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… mit Barbara Kantel, Rabea Schubert und Saham El-Gaban

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… mit Barbara Kantel, Rabea Schubert und Saham El-Gaban


Barbara Kantel, Rabea Schubert und Saham El-Gaban sprechen über ihre Arbeit als TheaterpädagogInnen, über neue Aufgaben und Herangehensweisen in Corona-Zeiten und über analoge und hybride Zukunfstpläne.

Stellt euch zum Einstieg mal kurz vor …
Barbara Kantel: Hier am Schauspiel Hannover arbeite ich als Dramaturgin und leite gleichzeitig die Abteilung „Künstlerische Vermittlung und Interaktion“, die eng angedockt ist an die Arbeit des Jungen Schauspielhauses. Aber nicht nur. Die Abteilung macht für alle Produktionen die Vermittlungsarbeit. Zudem realisieren wir partizipativen Produktionen und Projekte, z. B. die Playstations, unsere Theaterjugendclubs, oder das House of Many. Meine Arbeit betrifft vor allem die Konzepte und die Koordination.
Rabea Schubert: Ich bin Theaterpädagogin im Team „Künstlerische Vermittlung und Interaktion“. Es gibt zwei Säulen: das Vermittelnde und das Interagieren mit der Zielgruppe, vor allem Schulen und Jugendliche. Und vielleicht noch eine dritte Säule, das Künstlerische, die bestimmte Umsetzung, die Überlegung: Wie kann ich etwas kreativ vermitteln? Wenn ich mit den ganz Kleinen arbeite, dann sage ich: „Ich bin sowas wie eine Lehrerin, aber ohne Tafel und Schreibzeug, sondern ich möchte euch etwas auf praktische Art beibringen. Und ich habe euch etwas mitgebracht: Ein Theaterstück, ein Projekt.“ So kommen die Kinder in Kontakt mit Theater – über Spiele, über Bewegung. Und wenn ich mit Älteren arbeite, sage ich oft: „Wir gucken uns das Theaterstück oder das Projekt etwas genauer an und dafür brauchen wir gar nicht viele Worte, sondern eher einen gemeinsamen Raum.“ Eine sehr klassische Arbeit als Theaterpädagogin betrifft unsere Playstations: Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene kommen ins Theater, weil sie Theater machen und lernen möchten. Und weil sie Lust haben, Teil vom Theater zu sein.

Lässt sich die Altersklasse eingrenzen?
RS: Ab 12 – und dann gibt es nach oben fast keine Grenze.
BK: Jugendlichkeit ist ja etwas, was sich gerne bis ins Erwachsenenalter hineindrängt. Die Inszenierungen am Schauspiel Hannover sind überwiegend generationenübergreifend konzipiert. Neben dem intergenerativen Ansatz und der partizipativen und interaktiven Arbeit spielen auch das Trans- und Interkulturelle für uns eine große Rolle.

Kommt es denn oft vor, dass ältere Personen mitwirken?
BK: Ja, wir hatten schon intergenerative Playstations, die waren auch ziemlich spannend. Das hat immer auch ein bisschen damit zu tun, wie die Clubleitung sich selbst positioniert und was sie interessiert.

Nun aber zu dir …
Saham El-Gaban: Ich arbeite ebenfalls im Team „Künstlerische Vermittlung und Interaktion“, bin Theaterpädagoge und als Coach im Projekt House of Many tätig. Und für mich wie für die Jugendlichen ist es wichtig, viele Workshops anzubieten, um ihnen die Inszenierungen näherzubringen.

Du warst ja stark in das interkulturelle Projekt „Yalla“ eingebunden – kannst du dazu etwas erzählen?
SEG: „Yalla“ ist ein 2017 gestartetes Projekt. Ich habe drei Künstler aus Syrien angeleitet und mit Jugendlichen aus Hannover und der Region mit unterschiedlichen Hintergründen gearbeitet. Herausgekommen sind dann ein Film und fünf Vorstellungen. Ich habe sehr gute Erfahrungen in der Zeit gemacht. Wir alle hoffen, dass es auch in der nächsten Spielzeit weitergeht. Wobei die Frage wäre, ob das wegen Corona analog oder digital geschehen kann.
BK: Wir konnten das „Yalla“-Ensemble 2015 aus Mitteln finanzieren, die das Ministerium für Wissenschaft und Kultur im Rahmen der Geflüchtetensituation für Projekte bereitgestellt hat. Das Ensemble bestand sowohl aus geflüchteten als auch aus einheimischen Menschen. Und es war intergenerational, da waren mehrere dabei, die der Generation 50+ angehörten. Nun ist aber leider die Finanzierung durch das Ministerium ausgelaufen.

Handelte es sich bei „Yalla“ um professionelle KünstlerInnen oder auch um Laien?
BK: Professionell waren die, die diesen Club und die einzelnen Projekte geleitet haben. Die haben immer ein Vierteljahr mit den „Laien“ gearbeitet, ehe es dann eine Präsentation gab, etwa ein Theaterstück, eine Lesung, einen Film. Die einzelnen Gruppen zählten etwa 20 bis 30 Leute – wobei es eine hohe Fluktuation gab, weil beispielsweise TeilnehmerInnen den Wohnort wechseln mussten. Inzwischen, nach dem Ende der Finanzierung, ist „Yalla“ eine unserer Playstation-Gruppen geworden, so dass die Arbeit zumindest in diesem Rahmen weiter geht. Es ist gut, dass wir über Saham eine personelle Kontinuität haben. Aber leider ohne die finanziellen Möglichkeiten, weitere KünstlerInnen einladen zu können.

Das House of Many probiert sich an verschiedenen Formen, derweil die Playstation mehr an klassischer Theaterarbeit interessiert ist?
RS: Genau. Beim House of Many gibt es nicht so sehr die klassische Spielleitungsfunktion, wie es sie sonst bei theaterpädagogischen Spielprojekten gibt, sondern …
SEG: … es geht eher darum, sich zu organisieren.
BK: Die klassische theaterpädagogische Arbeit, in der man ein Angebot macht – und junge oder weniger junge Leute sagen dann: „Ja, genau das will ich machen …“ Das ist das eine. Es gab aber vor ca. zehn Jahren eine Umfrage unter jungen Leuten, bei der herauskam, dass die gar nicht unbedingt nur solche Angebote wollen, sondern einen Raum, in dem sie selbst etwas machen können. Daraus ist die House-of-Many-Idee entstanden: Es gibt einen Raum, das Ballhof-Café – und wir sagen: „Das ist der Raum und ihr bekommt einen Coach.“ Das ist in dem Fall Saham, bzw. gibt es ab der nächsten Spielzeit jeweils für zwei bis drei Monate einen Celebrity aus unterschiedlichen Communities hier in Hannover, der oder die dann als GastgeberIn fungiert. „Und was dann passiert“, so sagen wir das, „liegt im Prinzip in eurem Ermessen.“ Es ist quasi eine Schnittstelle zwischen politischer und kultureller Tätigkeit. Und natürlich sind die Mittel, mit denen man arbeitet – Diskussionen, Lesungen, Filme, Poetry Slam, Speed Datings, Installationen – immer künstlerische Mittel. Aber die Ziele werden von den TeilnehmerInnen des House of Many selbst gesetzt.

Wie hat Corona eure Arbeit verändert?
BK: Erstmal gab es ja den Shutdown, da konnten wir nichts machen, weil uns das Publikum fehlte. Die Schulen sind komplett weggebrochen, es kamen aber auch Lehrkräfte im Bereich „Darstellendes Spiel“ auf uns zu und fragten, wie sie das denn nun online unterrichten sollen. Und wir haben uns dann umgeguckt und gefragt, welche Möglichkeiten es gibt, online Theater zu machen. Das hatte viel mit Fortbildung zu tun.
RS: Ich habe gemerkt, dass ich seit dem Shutdown quasi von vorne anfange, dass ich das Theater ganz neu Leuten schmackhaft mache. Theaterpädagogisch ist es ja wichtig, zu motivieren. Genau das war nun aber schwierig, diese direkte Brücke zu schlagen. Ich hatte meine Gruppe ja gerade erst kennengelernt und plötzlich war die Brücke weggebrochen. Das wiederherzustellen und mich dabei auch selbst zu motivieren, war nicht so leicht. Ich war zwischendurch sehr frustriert. Aber irgendwann, als ich meinen „neuen Job“ als Social-Media-Expertin und Video- und Schnitt-Beauftragte so richtig verstanden hatte, habe ich total Lust bekommen, meinen Aufgabenbereich zu erweitern. Manche aus der Gruppe sind dann drangeblieben, andere sind nun nicht mehr dabei. Manche hatten Lust, Theater weiterzudenken, zu fragen: „Was kann Theater sein?“ Und für manche ist Theater eben nur analog möglich.
BK: Zuerst dachten wir, dass ich, als die Älteste im Team, die letzte wäre, die einen digitalen Weg initiieren würde. Letztlich war es aber genau umgekehrt. Vielleicht weil bei unseren jüngeren Mitarbeiter-Innen oder Club-TeilnehmerInnen – Achtung, steile These – also bei jungen Leuten, die sich für das Theater interessieren, die Affinität zu digitalen Medien nicht so groß ist wie bei anderen jungen Leuten.
Wie war denn so insgesamt die Resonanz?
BK: Da gibt es durchaus Positives zu verzeichnen, nämlich das Ansteigen unserer Reichweite. Das House of Many, zu dem höchstens 70 Leute gehörten, hatte auf einmal doppelt bis dreimal so viele TeilnehmerInnen. Das ist ein Aspekt, der uns zu denken gibt. Möglicherweise erreichen wir jetzt Menschen, die wir ansonsten analog nicht erreichen. Vielleicht ist das auch eine Chance. Wir dürfen uns ja nichts vormachen, wir bewegen uns in einer Blase, auch in diesem Playstation-Jugendclub-Bereich haben wir eine Klientel mit einem ganz bestimmten Hintergrund Wir haben selten Menschen, die nicht schon aus bildungs- oder theateraffinen Haushalten stammen. Und es kann sein, dass uns der virtuelle Raum da hilft. Oder dass wir uns bewusst werden, wie eng wir eigentlich unsere Einladungen aussprechen, wie speziell der Zirkel ist, für den sie gedacht sind. Es gibt also diesen Moment, wie Rabea auch schon gesagt hat, an dem wir uns neu erfinden. Unser Arbeitsfeld wandelt und erweitert sich. Und es sind spannende Formate, die während der Conora-Zeit rauskommen sind.
RS: Ich finde, dass wir im Team stellenweise sogar über uns hinausgewachsen sind und uns intensiv fortgebildet haben. In allen Arbeitsfeldern ist etwas weggebrochen – aber auch dazugekommen. Diese neuen Erfahrungen möchte ich nicht missen. Jetzt die Souveränität zu haben, zum Beispiel mal im
Videochat geprobt zu haben, die Vor- und Nachteile erfahren zu haben – das ist großartig.
SEG: Ja, wir arbeiten sehr viel digital und versuchen, gute Übungen anzubieten. Das gelingt auch. Aber für mich bleibt es so, dass ich das Analoge mag und auch will.
BK: Es gibt diese guten Erfahrungen, und gleichzeitig ist das, was Saham sagt, ganz symptomatisch für Leute am Theater. Es gibt bei allen diese analoge Sehnsucht und die Hoffnung, dass das bald wieder geht.

Was ist denn für die nächste Spielzeit an analogen Projekten angedacht?
BK: Nächstes Jahr? Im Prinzip ist die komplette Workshoparbeit in den Schulen analog gedacht, allerdings versuchen wir alles hybrid zu denken. Im Ernstfall könnten wir dann alle Workshops auch digital anbieten. Und weil wir voraussetzen, dass die Schulen nicht immer die technischen Mittel haben, gehen wir mit unserem eigenen technischen Koffer in die Schulen. Es soll dazu noch ein größeres Projekt mit den Schulen geben, das sich zwischen Politik und Kultur bewegt und der Demokratie widmet. Darin sollen sich die SchülerInnen und eine Gruppe KünstlerInnen gemeinsam mit der Kinderrechtskonvention und den Sustainable Development Goals auseinandersetzen. Wir planen die Endpräsentation im Niedersächsischen Landtag, haben aber noch nicht das finale Okay erhalten. Zudem ist eine internationale Koproduktion mit dem Theater in
Groningen angedacht. Und natürlich sollen alle Playstation-Clubs und das House of Many weitergehen … analog oder eben digital.

 Interview: Christian Kaiser

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Büro für Eskapismus – Abtauchen in eine  andere Realität mitten in Hannover-Linden

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Büro für Eskapismus – Abtauchen in eine andere Realität mitten in Hannover-Linden


„Dritter.Vierter.77“ ist ein Fictional Reality Game des Büros für Eskapismus, bei dem die Grenzen von Realität und Fiktion verschwimmen, und bei dem das Spielerteam ein Rätsel im Stadtteil lösen muss. Dabei soll Frank bei der Suche nach seiner Silke geholfen werden, die am 3. April 1977 unter mysteriösen Umständen verschwand. Diese Form des immersiven Theaters hat Miriam Wendschoff ihr Leben lang begeistert. Mit ihrer Gründung des „Büro für Eskapismus“ hat sie in Hannover ihren Traum verwirklicht und bereits im ersten Jahr rund 700 Spielende begeistert.
Schon der Unternehmensname „Büro für Eskapismus“ ist ein Statement, klärt Miriam auf: „Ich glaube daran, dass das Bedürfnis, in andere Realitäten einzutauchen, für uns Menschen grundlegend ist. In fiktiven Welten erfährt man Dinge über sich selbst, kann neue Handlungsweisen in einem geschützten Raum testen und vieles mehr. ,Eskapismus‘ steht ja eigentlich negativ für ,Flucht aus der Realität‘ – bei uns wird es aber zu einem positiven Erlebnis, das viel Spaß macht, aber nicht unpolitisch sein muss.“
Vor vielen Jahren war sie als Studentin beim Edinburgh Fringe Festival in Schottland, erzählt Fictional-Reality-Game-Fan Miriam, und hatte beim Theaterfestival quasi ihr „Erweckungserlebnis“. Statt als Zuschauerin zur Bühne zu blicken, war sie plötzlich selbst mittendrin in der Handlung beim nächtlichen Rundgang durch die tiermedizinische Fakultät. Seitdem ist sie Fan von immersivem Theater und hatte bereits zu ihrer Zeit als festangestellte Dramaturgin am Schauspielhaus Bochum den Wunsch, mehr davon zu machen. Als dann die Escape Rooms aufkamen, wusste sie, das ist der richtige Zeitpunkt für ihr Angebot: „Immersives Theater und Escape Rooms haben viel gemeinsam. Bei uns gibt es aber kein starres Regelwerk, keine lange Einweisung, denn alles soll sich so anfühlen, als sei es ,real‘. Unser Spiel startet beispielsweise mit einer WhatsApp von Frank, und schon sind die Spielenden mittendrin. Hinter dem Start-Up steht natürlich ein Theaterkollektiv, ohne die Bühnenbildnerin Katharina Laage und ein Netzwerk vieler anderer KollegInnen, mit denen ich für verschiedene Projekte zusammenkomme, wäre das nicht möglich. Wir kombinieren Elemente des Theaters mit Escape Room, Installationen und Schnitzeljagd und bieten so ein ganz neues Erlebnis.“
Die Themen der beiden Spiele „Dritter.Vierter.77“ und „Siebter.Achter.49“ (nur noch bis Ende August spielbar), die das Büro für Eskapismus anbietet, kreisen inhaltlich um Themen mit gesellschaftlicher Relevanz,  wie den Klimawandel. Die Geschichte ist fiktiv, aber immer mit den realen Orten verbunden. „Während der Corona-Zeit haben wir ein Onlinespiel entwickelt, das wir kostenlos über die Website anbieten,“ berichtet Miriam über den momentanen Stand, und weiter über die Zukunftspläne: „Damit wollen wir gern an Schulen gehen. Den Workshopbereich will ich unbedingt weiter ausbauen. Theater, Gamification, räumliches Erzählen – ich mag Erlebnisse im analogen Raum und freue mich darauf, davon mehr zu machen. Auch Kooperationen mit Kulturzentren und Schulen wären super, da würden wir uns über Interesse freuen. Und 2021 soll es ein drittes Spiel geben. Wir hatten übrigens für die Accessoires, die wir in Linden installiert haben, jeweils Ersatz gekauft, weil wir Diebstahl befürchteten, aber da ist bis jetzt nichts weggekommen. Die Teilnehmenden zeigen viel Respekt. Klasse.“
Die behördlichen Hürden waren bei ihrer „Büro-Gründung“ schon immens, weil sie durch ihr spezielles Angebot nie in irgendwelche Standards passten, das kostete laut Miriam wirklich Nerven. Auch in der Corona-Krise haben sie das wieder erlebt, aber Anfang Juni durften sie endlich wieder öffnen. Ihr Tipp an Gründungswillige: „Unbedingt freiwillig weiterhin in die Arbeitslosenversicherung einzahlen (das muss man direkt bei der Gründung einleiten)! Dank der Beratung von hannoverimpuls bin ich dadurch während des Corona-Shutdowns vergleichsweise weich gefallen. Im Kulturbereich gibt es viele Berührungsängste mit Themen wie Wirtschaftsförderung. Da habe ich eine hohe Bereitschaft bei hannoverimpuls erlebt, sich auf uns und unsere Ideen einzulassen. Ich habe mit der Beratung wirklich Begleitung auf Augenhöhe gefunden. Das fühlt sich gut an.“

Miriam Wendschoff
www.buero-fuer-eskapismus.de
buero@buero-fuer-eskapismus.de

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Hofladen  Reverey

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Hofladen Reverey


Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben das Einkaufen regional erzeugter Lebensmittel für viele Menschen in den Fokus gerückt. Sei es aus Protest gegen Niedrigpreise und daraus folgende, miese Arbeitsbedingungen in der Lebensmittelindustrie, oder auch einfach nur aus dem Gedanken heraus, sich nicht an Supermarktkassen drängeln zu müssen – Hofläden erleben zurzeit einen regelrechten Boom. Für Hannoversche Stadtkinder* stellen wir einen besonders schönen, selbst mit dem Fahrrad gut erreichbaren Hofladen vor, den der Familie Reverey in Gehrden-Everloh.

Wer aus Hannover über Badenstedt und Lenthe
kommt, kann das große Hinweisschild am Ortseingang von Everloh kaum übersehen. Der Hof, auf den man gleich rechts einbiegt, ist seit 1546 im Familienbesitz und auch heute leben und arbeiten hier drei Generationen der Familie
Reverey. Weizen, Zuckerrüben, Raps, Kartoffeln und Gemüse wie Mangold, Rucola, Zucchini werden hier angebaut, außerdem verschiedene Kräuter und auch Blumen.
Der Hofladen, indem vieles hiervon angeboten wird, besteht schon seit 1963. Besonders schön ist, dass das Angebot durch Erzeugnisse anderer Betriebe der Region erweitert wird. So gibt es in der Kühltheke verschiedene Käse-sorten vom Bünkemühler Hof aus Asendorf und vom Thomashof in Burscheid sowie Quark, Joghurt und Mango-Lassi vom niedersächsischen Milchhof Grimmelmann. Schinkenspeck kommt aus einem Wunstorfer Betrieb und sogar Wildschweinwürstchen und Suppenhühner sind hier erhältlich. Weidehähnchen sind frisch zu bestellen, und wer mag, der kann sich auf der Weide nebenan schon mal mit seiner Martinsgans anfreunden. Wenn für die Gänse das Ende naht, kann man hier auch gleich einen Weihnachtsbaum kaufen, der auf der angrenzenden Fläche gewachsen ist. Inzwischen gehören selbst Knoblauch und Peperoni aus eigenem Anbau zum Sortiment.
Damit man nicht für fehlende Kleinigkeiten doch noch in die Stadt fahren muss, gibt es ein kleines Angebot an nicht regionalen Lebensmitteln. Zitronen, Bananen oder Paprika gehören dazu. „Hier achten wir aber sehr auf Qualität“, so Tanja Reverey, die sich um den Laden kümmert, bis ihre Tochter ihn (so hofft sie) übernehmen wird.
In einem offenen Holzschrank werden praktische und hübsche Gebrauchsgegenstände wie Brettchen, Schachteln und Schälchen, Küchenutensilien und Haushaltshelfer aus hellem Holz präsentiert, die in Göttingen hergestellt werden. In weiteren Schränken und Regalen stehen hausgemachte Marmeladen und Gelees, Brotaufstriche, Gewürze und Tees zur Wahl, außerdem Süßigkeiten wie Fruchtsaftbären und verschiedene Kekse. Auch raffinierte Dekoartikel aus Naturmaterialien wie Sisal und Holz sind zu erwerben, metallene Blumen- oder Tiermotive, dekorative Becher und Servietten sowie floral gemusterte Grußkarten. In geflochtenen Körben diverser Größen kann der Einkauf oder die herbstliche Pilzausbeute nach Hause getragen werden, im weiß-braunen Birkenkasten die nächste Balkonpflanze großgezogen werden.
Und auch Flüssiges gehört zum Angebot: Bredenbecker Liköre und Brände, Weine vom Weingut Müsel in Rheinhessen und Säfte aus der Privatkelterei Löffler. Und wer es nicht schafft, eigenes Obst vollständig zu verarbeiten, kann es hier vorbeibringen, um es von der Lohnmosterei zu hochwertigem Saft verarbeiten zu lassen. Für die Anlieferung der Ernte erhält man eine Gutschrift, die gegen Saft eingetauscht werden kann. So bekommt man zum Beispiel für 10 kg Äpfel 6 Flaschen à 1 Liter frisch gepressten, 100 % igen Saft. Wenn es zur Erntezeit wieder kühler wird, kann man sich über Kaminholz freuen, das man in Säcken verpackt, lose oder sogar nach Hause geliefert bekommt. Und wer sein eigenes Gemüse anbauen möchte, sich aber (noch) nicht an einen eigenen Schrebergarten herantraut, kann auf einem der Felder der
Revereys über das Onlineportal meineernte.de eine eigene Parzelle mieten. Der Clou: Man muss sich nur in der Zeit von April bis Oktober selbst um die bis zu 24 Gemüsesorten kümmern, die man auf Wunsch fertig gesät oder gepflanzt in der Erde vorfindet. Dann pflegt man die Pflänzchen ein paar Monate und kann am Ende der Saison sein eigenes Gemüse ernten. Und das Ernten ist ja sowieso das Schönste.
Annika Bachem und Anke Wittkopp

Hofladen Reverey
Harenberger Straße 16
30989 Gehrden (Everloh)
Tel. (05108) 48 50
www.hofladen.reverey.de

Öffnungszeiten 
Mo & Di    15 – 18 Uhr
Mi, Do, Fr    8 – 11 Uhr und 15 – 18 Uhr
Sa        7 – 13 Uhr

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Rolf Ohlendorf: Osterode und Hannover waren mir nie so nah!

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Rolf Ohlendorf: Osterode und Hannover waren mir nie so nah!


Seit 22 Jahren ist Rolf Ohlendorf aus der hannoverschen Theaterszene nicht mehr wegzudenken: Als Gründungsmitglied des Südstädter Komöd’chens und des Hannoverschen Show Ensembles kann er auf zahlreiche erfolgreiche Inszenierungen zurückblicken. Nach seiner Verrentung im Jahr 2018 begann Ohlendorf damit, seine Biografie zu schreiben, in der er die wichtigsten Etappen seines Lebens zusammenfasst: Die behütete Kindheit in Hildesheim, sein wechselhaftes Berufsleben und die Bundeswehrzeit, sein Coming-Out  und die Entdeckung seiner Liebe zum Theater, die ihn für immer verändern sollte. Herausgekommen ist ein sehr persönlicher, bisweilen urkomischer Bericht über ein bewegtes Leben.

Rolf Ohlendorf kam 1953 als viertes Kind des Waffelbäckers Willi Ohlendorf und seiner Frau Anna in der Orleansstraße 37 in Hildesheim zur Welt – eine Hausgeburt wie damals üblich. Von seinen Geschwistern trennt ihn ein großer Altersunterschied, dennoch ist das Verhältnis harmonisch, besonders zu seiner 20 Jahre älteren Schwester Erika. Sie ist nur eine der vielen starken Frauen, die Ohlendorf nachhaltig geprägt haben. Zu seinen liebsten Kindheitserinnerungen gehören die Besuche bei seiner Großmutter in Osterode am Harz, ein Ort, der im Laufe seines Lebens noch eine ganz andere Bedeutung bekommen sollte: Sein späterer Ehemann Peter Gärtner stammt ebenfalls von dort.
Nach der Schule fängt Ohlendorf in einem Handwerksbetrieb in der Nähe seines Elternhauses eine Lehre zum Waagen-Bau-Mechaniker an, die leider nicht sehr glücklich verläuft. Etwa zeitgleich beginnt er sich über seine sexuelle Orientierung klar zu werden, die im Licht der damaligen Moralvorstellungen, aber auch Gesetze als verwerflich gilt. Eine erschütternde Erfahrung macht er schon in früher Jugend, als er wegen des Kontaktes zu einem dänischen Pornoverlag, der homosexuelle Inhalte vertreibt, vor Gericht zitiert wird und schriftlich erklären muss, nicht schwul zu sein – was er aus Angst vor Repressalien, aber auch vor seinem in dieser Hinsicht vollkommen intoleranten Vater auf sich nimmt.
Die Entdeckung und Auslebung seiner Homosexualität, die Ohlendorf in mehreren „Gay Episodes“ schildert, ist eng verknüpft mit seiner Hinwendung zum Amateurtheater. Für dieses beginnt er sich nämlich kurz nach seiner Begegnung mit seinem jetzigen Partner Peter Gärtner zu interessieren, einem passionierten Hobbyschauspieler und Mitglied der Truppe „Kleines Hof Theater“ in Hannover Wülfel. Von ihm lässt sich Ohlendorf dazu ermutigen, sein eigenes Bühnentalent zu entwickeln, zunächst in kleineren Nebenrollen als Polizist und Schaffner. 1997 verlassen die beiden das Kleine Hof Theater und gründen das Südstädter Komöd’chen, aus dem sich dreizehn Jahre später auch das Hannoversche Show Ensemble herausbilden sollte. Im Laufe der Zeit entdeckt Ohlendorf außerdem seine Freude an Travestie-Auftritten, die er immer weiter später ausbaut, bis er schließlich sein bekanntes parodistisches Alter Ego Mr. Orlean erschafft – eine Anspielung auf seine Geburt in der gleichnamigen Straße.
In chronologischer Abfolge lässt Ohlendorf sein bewegtes Leben Revue passieren, das von tragischen Verlusten, schicksalhaften Begegnungen und nicht zuletzt vielen heiteren Momenten geprägt ist. Zahlreiche Fotografien ergänzen den Bericht und illustrieren viele kurzweilige Anekdoten aus dieser abwechslungsreichen Biografie.
AD

Osterode und Hannover waren mir nie so nah!
Eine Lebensgeschichte von 1953 bis 2019
Von Rolf Ohlendorf
tredition Verlag
ISBN: 978-3-7482-2656-7
148 Seiten
16,99 Euro

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Drummer Micha Fromm

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Drummer Micha Fromm


Was ist eigentlich Groove? Und wie kann ich das lernen? Auf diese Fragen gibt der hannoversche Drummer, Studio- und Tourschlagzeuger sowie Schlagzeuglehrer Micha Fromm in seinem Buch Antworten. Bei manchem mag Magie im Spiel sein, aber die Basis ist immer eine gute Technik. Und die kann man lernen. Ganz nebenbei bringt Micha Fromm Ordnung in die oft verwirrenden Begrifflichkeiten, die lernwilligen SchlagzeugerInnen in unzähligen Online Lessons oder Videos um die Ohren fliegen.
Studiert hat er zunächst Maschinenbau, bevor ihn dann doch die Musik packte. Es folgte nach einem 10-wöchigen Vollzeitkurs am Drummers Institute Düsseldorf ein Studium am drummer’s focus in Köln. Der Beginn einer beeindruckenden und abwechslungsreichen Schlagzeuger-Laufbahn. Mit 13 Jahren hatte er sich eine Platte von Velvet Viper gekauft, der Band der Metal-Sängerin Jutta Weinhold – heute ist Velvet Viper, mit der er beim letzten Wacken Open Air auftreten durfte, eins seiner Herzensprojekte. „Das ist eher untypisch für das, was ich sonst mache, aber ich habe früher viel Metal gehört und mag das einfach“, so der Drummer, der vor etwa 15 Jahren beschlossen hat, nicht den großen Durchbruch mit der eigenen Band zu suchen, sondern sich als Tour- und Studioschlagzeuger einen Namen zu machen. „Ich habe gemerkt, dass mir eigene Songs gar nicht so wichtig sind. Eine gute Coverband, oder eine die schlau Songs adaptiert, ist für mich genauso spannend. So muss ich mich auch gar nicht auf bestimmte Stilrichtungen festlegen.“
Wichtig ist ihm auch seine Band GoGorillas. „Wir covern 90er-Jahre-Musik, die uns einfach selbst gefällt und sind gut befreundet.“ Ansonsten wird er für einzelne Konzerte gebucht, zum Beispiel bereits von Peter Maffay oder Johannes Oerding, für ganze Touren oder auch für Aufnahmen im Studio. „Ich habe damals genetzwerkt wie wild, weil das die einzige Möglichkeit ist, genug Jobs zusammen zu kriegen. Wenn man sich schon anfangs auf nur einen Stil festlegt, kommt man da nicht rein. Nur als Jazz-Schlagzeuger würde er sich nicht bezeichnen, obwohl er durchaus auch in Jazz-Clubs unterwegs ist, mit Kim Sanders zum Beispiel. Zwei bis drei Tage wöchentlich unterrichtet er zusätzlich Schüler, gibt Workshops an der PPC Music Academy Hannover und schreibt für die Zeitschrift „DrumHeads!!“.
Das klingt nach viel Arbeit für den Vater eines Vierjährigen, der auch noch zwei Tage in der Woche als Ingenieur arbeitet. Durch die Corona-Pandemie brachen nun die Live-Gigs vollständig weg. Für Micha Fromm war das natürlich ein herber Einschnitt – aber auch eine Gelegenheit. Er nahm ein bereits vor Jahren angefangenes Projekt wieder in Angriff, ein besonderes Schlagzeug-Lehrbuch. „Eigentlich sammele ich dafür schon Material, seit ich 18 bin“, lacht der 42-jährige.
Das Buch richtet sich an Fortgeschrittene, fängt aber bei den technischen Grundlagen wie Schlagzeugaufbau und Stockhaltung ganz vorne an. Alle Übungen aus „Groove Workout“ sind als kurze Videos online abrufbar. Ganz klar soll das aber eine Ergänzung zum Unterricht sein und kein Ersatz. „Sich ganz allein hinzusetzen mit einem Buch, um Schlagzeug zu lernen, ist nie gut, da sollte schon jemand draufgucken, damit man sich nichts Falsches angewöhnt“, so der Drummer.
Im ersten Teil des Buches geht es um die Technik. Im Anschluss wird dann vermittelt, wie man musikalische Bausteine flexibel aneinanderreiht, statt fertige Figuren auswendig zu lernen. Eine Anleitung, sich selbst musikalisch zu entwickeln. „Viele Schüler lernen Licks auswendig, Phrasen, die sie mögen. Und sie wollen sie dann mit ihrer Band ständig einsetzen. Das ergibt aber musikalisch keinen Sinn.“
Ein Kapitel widmet sich auch den Soft Skills, der Motivation, Leidenschaft, Inspiration – und Gesundheit. „Als ich mal eine stressige Tour in China hatte, bei hohen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit, habe ich gemerkt, dass ich etwas ändern muss, damit ich das körperlich auf Dauer durchhalte“, so Micha Fromm, der seither Sport betreibt, sich gesund ernährt und kaum noch Alkohol trinkt. „120 Konzerte im Jahr, und jedes Mal hinterher feiern, das geht nicht lange gut.“
 Annika Bachem

www.michafromm.de

Videotrailer zum Buch auf Youtube: Groove Workout – Micha Fromm (TRAILER)

Groove Workout,
Micha Fromm, tredition, 148 Seiten, 24,95 Euro

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