Ohne uns ist’s still

Fotos: Rudi Keuntje & Christoph SpeidelFotos: Rudi Keuntje & Christoph Speidel

 

 

 

 

… über eine vergessene Branche

 

Im Interview:

Claudia, Projektleitung
Hannover Concerts,
und Hannes, Projektleiter Capitol

Die Aktion #ohneunsistsstill ist eine deutschlandweite Initiative der Veranstaltungsbranche. Man will damit zeigen, wer die Dienstleister hinter den Shows, Konzerten und Events sind. Die Lage in der gesamten    Veranstaltungsbranche ist derzeit prekär, Corona bedroht speziell in diesem    Bereich viele Existenzen, auch in Hannover. Diese Existenzen bekommen mit der Aktion nun ganz konkret ein Gesicht in unserer Stadt. Beziehungsweise sehr viele Gesichter. Inzwischen gibt es darüber hinaus auch sehr klare Forderungen an die Politik. Das Bündnis #AlarmstufeRot ruft regelmäßig zu Demonstrationen auf und formuliert auf www.alarmstuferot.org sehr konkrete Vorschläge.

Könnt ihr euch zum Einstieg kurz selbst vorstellen …
Hannes: Ich habe vor etwa einem Jahr als Projektleiter im Capitol angefangen. Mein Job ist es, die Veranstaltungen dort zu betreuen, also mich um die KünstlerInnen zu kümmern, dass Backstage alles okay ist, dass die Konzerte ohne Probleme ablaufen. Eigentlich. Vor dem Capitol habe ich schon zehn Jahre in dem Bereich gearbeitet, ich habe in Köln meine Ausbildung gemacht und noch eine Weiterbildung zum Veranstaltungsfachwirt drangehängt.
Claudia: Und ich bin mittlerweile seit 17 Jahren bei Hannover Concerts, aber insgesamt auch schon seit 32 Jahren in der Branche. Ich mache den Job mein gesamtes Berufsleben und habe momentan die Projektleitung für das Stadion, die ZAG-Arena und die Swiss Life Hall. Also eher die großen Veranstaltungen, das muss ja auch irgendwer machen. Und ich mache das natürlich mit Liebe und Leidenschaft. Aber im Moment halt nicht …

Womit wir auch schon beim Thema wären. Wie war das bei euch, wann habt ihr gemerkt oder geahnt, was mit Corona auf uns alle und insbesondere auf eure Branche zukommt?
C: Im März hat es uns eigentlich ziemlich schnell voll erwischt. Sehr passend, denn der März ist ausgerechnet auch unser veranstaltungsreichster Monat. Es gab in diesem Jahr eigentlich keinen Tag, an dem nichts geplant war. Und dann bahnte sich Corona an und wir wussten, da kommt was, aber wir wussten noch nicht, was da genau auf uns zukommt. Meine letzte Veranstaltung war Atze Schröder – und ich bin durch die SwissLifeHall gelaufen und habe gegrübelt: Gefährlich oder nicht gefährlich? Ich war mir nicht sicher, ich habe das nicht einschätzen können. Das war zwei Tage vor dem Lockdown. Dann wurde plötzlich alles abgesagt und wir waren ratlos. Und dann hieß es sehr schnell, räumt eure Schreibtische auf, erledigt eure Restarbeiten, wir müssen den Betrieb komplett runterfahren.
H: Aber das Thema war sogar schon früher da, bereits im Februar hat unsere Geschäftsführung uns angesprochen und gesagt, dass wir wegen Corona mal ein bisschen vordenken müssten, was da so passieren könnte. Ich habe damals noch gedacht, dass es dabei mehr um so etwas wie eine Grippe geht und dass das wieder vorbeigehen wird. Und dann hatte ich am 28. Februar Faber im Capitol, alle mit langen Gesichtern, weil deren Show in Zürich abgesagt worden war. Zürich ist ja so ein bisschen deren Hometown. Die Schweiz war eines der ersten Länder, die Veranstaltungen mit über 1000 Zuschauern abgesagt haben. Und Faber waren deswegen natürlich ziemlich traurig, da war mir das Thema zum ersten Mal sehr nah.

Und dann gab es nach diesem Gespräch mit der Geschäftsführung konkrete Maßnahmen …
H: Ja, wir haben im Anschluss bei allen Veranstaltungen von Hannover Concerts zum Beispiel Desinfektionsspender aufgestellt. Und es gab Plakate mit Verhaltensregeln, die wir entwickelt hatten. Wir haben natürlich auch extra nochmal alles doppelt desinfiziert und gereinigt, schon Ende Februar. Ich war dann Anfang März aber im Skiurlaub und habe die Entwicklungen nur noch übers Handy mitbekommen – was teilweise gespenstisch war. Erst kam die Empfehlung, alles ab 1000 Zuschauer abzusagen, dann die Verordnung, alles ab 1000 abzusagen, dann hieß es, jetzt werden alle Veranstaltungen abgesagt. Es gab wirklich jeden Tag eine neue Hiobsbotschaft. Und dann ging es eigentlich auch schon direkt in die Kurzarbeit Mitte März.
C: Und das hat uns alle betroffen, wir sind seit etwa Mitte März allesamt zu Hause. Es hat noch eine Besprechung gegeben, dann war Schluss.

Hattet ihr Mitte März schon ansatzweise die Tragweite realisiert? Dass sich das Monate hinziehen würde?
C: Im Leben nicht. Das hat wohl niemand geahnt. Die Konzerte wurden ja zuerst auch entsprechend nur kurzfristig verschoben, von März in den Juni oder Juli. Um dann ein bisschen später wieder verschoben zu werden. Das ist das, was momentan immer noch passiert, alles wird immer weiter nach hinten verschoben. Zum Beispiel Santiano oder Peter Maffay, die wurden beide in den Herbst verlegt, und im Mai war dann absehbar, dass auch das nicht gehen wird. Viel ist momentan noch ins Frühjahr verlegt, wobei größere Veranstaltungen von den Agenturen jetzt auch schon mehr und mehr in den Herbst 2021 verlegt werden. Die kleineren Veranstaltungen werden ja vielleicht eher wieder möglich sein – theoretisch.
H: Mir war so richtig klar, dass man an dieses Jahr insgesamt einen Haken dranmachen kann, als die Festivals abgesagt wurden. Ich hatte vorher immer noch darauf gehofft, dass das irgendwie möglich sein würde, aber das hat sich dann mit den strengen Regeln natürlich alles erledigt. Und jetzt geht es überall so ganz allmählich wieder los, schon seit einer Weile, die Restaurants haben wieder geöffnet, der Einzelhandel, aber in unserer Branche hat sich immer noch fast alles erledigt.
C: Wobei Hannes und ich im Grunde noch in einer recht komfortablen Situation sind, wir bekommen immerhin Kurzarbeitergeld. Für die meisten Kolleginnen und Kollegen in unserer Branche ist es sehr viel bitterer.

Wer wird alles zu eurer Branche gezählt?
H: Sehr viele. Und genau das möchten wir auch mit unseren Kulturgesichtern zeigen. Dabei sind natürlich die MusikerInnen, dazu die VeranstalterIinnen und TechnikerInnen. Dann die Clubbetreiber und die Leute, die hinter den Theken arbeiten, also der ganze Bereich Catering. Die Security. Aber hinter den Kulissen arbeiten natürlich noch weitaus mehr Leute, die Reinigungskräfte, die Aufbauhelfer, die Runner, die Plakatierer. Letztere haben uns übrigens sehr geholfen bei unserem Projekt. Dazu kommen noch die Agenturen, die sich um die Organisation und um die Werbung kümmern. Die wiederum muss ja auch von irgendwem gestaltet werden. Und an der Veranstaltungsbranche hängen dann noch andere, die Taxiunternehmen, die Hotellerie, die Gastronomie. Im Grunde alle, die davon leben, dass BesucherInnen für eine Veranstaltung in die Stadt kommen.
C: Unsere Branche ist ja die sechstgrößte Branche in Deutschland mit über einer Millionen Beschäftigten und 130 Mrd. Euro Umsatz im Jahr.

Wie beurteilt ihr denn gerade den Neustart in der Bundesliga?
C: Das ist natürlich erstmal so eine Sache, da gibt es in unserer Branche sofort die Stimmen, die fragen, warum dürfen wir das nicht? Ich sehe das aber nicht so skeptisch, eher im Gegenteil. Wenn die jetzt vorgehen, dann wird das neue Erkenntnisse bringen. Ich finde auch den Ansatz gut, versuchsweise Konzerte wieder zuzulassen, um zu lernen. Natürlich mit strengen Hygieneregeln. Das Konzert in Leipzig mit Tim Benzko war ja so ein Ansatz. Der aber leider im Vorfeld nicht wirklich gut kommuniziert worden ist, darum haben sich nur 1400 Leute da hin getraut. Ich denke, solche Versuche, bei denen Abläufe und Hygienekonzepte erprobt werden, können ganz am Ende einen Weg weisen.
H: Aber viele Menschen haben momentan einfach noch große Angst. Bis das Vertrauen wiederhergestellt ist, werden ganz sicher noch einige Monate vergehen.

Was ja momentan auch ein Problem für die kleineren Veranstalter ist, die wieder so ganz allmählich hochfahren. Die ohnehin wenigen Stühle bleiben teilweise unbesetzt.

C: Das ist leider so. Und darum müssen die Konzepte gut sein. Erst wenn sich die Konzepte bewähren, wird es auch wieder mehr Vertrauen geben. Und wir müssen uns wohl an den Gedanken gewöhnen, dass das jetzt der Weg sein wird, auf einen Impfstoff würde ich zunächst mal nicht setzen. Wir müssen Konzepte mit Abstand und Maske entwickeln und dann herausfinden, was geht. Da gab es ja jetzt zum Beispiel die Diskussion, ob man klassische Konzerte wieder zulässt, mit Abstandsregeln, aber auch mit mehr als 20 Prozent der Kapazität. Was in der Unterhaltungsmusik gleich einen Aufschrei gab. Warum die und nicht wir? Und klar, da schlagen bei mir auch zwei Herzen in meiner Brust. Trotzdem, das ist ein anderes Zielpublikum. Die sind meist älter, die springen nicht auf, die moshen nicht, die singen nicht mit. Also, man muss wahrscheinlich einfach jede Veranstaltung für sich begutachten, um zu entscheiden, was jeweils geht oder eben nicht geht. Und wenn darum nun die ernste Musik vorgezogen wird, dann ist das in Ordnung. Und schafft Erfahrungswerte.
H: Es muss natürlich auch passen. Bei den Picknick-Konzerten gab es Bands, die gesagt haben, dass das für sie in Ordnung ist. Da hat es musikalisch gepasst, dass die Leute sitzen. Aber du kannst ja eigentlich keine Rock- oder Punk-Band vor sitzendem Publikum spielen lassen.

Wäre denn mit den richtigen Hygienekonzepten aus eurer Sicht heute schon wieder mehr möglich?
H: Ich glaube, dass tatsächlich mehr gehen würde. Ich könnte mir vorstellen, dass mit guten und klugen Konzepten sehr viel möglich wäre. Aber bei Veranstaltungen wird momentan natürlich auch sehr skeptisch und vorsichtig hingesehen. Und medial wird dann meistens eher kommuniziert, was schiefläuft. Zum Beispiel bei den Fußballspielen. Ich denke da auch an die Bilder von den Feiernden am Ballermann. Das sorgt natürlich so gar nicht für Vertrauen. Aus meiner Sicht gibt es da aktuell übrigens so einen seltsamen Widerspruch. Im privaten Rahmen ist man inzwischen nicht mehr so besorgt, da trifft man sich dann mal samstags auf der Limmer, aber zu einem Konzert mit 2000 Leuten in der Swiss Life Hall würde man nicht gehen. Obwohl das mit einem entsprechenden Hygienekonzept bei so einem Event wahrscheinlich weitaus sicherer wäre als ein Abend auf der Limmer. Und weil das so ist, weil solche Events dann wahrscheinlich nicht ausreichend nachgefragt werden, ist es natürlich noch mal schwieriger. Ich könnte ja eine Capitol-Veranstaltung durchaus in die Swiss Life Hall verlegen, wobei sich das natürlich ohnehin nicht wirklich rechnen würde, aber vielleicht einfach, um wieder etwas stattfinden zu lassen. Die Frage ist aber, ob ich die 2000 Tickets verkaufen würde. Damit wird das Risiko ziemlich unkalkulierbar.

Das heißt, dass sich die vielen Solo-Selbstständigen in eurer Branche noch auf ein paar harte Monate einstellen müssen.
C: Viele kämpfen momentan ganz schlicht um ihre Existenz. Faktisch gibt es ja sozusagen ein Berufsverbot. Wobei alles weiterläuft, die Kredite laufen, man muss seine Miete bezahlen, man hat vielleicht Kinder. Wenn so ein sehr qualifizierter Bühnentechniker bei uns arbeitet oder auch eine Tänzerin bei der Oper, dann hatten die bisher als Solo-Selbstständige ja durchaus ein respektables Einkommen. Die konnten davon leben, auch in ihre Altersvorsorge einzahlen. Jetzt bekommen sie ihre Betriebskosten erstattet, aber was hat eine Tänzerin für Betriebskosten? Das geht ein bisschen an der Realität vorbei. Du darfst das Geld ja nur für solche Kosten nutzen und nicht für deinen Lebensunterhalt. Für viele bleibt jetzt nur die Grundsicherung. Was ein ganz harter Einschnitt ist. Und auch ärgerlich, denn all diese Leute haben ja immer ihre Steuern gezahlt, sie haben ihren Beitrag zur Solidargemeinschaft geleistet. Und jetzt ist es nicht möglich, sie besser zu unterstützen? Ich finde, alle, die durch das Berufsverbot so hart getroffen sind, müssen jetzt von der Solidargemeinschaft angemessen unterstützt werden.
H: Man muss in der Branche sehr differenziert hinsehen, da gibt es die Angestellten, die Solo-Selbstständigen, die projektbezogen arbeiten, sehr viele, die halbtags in der Branche unterwegs sind, dann die Geschäftsführer der Unternehmen und Clubs, und ich finde, man muss das bei jedem Einzelnen genau betrachten. Was hatte der vorher, wie steht er jetzt da? Es ist ja ohnehin nicht so, dass in der Branche das ganz große Geld steckt, du arbeitest ja nicht im Kulturbereich, um damit reich zu werden. Du arbeitest in diesem Bereich, weil du dazu Lust hast, mit Herz und Leidenschaft. Und dafür nimmst du in Kauf, dass alles ein bisschen prekärer läuft, dass du vielleicht auch nicht ganz so viel für später beiseitelegen kannst. Viele haben keine Rücklagen, keine Ersparnisse, auf die sie jetzt zurückgreifen könnten. Das liegt auch an der Branche, in der arbeiten wie gesagt viele projektbezogen von Monat zu Monat, eine Planbarkeit weit in die Zukunft ist gar nicht möglich. Und mit Corona ist nun auch der letzte Rest Planbarkeit dahin. Ich höre jetzt oft, dass gefragt wird: warum habt ihr nicht vorgesorgt? Weil das in der Branche gar nicht geht. Die Frage ist aber ohnehin schräg. Stell dir vor, ich schließe einem VW-Arbeiter die Produktionshalle und sage ihm, dass seine Arbeit jetzt verboten ist. Und dann frage ich ihn, warum er für diesen Fall nicht vorgesorgt hat …

Die Planbarkeit in eurer Branche hat sich momentan komplett erledigt.
C: Ja, und das ist natürlich für viele eine heftige Belastung. Niemand weiß, wie es weitergeht, wie lange das alles noch dauert, ob das jemals wieder ganz vorbei sein wird. Darum sind viele auch beim Thema Kredite eher zurückhaltend. Man muss die ja auch irgendwann zurückzahlen. Aber wird man das können? Ich kenne Solo-Selbstständige, die darum jetzt eher an ihre Lebensversicherungen gehen, um ihre Familien über die Runden zu bringen. Oder die verkaufen, was sie entbehren können. Oder sich nach einer kleineren Wohnung umschauen. Das ist alles sehr bitter. Weil ja niemand etwas dafür kann.
Jetzt geht eure Branche an die Öffentlichkeit, es gibt euch hier in Hannover, bundesweit sorgt „Alarmstufe Rot!“ für Aufmerksamkeit. Mein Eindruck ist, dass das eine ganze Weile gedauert hat.
H: Das liegt natürlich an der bunten Mischung. Musik, Theater, Kunst, Literatur – wir sind ja kein geschlossener Interessenverband, die Branche ist sehr vielfältig. Und untereinander herrschte vor Corona dazu auch eine gewisse Konkurrenz, wenn beispielsweise zwei Veranstalter denselben Künstler machen wollten. Wir mussten uns erstmal finden. Und dann auch gemeinsame Forderungen formulieren. Was nach wie vor schwierig ist. Und damit ist es natürlich auch schwierig, mit der Politik ins Gespräch zu kommen.
C: In unserer Branche gibt es ja die unterschiedlichsten Berufe, Garderobiere trifft Klofrau, trifft Kostümbildnerin, trifft Runner, trifft Bühnenbauer, trifft Choreographen, trifft Satiriker, trifft Komiker. Es hat ein bisschen gebraucht, bis wir verstanden haben, dass wir alle zusammengehören. Wir sind vorher nicht gemeinsam organisiert gewesen, wir haben auch keine Lobbyisten beschäftigt, die für uns in Berlin an die richtigen Türen klopfen. Viele von uns arbeiten komplett im Hintergrund, wir waren bisher eher unsichtbar. Uns nun sichtbarer zu machen, das war ja ein Gedanke bei den Kulturgesichtern.
H: Wir möchten damit einfach zeigen, dass die Kultur viele helfende Hände hat. Veranstaltungen, mit denen sich ja auch die Politik gerne mal schmückt, sind das Ergebnis einer Zusammenarbeit unterschiedlichster Berufe, unterschiedlichster Menschen. Du siehst dann zwar am Ende nur Ed Sheeran auf der Bühne, was dahintersteckt, bleibt im Idealfall unsichtbar, das ist ja sogar der Anspruch, aber jetzt müssen wir einfach zeigen, dass es all diese helfenden Hände gibt. Und dass diese helfenden Hände jetzt Solidarität und Unterstützung brauchen.

Inzwischen helfen auch die Künstlerinnen und Künstler mit.

H: Ja, neulich in Berlin hat beispielsweise Herbert Grönemeyer auf einer Demo sehr beeindruckend darüber gesprochen, dass für seine Tour-Produktion insgesamt 120 Menschen unterwegs sind, wovon ein Drittel fest angestellt ist und alle anderen als Solo-Selbstständige arbeiten, ohne Netz und doppelten Boden. Und dass vor allem die jetzt Unterstützung brauchen, weil ohne sie gar nichts geht. Dass wir die jetzt nicht für ihre Solo-Selbstständigkeit bestrafen dürfen.
C: Leider haben die Solo-Selbstständigen so gar keine Lobby. Die Branche hat es insgesamt schwer. Man hat uns die ersten Monate aus meiner Sicht komplett ignoriert. Klar, man hat über die KünstlerInnen gesprochen, die nicht auftreten konnten, aber dass da im Hintergrund unglaublich viele Existenzen dranhängen, hat man schlicht vergessen. Die Stimmung in der Branche ist inzwischen sehr düster, auch weil niemand genau weiß, wie es weitergeht.

Was macht denn diese Unsicherheit mit euch persönlich? Könnt ihr noch gut schlafen?
H: Die Unsicherheit zehrt. Man hofft von Monat zu Monat, aber das zerschlägt sich dann regelmäßig. Wobei wir beide ja wie gesagt noch in einer recht komfortablen Situation sind.
C: Was noch hinzu kommt, das ist die Unübersichtlichkeit, die durch den Föderalismus entstanden ist. Das schafft Unsicherheiten und produziert natürlich auch Ärger. Da gibt es dann Bundesländer, die bei den Anträgen sehr liberal unterwegs sind, zum Beispiel Baden-Württemberg oder Berlin. Hier bei uns in Niedersachsen geht es dagegen weitaus bürokratischer zu, da müssen Solo-Selbstständige viele Anträge ausfüllen und dazu ihre Verhältnisse komplett offenlegen.
H: Es ist schon eine Frage, warum bestimmte Dinge nicht bundesweit einheitlich geregelt werden können. Was beim Thema Fußball geht, das sollte doch auch für die Kulturbranche möglich sein. Aber da gelten nun ganz unterschiedliche Regeln, und so kannst du in NRW eine Veranstaltung machen, die in Niedersachsen verboten wäre. Touren für KünstlerInnen durch mehrere Bundesländer sind so fast unmöglich zu organisieren, falls wieder etwas möglich ist in den kommenden Monaten, wird das die Agenturen noch einmal vor große Probleme stellen.
Es gibt also jede Menge zu besprechen mit der Politik.
C: Ich glaube, wir sind noch eher in der Phase, mit unseren Aktionen und Demos darauf aufmerksam zu machen, dass es Gesprächsbedarf gibt. Im Augenblick läuft noch der Schulterschluss. Wir treffen uns auf den Demos, wir organisieren uns. Nebenbei fühlt sich das übrigens auch sehr gut an. Man merkt, dass man nicht allein ist. Ich kann nur jedem empfehlen, sich an den Demonstrationen zu beteiligen. Die sind ja auch sehr gut organisiert, Verstöße gegen die Hygieneregeln findet man bei den Demos von „Alarmstufe Rot!“ eher gar nicht. Man merkt, dass das professionelle Veranstalter organisieren.
H: Ja, Veranstaltungen können wir gut. Und inzwischen sind auch die Medien zunehmend aufmerksam.
Kann man eure Forderungen in einem Satz unterbringen?
H: Im Grunde geht es darum, dass alle nach Corona weitermachen können, wo sie gezwungen waren aufzuhören. Dass jetzt in dieser Phase nicht die gesamte Branche zerbricht.
C: #AlarmstufeRot verweist in dem Zusammenhang auf Österreich. Die haben ein paar sehr gute Ansätze. Wir brauchen insgesamt einfach eine Perspektive. Und wir möchten an den Lösungen mitarbeiten. Man darf uns gerne ins Boot holen, wir können Sicherheitskonzepte schreiben, das war schon vorher Teil unseres Jobs. Wir brauchen jetzt den Dialog, um zu überlegen, was wieder machbar sein könnte.
● Interview: Lak, Fotos: Rudi Keuntje & Christoph Speidel

Inzwischen helfen auch die Künstlerinnen und Künstler mit. H: Ja, neulich in Berlin hat beispielsweise Herbert Grönemeyer auf einer Demo sehr beeindruckend darüber gesprochen, dass für seine Tour-Produktion insgesamt 120 Menschen unterwegs sind, wovon ein Drittel fest angestellt ist und alle anderen als Solo-Selbstständige arbeiten, ohne Netz und doppelten Boden. Und dass vor allem die jetzt Unterstützung brauchen, weil ohne sie gar nichts geht. Dass wir die jetzt nicht für ihre Solo-Selbstständigkeit bestrafen dürfen. C: Leider haben die Solo-Selbstständigen so gar keine Lobby. Die Branche hat es insgesamt schwer. Man hat uns die ersten Monate aus meiner Sicht komplett ignoriert. Klar, man hat über die KünstlerInnen gesprochen, die nicht auftreten konnten, aber dass da im Hintergrund unglaublich viele Existenzen dranhängen, hat man schlicht vergessen. Die Stimmung in der Branche ist inzwischen sehr düster, auch weil niemand genau weiß, wie es weitergeht. Was macht denn diese Unsicherheit mit euch persönlich? Könnt ihr noch gut schlafen? H: Die Unsicherheit zehrt. Man hofft von Monat zu Monat, aber das zerschlägt sich dann regelmäßig. Wobei wir beide ja wie gesagt noch in einer recht komfortablen Situation sind. C: Was noch hinzu kommt, das ist die Unübersichtlichkeit, die durch den Föderalismus entstanden ist. Das schafft Unsicherheiten und produziert natürlich auch Ärger. Da gibt es dann Bundesländer, die bei den Anträgen sehr liberal unterwegs sind, zum Beispiel Baden-Württemberg oder Berlin. Hier bei uns in Niedersachsen geht es dagegen weitaus bürokratischer zu, da müssen Solo-Selbstständige viele Anträge ausfüllen und dazu ihre Verhältnisse komplett offenlegen. H: Es ist schon eine Frage, warum bestimmte Dinge nicht bundesweit einheitlich geregelt werden können. Was beim Thema Fußball geht, das sollte doch auch für die Kulturbranche möglich sein. Aber da gelten nun ganz unterschiedliche Regeln, und so kannst du in NRW eine Veranstaltung machen, die in Niedersachsen verboten wäre. Touren für KünstlerInnen durch mehrere Bundesländer sind so fast unmöglich zu organisieren, falls wieder etwas möglich ist in den kommenden Monaten, wird das die Agenturen noch einmal vor große Probleme stellen. Es gibt also jede Menge zu besprechen mit der Politik. C: Ich glaube, wir sind noch eher in der Phase, mit unseren Aktionen und Demos darauf aufmerksam zu machen, dass es Gesprächsbedarf gibt. Im Augenblick läuft noch der Schulterschluss. Wir treffen uns auf den Demos, wir organisieren uns. Nebenbei fühlt sich das übrigens auch sehr gut an. Man merkt, dass man nicht allein ist. Ich kann nur jedem empfehlen, sich an den Demonstrationen zu beteiligen. Die sind ja auch sehr gut organisiert, Verstöße gegen die Hygieneregeln findet man bei den Demos von „Alarmstufe Rot!“ eher gar nicht. Man merkt, dass das professionelle Veranstalter organisieren. H: Ja, Veranstaltungen können wir gut. Und inzwischen sind auch die Medien zunehmend aufmerksam. Kann man eure Forderungen in einem Satz unterbringen? H: Im Grunde geht es darum, dass alle nach Corona weitermachen können, wo sie gezwungen waren aufzuhören. Dass jetzt in dieser Phase nicht die gesamte Branche zerbricht. C: #AlarmstufeRot verweist in dem Zusammenhang auf Österreich. Die haben ein paar sehr gute Ansätze. Wir brauchen insgesamt einfach eine Perspektive. Und wir möchten an den Lösungen mitarbeiten. Man darf uns gerne ins Boot holen, wir können Sicherheitskonzepte schreiben, das war schon vorher Teil unseres Jobs. Wir brauchen jetzt den Dialog, um zu überlegen, was wieder machbar sein könnte. ● Interview: Lak, Fotos: Rudi Keuntje & Christoph Speidel


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