Der Freundeskreis im Gespräch im Dezember

Diesen Monat sprechen wir mit Birgit Feeß und Christine Preithauer über Gender Equality und ein klimabedingtes Umdenken innerhalb ihrer Netzwerke sowie im Wirtschaftssektor von Hannover. Feeß ist seit 2012 die Geschäftsleitung von Pro Hannover Region e.V. (PHR), während Christine Preithauer die Geschäftsführerin des KreHaTiv Netzwerk Hannover ist. Beide sind Mitglieder des Freundeskreis e.V.

Lasst uns damit beginnen, dass ihr euch vorstellt: Wer seid ihr und was macht ihr?

Birgit Feeß, Pro Hannover Region

BF – Mein Name ist Birgit Feeß. Ich bin seit 2006 mit dem Wirtschaftsnetzwerk Pro Hannover Region verbunden, weil ich Mitglied gewesen bin, bevor ich angefragt wurde, ob ich mir vorstellen könnte, die Geschäftsführung zu übernehmen.
Seit 2012 bin ich nun die Geschäftsleitung von Pro Hannover Region. Das Ziel als Kopf eines Wirtschaftsnetzwerkes ist es, die Menschen auf die unterschiedlichsten Arten und Weisen sowie mit unterschiedlichen Schwerpunkten zusammenzubringen, auch branchenübergreifend. Dabei haben Menschen unterschiedliche Beweggründe, in ein Netzwerk zu gehen. Der eine hat einen umsatzorientierten Ansatz, der andere möchte sein Knowhow erweitern und Wissen aufnehmen und der dritte möchte nur eine Vernetzung erfahren und mit Menschen in Kontakt sein.
Ich glaube, es vereint uns als Netzwerker*innen, dass die Beweggründe in dieser Vielseitigkeit vorhanden sind. Und die Kunst besteht darin, den größtmöglichen Nenner für alle zu finden.

Chistine Preitauer, kreHtiv Netzwerk Hannover

CP – Ich bin Christine Preithauer und seit 2019 die Geschäftsführerin des KreHaTiv Netzwerk Hannover. Wir haben den Schwerpunkt, Kultur- und Kreativwirtschaft in Hannover und Region in ihren 12 Teilbranchen zu vernetzen; also Branchen wie Architektur, Design, Presse, Rundfunk, Film- oder Musikwirtschaft. Alles, was irgendwie mit Kreativität zu tun hat, kann sich bei uns wiederfinden. Wir stehen vor den gleichen Herausforderungen wie PHR auch: Manche wollen, dass man Sprachrohr ist und Lobbyarbeit betreibt, andere wollen sich austauschen, kennenlernen und vernetzen – aber der Anspruch ist natürlich auch, Geld zu verdienen. Das KreHaTiv Netzwerk kommt aus der Wirtschaftsförderung. Es hat den Ansatz der Branchenentwicklung und -stärkung: dass sich also die Strukturen am Standort verbessern, dass Menschen, die hier ausgebildet werden, auch gut und gerne hier arbeiten können. Deswegen bieten wir von Einzelberatungen über Netzwerkveranstaltungen, Qualifizierungsangebote, Workshops und Weiterbildungsformate bis hin zu teilbranchenspezifischen Projekten ein breites Spektrum an. Eines unserer größten Projekte ist „Fashion born in Hannover“, in dessen Rahmen wir Modedesigner*innen vernetzen, um die Branche hier am Standort hochzuhalten und weiterzubringen.

Wo liegen Gemeinsamkeiten und Unterschiede eurer Netzwerke? Kann man auch Mitglied beider Netzwerke sein?

BF – Die Netzwerke haben ursprünglich nicht zusammengearbeitet, sondern nur koexistiert. 2014 habe ich angefangen, die „Köpfe“ der Netzwerke an einen Tisch zu setzen: daraufhin haben wir – als Wirtschaftsnetzwerke Hannover – zwei Netzwerktage durchgeführt und in den Folgejahren zweimal einen Ball der Wirtschaft veranstaltet: Das zeigt eigentlich schon, dass wir versuchen, auch unter den Netzwerken Synergieeffekte zu finden. Und mit dem KreHaTiv Netzwerk sind wir freundschaftlich verbunden: Es gibt keinen Wettbewerb bei uns, weil wir ein branchenübergreifendes Netzwerk sind und bei uns jeder willkommen ist, der in irgendeiner Weise gewerblich tätig ist. Wir haben eine große Verbundenheit miteinander – und werden im Mai einen zweiten gemeinsamen Frühstückstalk veranstalten. Es können also Menschen oder Unternehmen in beiden Netzwerken sein. Es ist dann eher eine finanzielle Frage, weil KreHaTiv ja noch von der Wirtschaftsförderung unterstützt wird und wir eigenständig sind: Daher haben wir auch eine andere Mitgliedsbeitragshöhe.

Wie geht ihr mit unterschiedlichen Motivationen der Mitglieder um? Gibt es eine Linie, der sie sich anpassen müssen – oder passt ihr euch mehr den Mitgliedern an?

BF – Also ich denke, das Ausschließlichkeitsmerkmal von PHR ist, Tradition mit aktuellen Themen zu verbinden. Wir haben die Tradition, dass wir seit über 20 Jahren jeden Monat einen Frühstückstalk mit Kurzvorträgen anbieten. Das verändern wir vom Grundsatz her auch nicht, sondern passen Themen und Abläufe immer wieder an. Das Besondere bei uns ist, dass wir immer auf unsere Mitglieder reagieren, das heißt: Unsere Mitglieder gestalten das Netzwerk aktiv mit. Wir arbeiten mit Projektgruppen, themenbezogenen „runden Tischen“, etwa zum Thema Digitalisierung oder Recht … Wir haben Mitglieder, die sich für andere Mitglieder engagieren, so findet auch ein Knowhow-Transfer statt. Es können also Konzepte aufgenommen werden, wenn der Bedarf da ist. Und das kommt aus der Mitgliedschaft: Mitglieder kommen auf die Geschäftsstelle zu und sagen: Wir wollen jetzt eine neue Arbeitsgruppe gründen, ein Projekt neu erstellen, etc. Genauso nehmen wir Situationen auf, die am Standort passieren: Wir haben eine neue Geschäftsführerin der Klimaschutzagentur, Anja Floetenmeyer-Woltmann, und uns sofort mit ihr zusammengesetzt, um eine Arbeitsgruppe Klimaneutralität zu gründen. Das Ziel der Klimaschutzagentur ist es, Unternehmen und Privatpersonen über das Thema zu informieren.

CP – Hut ab, dass das so passiert und dass die Mitglieder aktiv sind. Bei uns ist das etwas anders, da wir als ein Verein aus der Wirtschaftsförderung heraus gegründet worden sind, um die Branche zu vernetzen. Trotz der Angebote und Einladungen ist die aktive Teilhabe der Mitglieder verhalten. Das liegt auch daran, dass die Kreativen meistens Solo-Selbstständige sind: Anstatt sich an Arbeitsgruppen zu beteiligen, machen sie erst einmal ihren Job. Das ist die Herausforderung in meiner Branche. Wir haben ein bisschen den Anspruch, das Thema für die Kultur und Kreativwirtschaft zu übersetzen. Es ist es aber etwas anderes, als hätte man einen Betrieb mit Personal und Räumlichkeiten. Wenn man als Solo-Selbstständige*r zu Hause am Rechner arbeitet, denkt man nicht als erstes an den CO2-Fußabdruck, einfach weil das nicht so im Verhältnis steht wie in einem großen Betrieb. Aber auch das wird in Zukunft einfach kommen und wichtiger werden.

Wenn sich Mitglieder untereinander unterstützen: Spielt der Konkurrenzgedanke dann keine Rolle mehr?

BF – Ich denke, dass die meisten Mitglieder ein offeneres Mindset haben. Im Grunde ist es so, dass Synergieeffekte größer sind als Wettbewerbsgedanken. Wir versuchen, Synergieeffekte zu finden und die Zusammenarbeit zu fördern.

CP – Bei uns müssen die Einzelkämpfer*innen meist in irgendeiner Form zusammenarbeiten. Sobald Unternehmer*innen größer werden, kommen die Konkurrenzthemen dann ein bisschen mehr raus. Trotzdem wirken die Verbundenheit und die Querschnitt-Themen, die alle branchenunabhängig beschäftigen – wie etwa Gender Equality –, deutlich stärker. Da spielt es keine Rolle, ob man konkurriert: Man arbeitet gemeinsam für ein Thema, damit es allen besser geht.

Du sprichst Gender Equality an: Wie ist euer Blick auf die diesbezüglichen Veränderungen?

BF – Also ich bin stolz darauf, dass drei Vorstandspositionen bei uns mit Frauen besetzt sind, denn das hat kein anderes Wirtschaftsnetzwerk. Da erkennt man unseren Weitblick und unsere Offenheit. Es gibt immer noch Unternehmen, aber auch Wirtschaftsnetzwerke, die keine Frau im Vorstand und/oder in der Geschäftsführung haben. Das ist für mich ein Unding, das kann nicht sein in der heutigen Zeit.

CP – Ich bin ja noch nicht so lange dabei, stelle aber fest, dass vor allem hier in Hannover nach und nach viele teilöffentliche Stellen oder Netzwerkstellen in Führungspositionen mit Frauen, auch mit jüngeren Frauen, besetzt werden – das ist gut, denn der Austausch funktioniert jetzt anders. Ich habe das Gefühl, dass es zuvor eher eine Ellbogengesellschaft war. Frauen hatten auch nicht die Möglichkeit, sich zu verbünden, weil sie häufig allein auf weiter Flur waren. Jetzt, da es langsam mehr werden, kann man sich offen austauschen und sagen: Wir machen das jetzt anders … nicht mit diesen Stutenbissen. Ich hasse dieses Wort, aber manchmal kommt das noch raus. Man sitzt manchmal in Kreisen zusammen und hat mit Frauen zu tun, die schlimmer sind als alte weiße Männer, weil sie teils ein Konkurrenzdenken verfolgen, das komplett unnötig ist.

BF – Da haben wir noch Nachholbedarf und wir müssen auch an diesem höflichen Miteinander arbeiten: auf Augenhöhe, mit Akzeptanz, sich gegenseitig in den Karriereebenen hochziehen und unterstützen. Da müssen wir noch ein bisschen dran arbeiten, dass die Frauenförderung untereinander stärker wird, wenn Frauen in einem Unternehmen und an entsprechender Position sitzen. Da gibt es noch Potenzial nach oben.

Das langfristige Ziel wäre aber, diese geschlechterbezogene Förderung auf beiden Seiten abzubauen?

BF – Wenn wir bei 50/50 in der Wirtschaft sind, dann können wir mit sämtlichen Förderungen aufhören, aber solange das nicht erreicht ist, wird es nicht anders passieren. Da ist Corona aus meiner Sicht das perfekte Beispiel. Wenn wir uns mal die Unternehmen anschauen: Wie weit war die Digitalisierung? Konnte man ein Online-Meeting durchführen? Das war undenkbar. Es wurde – da sind wir wieder beim Thema Nachhaltigkeit – teilweise sogar durch die ganze Welt gereist. Wir Menschen ticken so: Wenn es nicht erzwungen wird, machen wir es nicht, weil wir von Natur aus „bequem“ sind. Deswegen stehe ich auch zu 100 % hinter der Quote. Hauptsache ist, wir erhalten die Sensibilität für das Thema.

Würdet ihr sagen, dass die 10er-Jahre mit ihrem Hashtag Activism da für entscheidenden Aufwind gesorgt haben?

CP – Mit Social Media, dem Sichtbarmachen und den Möglichkeiten des Austausches, hat sich das Ganze ein bisschen gesteigert. Man muss aber auch sehen, dass die Posten bis zu einem gewissen Zeitpunkt besetzt sind – egal ob von Mann oder Frau. Man kann nicht einfach alle Männer rausschmeißen und die Stellen mit Frauen neu besetzen. Dadurch, dass aber aktuell auch ein Generationswechsel stattfindet, wurden viele Positionen frei … und – gewollt oder nicht – hauptsächlich mit Frauen besetzt. Das macht einen Unterschied für die Sensibilisierung nach außen, denn man braucht als junge Frau Vorbilder. Wenn nur Männer in den Positionen sind, hat man keinen richtigen Ansporn oder Glauben daran, das schaffen zu können. Daher glaube ich, dass es diese Quote braucht, um die Strukturen erst einmal aufzubrechen.

Handelt es sich ausschließlich um eine Frage der Gleichberechtigung – oder auch um einen Mehrwert, der darüber hinaus geht?

CP – Es ist grundsätzlich auf jeden Fall eine Frage von Gleichberechtigung. Wir reden da nicht nur von Gleichberechtigung der Geschlechter, sondern auch der Migrationshintergründe, Lebensrealitäten von Menschen oder ihrer Sexualität. Es muss doch funktionieren, dass wir uns in einer diversen Gesellschaft so aufstellen – und auch in Entscheidungspositionen so repräsentieren. Wie soll Demokratie sonst vorankommen? In dem Moment, in dem eine Form von Gleichberechtigung und Diversität passiert, wird das Ergebnis einfach besser. Je mehr Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Ideen draufblicken, desto realer wird das Ergebnis. Es braucht den Austausch und es braucht die Impulse und dann hat die Gleichberechtigung natürlich mehr Wert für alle.

BF – Es ist auch empirisch belegt, dass diverse Teams erfolgreicher sind. Und obwohl das bewiesen ist, gehen die Männer zögerlich an die Umsetzung ran, weil sie es nicht kennen. Ferner muss auch mal das Thema unterschiedlicher Altersstufen aufgegriffen werden. Wir haben eine Gesellschaft, die immer älter wird. Das sollten wir bedenken; wir müssen eine Sensibilisierung dafür schaffen, auch mal die Alten mit den Jungen zusammenzubringen. Ich glaube, die Aufgabe der Unternehmen, aber vielleicht auch die Aufgabe eines Netzwerkes ist es, nicht immer nur auf das Thema der Frauenquote zu kommen, sondern auf die Akzeptanz des Andersdenkens.

Wenn du gerade von den unterschiedlichen Generationen sprichst: Bei jüngeren Generationen scheint ja die Dringlichkeit, den Klimawandel anzugehen, eher wahrgenommen zu werden. Was ist eure Erwartungshaltung an die diesbezügliche Entwicklung innerhalb eurer Netzwerke? Begriffe wie „CO2-Fußabdruck“ und „Klimaschutz“ sind ja schon gefallen …

BF – Ich selbst lehre das als Thema nebenberuflich an einer Hochschule und stelle bei den Studierenden fest, wie wenig Sensibilität noch dafür vorhanden ist. Ich glaube, das ist eins der vielen Themen, das wir ganz früh in die Gesellschaft bringen müssen. Es gibt viele unwissende Menschen, was man ihnen aber nicht vorwerfen kann: Wir haben zwar eine Presse, aber was steht in den Medien? Jeder kennt sich mit Corona aus, jeder ist Gesundheitsexperte, jeder ist Fußballexperte und mittlerweile teilweise leider Kriegsexperte, aber keiner ist Klimaexperte, weil dieses Thema – vielleicht aufgrund der Komplexität oder Unbequemlichkeit – oft von den Menschen nicht wahr- oder angenommen wird. Aber jetzt tut es ja wegen der Energiepreise weh: Plötzlich wollen alle Solar, Photovoltaik … Man könnte ja denken, die Generation Z ist eher informiert, auch weil sie für Fridays for Future auf die Straße geht. Aber meine Erfahrung ist, dass junge und ältere Menschen gleich viel zum Thema informiert sind und die Sensibilität dazu nicht unterschiedlich ist.

CP – Mir begegnet das häufiger in meiner Bubble, bei mir sind alle komplett durchsensibilisiert. Es hat aber niemand in irgendeiner Form Wohneigentum, denn wir arbeiten mit Menschen, die halbwegs einfach leben. Dann kommen aber Themen wie die Energiepreise auf, und dann muss man sofort anfangen, etwas zu tun, weil sie direkt davon betroffen sind. Unsere Mitglieder sind definitiv sensibel dafür, man muss sie nur anders abholen: Als Solo-Selbstständiger braucht man eher Tipps wie den Mehrfachstecker mit Kippschalter. Wenn man aber ein Projekt plant, zum Beispiel eine Veranstaltung, dann hat man hier einen Leitfaden, wie nachhaltige Veranstaltungen gehen. Die meisten aus dem Bereich sind größtenteils am Rechner und designen, planen, programmieren und stehen nicht unbedingt in einer Firma und arbeiten an Maschinen, die sehr viel Energie verbrauchen. Deswegen brauch man einen anderen Hebel, also auf jeden Fall eine andere Form der Ansprache. Freund*innen von meinen jüngeren Schwestern ist das wiederum egal. Das Auto ist das allerwichtigste und sie fahren kein E-Auto, solange sie ihren Verbrenner noch haben können. Wenn es die Leute noch nicht trifft und noch nicht so richtig wehtut, dann hat da niemand so richtig Verständnis und der Druck ist nicht hoch genug. Ich denke, im KreHaTiv Netzwerk wird Nachhaltigkeit ein Thema, mit dem wir jetzt schnell und gut vorankommen, weil sich viele jetzt schon damit auseinandersetzen – und dann der Erfahrungsaustausch stattfindet.

CK

Fotos: Bernd Schwabe, Wikipedia

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