Tonträger im März

Modell Bianka: Kummerland
„Lovepunk“ nennt die hannoversche Band ihre Musik, und das passt gut, denn die Punk-immanente Rotzigkeit fehlt hier fast ganz und kommt wohldosiert in wenigen gescreamten Refrains zum Einsatz. Dieses Debüt ist vom ersten bis zum zehnten Song liebevoll gemacht: Melodiöse, gemäßigte Uptempo-Prügelsongs mit klugen Texten und Hooklines, zu denen man eher singen als mitgröhlen möchte.

 

 

 

 

 

Tokunbo: Golden Days
Die Musikerin Tokunbo, bekannt als Kopf der mehrfach Jazz-Award-gekrönten Acoustic-Soul-Jazz-Band Tok Tok Tok, liefert mit ihrem neuesten Werk eine warmherzige Melange aus Folk und jazzigem Pop mit einem unüberhörbaren Country-Einschlag. Entstanden während des Lockdowns 2020, ist das Album stilistisch ein Gruß an die klassischen Songwriter der 70er Jahre wie The Carpenters und Carol King.

 

 

 

 

 

Black Sea Dahu: I Am My Mother
Die Schweizer Indie-Folkband ist ein Familienunternehmen um die Singer-Songwriterin Janine Cathrein und ihre Geschwister Vera und Simon, das lediglich die Stellen für Bass, Schlagzeug und Keyboard mit Externen besetzt hat. Sängerin Janine besitzt eine tatsächlich kaum verwechselbare Stimme, die den lyrisch bis orchestralen Sound der Band zu etwas Besonderem macht.

 

 

 

 

 

Toundra: Hex
Das achte Album der spanischen Instrumental Post-Rock-Band startet nicht völlig Genre-untypisch gleich mit dem dreiteiligen 20-Minuten-Epos „El Odio“, zu Deutsch: der Hass. Eben diesen hinter sich zu lassen, sei Anlass und Thema dieses eruptiv-dynamischen Werkes, sagt Gitarrist Esteban Girón. Fein ziselierte Melodien, abgesetzt mit schroffen, dissonanten Ausbrüchen, lassen keinen Gesang vermissen.

 

 

 

 

 

Fabritius: Chambre Noire
Nach zwei kreativen Jahren in Paris ist Jan Fabritius nach Berlin zurückgekehrt, nicht nur, um für „seine Familie“, das Indie-Label City Slang, zu arbeiten, sondern auch, um sein erstes Soloalbum aufzunehmen: Melancholisch-noisige Singer-Songwriter-Gitarrenmusik mit schnarrend-zerbrechlichem Gesang, der einen guten Kontrast zu den überwiegend sehr harmonischen Melodiebögen setzt.

 

 

 

 

 

Kalle Wallner: Voices
Dieses überwiegend instrumentale Album ist Musik für Mucker. Brillante Kaskaden und epische Soli des Prog-Rockers, Live- und Studiogitarristen sowie Gründungsmitgliedes von RPWL erfreuen Gitarrenmenschen genauso wie die perfekte Abmischung alle Soundfetischisten. Als Extra-Bonbon konnte der heute in San Diego ansässige Ausnahmeschlagzeuger (und Hannover-Gewächs) Marco Minnemann gewonnen werden.

 

 

 

 

King Hannah: I’m Not Sorry, I Was Just Being Me
Das erste Album der beiden Liverpooler Hannah Merrick und Craig Whittle versammelt zwölf eindringliche, magisch-düstere, fesselnde Songs voller Melancholie, frickeliger Rhythmen und – wie im Titel schon angedeutet – Kompromisslosigkeit. „Bei uns wird nichts vorgespielt. Wir wollen nicht sauber oder poliert klingen. Wir wollen echt, dynamisch und authentisch klingen.“ Das gelingt den beiden auf diesem Debüt ganz wunderbar. Mit Unterstützung der Musiker Ted White, Jake Lipiec und Olly Gorman wurde es in nur acht Monaten aufgenommen. Angeblich wurde die Band von Gitarrist Craig Whittle schon geplant, ohne dass die namensgebende Sängerin davon wusste. Whittle hatte sie bei einem ihrer Auftritte gesehen und war so begeistert, dass er sofort seine Chance ergriff und sie, als sie sich Jahre später zufällig kennenlernten, überredete, gemeinsam Musik zu machen.

 

 

Rolf Blumig: Rolfie lebt
Es ist wunderbar anzuhören, in welchem Maße der junge Leipziger Musiker darauf pfeift, was man so macht – und einfach macht. Wirklich vogelwilde Songs, deren Sound schon treffend als Mischung von Frank Zappa und International Music bezeichnet wurde. Psychedelischer Krautrock mit überschwänglichem Gesang, bei dem die nächste Wende hinter jeder Zeile lauert. Was dann fröhlich hervorspringt, kann auch mal Bossa Nova oder Blues sein, oder Blumig singt mit sich selbst ein funky Duett, einmal Brust-, einmal Falsettstimme. Melodien sind dazu da, sie euphorisch in alle Richtungen auszudehnen, und Zeit für ein Solo ist immer. Das ist sympathisch überdreht, geht immer wieder mitreißend groovig und zart prügelnd nach vorne und nervt, im Gegensatz zu Frank Zappa, all jene gar nicht, die in ihren Herzen ein bisschen Platz für positiv verrückte Frickelmusik haben.

 ● Annika Bachem


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