidlicher Wandel, aus meiner Sicht, aber es sind eben noch viele Hürden zu nehmen für den Markt. Was die Situation gerade hauptsächlich beeinflusst, ist aber natürlich die Pandemie, die vielerorts zur Unterbrechung von Lieferketten geführt hat. Bei der heutigen Just-in-Time-Logistik der Hersteller bricht die Produktion schnell ein, wenn irgendein Staat in Ostasien, der zum Beispiel Halbleiter liefern soll, in den Lockdown geht. Dann steht so ein Auto auf dem Band und kann nicht fertiggestellt werden, und das führt automatisch zu großen Problemen in allen weiteren Prozessen, es entstehen lange Wartezeiten … Und das führt natürlich für uns ganz konkret zu weniger Umsatz und außerdem zu geringerer Kundenzufriedenheit, die wir voll abbekommen. Wir sind die Schnittstelle zum Kunden – die beschweren sich ja nicht direkt bei VW, sondern bei ihrem Autohändler. Auch der katastrophale Krieg in der Ukraine hat Anteil daran, dass die Lieferketten eingebrochen sind. In dem Land gibt es viele Unternehmen im IT-, aber auch im Zuliefererbereich. Die deutsche Automobilindustrie, nicht nur VW, bezieht zum Beispiel ganz wesentliche Kabelbäume von dort, ohne die kein Auto gebaut werden kann. Jeden Tag kriegen wir Mails aus Wolfsburg, die sagen: Das geht nicht mehr, das auch nicht, und das geht erst wieder nächstes Jahr. Die Planbarkeit ist gar nicht mehr gegeben, und man muss versuchen, Alternativen zu finden. Gebrauchtwagen, haben Sie überall gelesen, sind teurer geworden, einfach, weil Nachschub knapp ist. Und dann noch die gestiegenen Treibstoffpreise … Man muss klar sagen: Das wird sich alles irgendwann wieder normalisieren, wir erleben gerade eine Ausnahmesituation.

Die aber, mehr oder weniger akut, bereits zwei Jahre anhält. Wie sind Sie beide bislang durch die Pandemie gekommen? Gerade Schönheitsprodukte dürften in der Home-Office-Zeit weniger stark angefragt worden sein …
KP – Ja, allein Make-up verkaufen zu wollen in dieser Zeit, das konnte man fast vergessen! Und dabei macht Farbkosmetik bei uns einen großen Sektor aus. Sie können diese Produkte momentan kaum vorführen: Alle kommen mit Maske, und wenn Sie Make-up auflegen, ist die Maske von innen verschmiert. Nicht alles ist kussecht … Unsere zehn Kosmetikerinnen, die wir hier im Haus in acht Behandlungskabinen haben, bieten zwar immer noch verschiedene Behandlungen an, aber kein Make-up. Und auch der Modesektor ist ziemlich am Boden. Die Menschen gehen ja kaum raus. Es gibt keinen Opernball, dann werden auch keine Ballkleider verkauft.
HJ – Aber Sie haben ja trotzdem viel gemacht! Ich habe das über die Sozialen Medien verfolgt: Abhol- und Bringdienste bis nach Hause.
KP – Ja, wir haben mit unserem Wagen Bestellungen zu unseren Kunden geliefert.

Und Sie hatten einen Liebe-Kiosk in der unteren Etage.
KP – Das ganze Geschäft war zeitweise ein Kiosk! Die Leute wurden an der Tür bedient, rein konnten sie nicht. Es war ein Hilfsmittel. Wenn wir sonst 1.000 Kunden am Tag haben, haben wir auf diese Weise zumindest 100 bedienen können. Außerdem mussten wir unsere Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken, das wäre früher völlig undenkbar gewesen bei uns! Wir haben jetzt aber entschieden, diesen Zustand nicht mehr zu verlängern, auch wenn die Möglichkeit nun wieder bis Juni gegeben wäre. Das können wir unseren Mitarbeitern nicht antun … War das bei Ihnen ähnlich, Herr Jacobi?
HJ – Nun, unsere Werkstätten durften geöffnet bleiben, weil sie systemrelevant sind. Wir haben nämlich ganz viele Kunden, die aufs Auto massiv angewiesen sind. Da meine ich nicht nur Taxen, sondern auch Rettungsfahrzeuge, Behördenfahrzeuge, die Feuerwehr Hannover, die Müllabfuhr, Einsatzwagen der Polizei, die wir mit in der Wartung haben. Wir haben sogar eigene Notdienste installiert, um den Anfragen gerecht zu werden. Die Werkstatt war offen, aber der Verkauf war anfangs genauso geschlossen wie bei Ihnen. Die Kunden durften zur Besichtigung nicht in den Laden, wir haben sie dann auf dem Hof empfangen, wo sie sich den Wagen angucken konnten – und dabei mit dem Verkäufer telefonieren. Es gab also ein paar Bypässe, die wir legen konnten, um den Beratungsaspekt zu retten. Der ist sehr wichtig. Ein Parfüm möchte man vorher ja schließlich auch probieren, bevor man es kauft, nicht wahr?

Wie sieht die Beratung bei Liebe eigentlich aus, wenn man einen neuen Duft sucht?
KP – Sie können versuchen, dass der Kunde, wenn er selber ein bisschen duftgebildet ist, Ihnen beschreibt, was er bevorzugen würde. Das grenzt die Suche schon einmal ein. Unsere Mitarbeiter sind so gut ausgebildet, dass sie sich wirklich sehr gut auskennen, das sage ich ohne jede Überheblichkeit. Ich glaube, dass wir da erstaunlich gut liegen und die Kunden wirklich begeistert sind, wenn wir ihnen gleich ein Produkt mitgeben, dass ihnen gefällt. Wir füllen aber auch gerne Proben in kleine Röhrchen ab, damit man zu Hause noch einmal in Ruhe und mit etwas Abstand ergründen kann, welcher Duft einem am besten gefällt. Meistens kommen die Kunden danach mit einem konkreteren Wunsch wieder. Darum geht es nämlich: Dass ein Kunde auch in Zukunft Kunde bleibt, wiederkommt und weiterempfiehlt. Ich glaube, wir haben uns durch diesen Service eine treue Stammkundenschaft geschaffen.

Auch Prominente?
KP – Nun, ich will jetzt nicht mit der aktuell sehr problematischen Prominenz Gerhard Schröders angeben (alle lachen), aber vielleicht mit seiner Ex-Gattin, Doris Schröder-Köpf, die ist ja deutlich beliebter und ein sehr gern gesehener Gast bei uns. Es sind wirklich viele, zum Beispiel der Fürst von Bückeburg, Ministerpräsident Weil, viel Lokalprominenz. Aber auch die Familie Estée Lauder, die war schon fünf Mal hier und hat mich jedes Mal nach New York eingeladen – das zeigt eine gewisse Wertschätzung des Lieferanten, die mich stolz macht. Es ist wirklich schön, so eine Vielfalt an Lieferanten zu haben. Das ist dann wohl der große Unterschied zu Herrn Jacobi …
HJ – Na, wir haben schon ein paar mehr, nicht nur VW. Wir kaufen natürlich auch mal extern Teile oder Dienstleistungen ein. Die Neufahrzeuge sind aber ausschließlich von VW. Dafür erhalten wir aber auch eine gewisse Exklusivität. Es gibt nämlich nur eine beschränkte Anzahl von Verkaufsstätten für VW-Modelle in Deutschland. Das nennt sich „Selektives Vertriebssystem“. Ich glaube, das haben Sie in Ihrer Branche zum Teil auch – dass nicht jeder alles, jede Marke verkaufen kann.
KP – Ja, das heißt bei uns „Depotvertrag“.
HJ – Sehen Sie. Ich halte es ganz klar für einen Vorteil. Gerade, wenn ein neues, vielversprechendes Modell auf den Markt kommt wie der E-Bulli – der „ID. Buzz“, hatte gestern online Weltpremiere. Er ist in Anlehnung an den legendären T1 gestylt und hat deshalb von vornherein ein bisschen Kultcharakter. Er sieht niedlich aus, ist vollelektrisch, hat ganz viele Items und Anschlüsse für alle Devices, die sich jüngere Leute nur wünschen können. Wichtig ist für uns, dass dieses Auto endlich mal wieder ein bisschen emotional aufgeladen wird. Wir hatten zuvor durchaus ein paar Modelle, bei denen fehlte uns die Emotionalität, die waren so ein bisschen bieder …

Emotionalität spielt auch bei Luxusartikeln wie Parfüm eine große Rolle. Sehen Sie da die Zukunft durch Online-Shopping bedroht?
KP – Ich betrachte Dinge wie Parfüm, Kosmetik und so weiter nicht als Luxus-, sondern ganz klar als Alltagsprodukte. Und ich kann gar nicht verstehen, dass Menschen so etwas übers Internet kaufen! Es mag in manchen Fällen billiger sein, aber dann frage ich mich als in diesem Bereich bewanderter Kaufmann, ob das auch Originalware ist. In der Branche wissen wir, dass Imitate berühmter Marken gang und gäbe sind. Davon abgesehen finde ich, dass ein bedeutender Grund für eine Kaufentscheidung doch die Veränderung ist, die bei einer Kosmetikvorführung auf der eigenen Haut zu sehen ist. Und ohne die Beratung einer Fachperson, die einer Kundin raten kann, ob etwas zu ihrem Typ passt oder die doch ein anderes Produkt empfiehlt …
HJ – Ich glaube, dass die Zukunft von Liebe gesichert ist, wenn Sie einfach so weiter machen wie bisher. Als langjähriger Kunde kann ich sagen, das ist ein Ort, bei dem man denkt: Wenn ich in der Stadt bin, dann muss ich da mal rein! Mal kauft man was, mal auch nicht und schnuppert einfach bloß, aber jedes Mal ist es ein angenehmer Besuch. Da bin ich ein bisschen neidisch auf Sie, denn bei Autos ist die Sache natürlich etwas anders. So oft braucht man kein Neues – und wenn doch, dann ist etwas schiefgelaufen!
 ● Anja Dolatta, Fotos Bernd Schwabe


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