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Der Freundeskreis im Gespräch im Oktober

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Der Freundeskreis im Gespräch im Oktober


In diesem Monat haben wir mit Joachim König (JK), Geschäftsleitung des HCC, und Patrick Döring (PD), Vorstandsvorsitzender der Wertgarantie gesprochen: Über die Zukunft der Stadt Hannover, über die Entwicklung der Arbeit – und wie sie vor allem für den Nachwuchs attraktiver werden kann. Beide sind Mitglied im Freundeskreis Hannover e.V.

Beginnen wir damit, dass ihr euch vorstellt: Wer seid ihr und was macht ihr?
JK – Mein Name ist Joachim König. Ich bin beruflich seit über 40 Jahren im Tourismus und Veranstaltungsgeschäft tätig und inzwischen seit fast 17 Jahren in Hannover und zuständig für das Hannover Congress Centrum, die gastronomische Versorgung der Heinz-von-Heiden-Arena und für die Gastronomie im Congress Hotel am Stadtpark. Nach Hannover bin ich damals ganz einfach aufgrund einer Stellenausschreibung für die Leitungsstelle im HCC gekommen. Die Herausforderung die Verantwortung in einem der größten messunabhängigen Kongress – und Veranstaltungs- Centren in Deutschland zu übernehmen war natürlich sehr reizvoll, und nach der langen Zeit, die ich jetzt schon dabei bin, kann ich sagen: Es hat sich in jeder Hinsicht gelohnt und war genau die richtige Entscheidung

PD – Ich bin Patrick Döring, bin 1992 zum Studium der Wirtschaftswissenschaft aus dem schönen ländlichen und beschaulichen Stade, zwischen Hamburg und Cuxhaven, nach Hannover gekommen – und bin seitdem hier, habe mein Studium abgeschlossen und 1999 als Assistent des Vorstands in der Wertgarantie angefangen. Seit 2020 bin ich Vorstandsvorsitzender dieser Unternehmensgruppe, die sich in der Zeit wahnsinnig entwickelt hat. Ich habe außerdem ein Ehrenamt in der Kommunalpolitik seit 2001 und bin Mitglied des Rates der Stadt. Von 2005 bis 2013 war ich für die FDP im Deutschen Bundestag; sozusagen als zweites Standbein. Ich kann über mich sagen, dass ich ein überzeugter und engagierter Wahl-Hannoveraner bin.

Die Wertgarantie war ja an den Smart City Days 2023 beteiligt – da haben wir uns gedacht, dass wir einmal über das Thema Nachwuchs mit euch sprechen. Das Thema dürfte euch ja gleichermaßen berühren. Wie sieht es zum Beispiel beim HCC aus? Hat man dort Nachwuchsprobleme?
JK – Es ist natürlich so, dass wir sowohl Arbeits- als auch Nachwuchsprobleme haben. Arbeitskräfteprobleme und auch Nachwuchsprobleme. Die Dinge, die da eine Rolle spielen, sind bekannt. Die muss man nicht groß ausführen. Wir haben eine demografische Veränderung, die war aber mit sehr viel Anlauf schon seit vielen Jahren erkennbar. Und wir stehen im Wettbewerb bezüglich der Möglichkeiten, junge Menschen dafür zu interessieren, die Berufe zu erlernen, die wir anbieten, und in der Branche zu bleiben. Wir sind nicht die attraktivsten Arbeitgeber*innen, denn wir haben mit unserer herausfordernden Anspruchssituation – was die Zeiten, Wochenend-, Feiertagsarbeit angeht, was aber auch insgesamt die Lohn- und Gehaltsstrukturen im Bereich der Gastronomie und der Veranstaltungswirtschaft angeht – nicht die attraktivsten Angebote. Damit hat schon immer eine gewisse Begeisterungsfähigkeit dazu gehört, und die ist, auch durch die Coronazeit, zusätzliche in wenig abhandengekommen.

PD – Natürlich findet man immer noch Talente und engagierte Nachwuchskräfte. Wir bilden auch mehr aus als je zuvor, aber die Soft Skills, die man mitbringen muss, um als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden, sind vielfältiger geworden. Wir haben ohnehin einen starken Wettbewerb in unserer Branche. Hannover ist der zweitgrößte Versicherungsstandort der Republik – und Wertgarantie ist das kleinste Unternehmen in Hannover. Das ist nicht neu. Neu ist aber die Diskussion über die Fragen: „Wie viel Zeit muss ich denn im Büro verbringen? Gibt es die Möglichkeit, Workation im Ausland zu machen? Wie digital seid ihr? Wie agil seid ihr? Wie schnell kann ich bereichsübergreifende Projekte mitgestalten als Neuling?“ Und diesen Fragen muss man sich stellen, da muss man Antworten drauf geben – und zwar realistische und ehrliche Antworten. Wenn man den Leuten ein X für ein U vorzumachen versucht, was man im betrieblichen Alltag dann nicht durchhält, dann sind die Leute noch schneller weg, dann gucken sie sich noch schneller um. Wichtig sind Klarheit und Wahrheit und auch als Führungskraft kontinuierlich an der Attraktivität der Arbeit zu arbeiten. Man darf auch nicht den Fehler machen, sich nur auf die, die man sucht, zu konzentrieren, weil man dann gegebenenfalls den Eindruck erweckt, dass man diejenigen vergisst, die sehr treu und sehr loyal über Jahre und Jahrzehnte dabei geblieben sind. Das hat dann auch eine enorme Sprengkraft und deshalb muss man diese Balance tatsächlich gerade in einem wachsenden Organismus sehr gut im Auge behalten. Es ist schon sehr anspruchsvoll geworden. Das Personalthema ist, muss ich sagen, in den letzten Jahren zu einem sehr, sehr starken Thema geworden im Vergleich zu all meinen Berufsjahren davor.

Es wurde schon gesagt, dass die Entwicklung teils lange im Voraus absehbar war. Wie hoch ist da dann der Frust?
JK – Es ist kein Frust. Es ist einfach so, dass man diese Herausforderung jetzt vernünftig beantworten muss. Denn wenn Frust in den Positionen, in denen Herr Döring und ich sind, eine Grundlage der Arbeit wäre, hätten wir uns an der falschen Stelle einsortiert. Es geht darum, das anzunehmen und damit umzugehen. Diese Entwicklungen waren schon vor Corona erkennbar, der demografische Wandel ist mit extrem langem Anlauf erkennbar gewesen. Nur die Dynamik ist eine andere. Jetzt muss man Antworten finden und ich finde es genau richtig, dass man offen und ehrlich ist. Das ist bei uns in der Branche auch wichtig, weil die Herausforderungen, die unsere Arbeitsplätze nicht für jeden gleichermaßen attraktiv machen, natürlich geblieben sind. Wir haben nun mal mit Veranstaltungen zu tun: Da sieht man gerne die bunten Scheinwerfer und die furchtbar wichtigen Menschen und Stars, mit denen man in Berührung kommt. Aber den Leuten muss eben auch klar sein, dass wir dabei die Dienstleister sind, die dafür sorgen, dass die Bühne für andere bereit ist und alles funktioniert. Das ist oft weit weniger sexy und spannend, als es auf den ersten Eindruck erscheinen mag. Ich habe auch bereits einzelnen Leuten gesagt: „Wissen Sie, ich habe ja verstanden, dass es das Thema der Work-Life-Balance gibt. Aber, wenn daraus eine Life-Work-Balance wird, dann wird es schwierig in unserer Branche.“ Was wir in unserer Branche haben ist eine große Flexibilität bezüglich Zeit und Aufwand und teilweise eine sehr projektbezogene Arbeitsstruktur, die viel Spielraum für unabhängige, selbstständige Arbeitsabläufe lässt. Das schafft Spielräume für Menschen, die gewohnt sind Verantwortung eigenständig in Arbeitsleistung umzusetzen und entspricht damit, meiner Meinung nach, durchaus in Teilbereichen an vielen Stellen den neuen, veränderten Erwartungen.

PD – Ich glaube, wir tun alle gut daran, das Thema Leistungsbereitschaft und Ergebnisorientierung auch in den Mittelpunkt unserer Führungsarbeit zu rücken und die Frage, wie man dann am Ende zum Ergebnis kommt, etwas in den Hintergrund zu stellen. Das ist die neue Führungsarbeit und die neue Führungsaufgabe, denn wir alle – und das merke ich auch an den Beschäftigten – haben den Anspruch, dass der Laden läuft. Und das immer wieder zu betonen, ist auch nicht falsch und auch nicht altmodisch. Trotzdem entbehrt das niemanden vor der Verantwortung und der Pflicht, einfach abzuliefern.

Wie sieht es denn mit der Erwartung für die nächsten Jahre aus? Wenn man von außen drauf guckt, dann kann ja die Erwartung eigentlich gar nicht groß sein, dass sich das über die nächsten Jahre irgendwie bessert.
PD – Ja, das wird so sein. Die Demografie hält sich … und die in den 70er-Jahren nicht geborenen Frauen werden heute auch keine Kinder bekommen. Das ist relativ einfach. Aber die Frage, wie die Menschen auf den Arbeitsmarkt blicken, die wird sich verändern. Ich bin ganz sicher, dass wir über die Frage, ob die Rente mit 63 eine kluge Entscheidung war, zunehmend kritischer diskutieren werden. Und ich nehme bei meinen älteren Arbeitnehmern auch wahr, dass die sehr gerne im Betrieb bleiben wollen, nur nicht Vollzeit. Also muss ich flexible Modelle bauen und sagen, dann fährst du eben bis 67 aus und arbeitest zwei Drittel, 50 Prozent, ein Drittel, aber du bleibst. Dieses Fallbeil, das wir in vielen Berufen immer noch haben, dass es mit 64½ oder wann auch immer zu Ende ist, ist falsch: Dann bist du von 100 auf 0. Das ist so gestrig. Wir können den Unternehmen flexible Modelle anbieten und sollten das auch zunehmend tun. Aber wir brauchen dann auch die Rahmenbedingungen, dass es für beide Seiten attraktiv ist, und dann werden auch genügend Menschen länger in der Arbeit bleiben.

JK – Ich glaube auch, dieses Thema ist ein Wechselspiel. Also die Erwartungen, dass es besser wird, habe ich sehr wohl. Wobei, die Dinge müssen sich unter den neuen Parametern einfach neu finden. Und das wird passieren. Die jungen Menschen haben ja auch heutzutage vergleichbare Qualitäten und wollen sich entwickeln und Perspektiven aufgezeigt bekommen und Dinge erreichen. Die Autonomiebereitschaft muss einfach eine sein, die Work und Life miteinander kombiniert. Und wenn das Miteinander in neue Formate übergeht und wir dann auch Chancen nutzen, Menschen, die fehlen, durch Optimierungsprozesse in technischer und anderer Hinsicht sozusagen zu ergänzen und uns dann neu aufzustellen, dann wird das auch ein Modell sein, das funktioniert.

PD – Ich würde mal gerne auch über die Frage sprechen, wie attraktiv eigentlich Hannover für den Nachwuchs ist? Die Debatte, die die Stadtgesellschaft gerade über das Image Hannovers führt, verbindet uns natürlich auch. Und deshalb lohnt es sich vielleicht auch darüber zu diskutieren, wie wir es schaffen, dass Hannover seine Attraktivität steigert. Wir müssen uns fragen: „Wie wollen wir eigentlich sein?“. Ich glaube, die Debatte beginnt gerade an vielen Stellen in der Stadt. Und die Frage, wie attraktiv Hannover auch als Standort ist, ist für ein Unternehmen, das hier Arbeitskräfte sucht, extrem wichtig.

Wie erklärt ihr euch das schlechte Image?
PD – Schlecht ist es, glaube ich, nicht. Ich glaube, wir haben gar keins.

JK – Ich glaube, die neue Diskussion, was das Image angeht, ist gar nicht so ganz neu. Zukünftig wird es, wahrscheinlich noch ein wenig mehr als in der Vergangenheit, darum gehen, dass man versucht, herausragende Themen herausragend zu positionieren. Also die Leuchttürme zu definieren und zu bestimmen. Es ist wichtig, die Grundlage – also das, worin man gut ist – zu verbessern und stärker zu werden und weniger darum, etwas anzufangen, bei dem man sich eher im hinteren Wettbewerbssegment befindet. Die Plattform ist hervorragend. Da ist wird in Hannover teilweise immer noch dramatisch unterschätzt. Im Übrigen häufig von den Hannoveraner*innen selber.

PD – Ja, das sehe ich komplett genauso. Wir haben Zentralität, also Erreichbarkeit – mega. Die Lebensqualität, wenn man den Radius von 400 Metern rund um den Bahnhof mal ausblendet, ist super. Einkaufsmöglichkeiten, gastronomische Möglichkeiten, auch wieder Sterneküchen. Auch das macht viel aus für das Image einer Stadt. Wir haben mit den Gärten, mit dem Maschsee, mit der Eilenriede, Naherholungsmöglichkeiten wie kaum eine Stadt in unserer Größe. Und wir haben so wahnsinnig diverse Stadtteile, aber ein bisschen mehr Selbstbewusstsein – da bin ich total bei Herrn König – ist auch nicht falsch. Ich gehöre ja, wie gesagt, zu den enthusiastischen Hannoveranern. Ich habe zum Beispiel entschieden, dass der jährliche große Kongress, den wir früher immer irgendwo in Deutschland abgehalten haben, nicht nur jetzt im Jubiläumsjahr – 60 Jahre Wertgarantie –, sondern auch zukünftig immer hier stattfindet. Hier ist unser Standort, hier ist die Firma gegründet worden, hier ist die Veranstaltung. Auch das ist ein Mindset. Und da fehlt es uns manchmal auch. Das Besondere an Hannover war doch früher, dass wir irgendwie immer diese Internationalität, die eine große Industriemesse mitbringt, auch gespürt haben in den Restaurants, in der Kultur, überall … Dann ist da immer was hängen geblieben. Und dann ist es so ein bisschen verloren gegangen, finde ich.

JK – Es ist dann auch die Herausforderung als Partner der Veranstalter in jeder Stadt, wo große Messen und Kongresse stattfinden, attraktive, unterstützende Geschichten zu entwickeln und Teile der neuen Formate in die Stadt zu holen. Die Menschen merken natürlich, wenn sie von auswärts kommen, ob sie willkommen sind oder nicht. Also diese Gastfreundschaft, die muss in der Breite und authentisch da sein. Und auf der Gastfreundschaft basiert dann der Erfolg in der mittelfristigen Ausprägung. Und das erfordert ganz häufig einen anderen Aufwand und eine andere Anstrengung, als früher. Da war es nämlich schon einmal unkomplizierter und bequemer. Am Beispiel Veranstaltungen festgemacht: Das Konzept für eine Ballveranstaltung. Das hat man vor zehn, zwanzig Jahren einmal gemacht – und dann hat man zehn Jahre lang nichts ändern müssen … außer, dass man jedes Jahr die Band getauscht hat. Wenn ich heute nicht bei jedem Format jedes Jahr mindestens drei, vier neue Aspekte anbiete, sagt das kritischere, jüngere Publikum mit weniger Treue zur Veranstaltung sofort: „Das ist ja doof und langweilig, da gibt es ja andere Formate, dann gehe ich da hin.“ So ähnlich sind eigentlich auch die neuen Herausforderungen, sowohl in der Stadt als auch in der gesamten Entwicklung, im Kongress-, Messe- oder Eventbereich.

Christian Kaiser

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