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Randgruppenbeleidigung im November

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Randgruppenbeleidigung im November


Verwaltungsadel

Du bist schon viele Jahre dabei, du weißt Bescheid, du kennst alle Abläufe, alle Paragrafen, alle Formulare, alle Interna. Dir kann niemand mehr irgendwas erzählen, du weißt, was geht, und vor allem, was nicht geht. Und du hast es dir ganz nett eingerichtet in deinem Büro, unentbehrlich in der zweiten Reihe.
Über dir nur jene, die im Zweifel den Kopf hinhalten müssen, die kommen und gehen, unter dir alle anderen, die immer unter dir bleiben, weil du klebst, wo du klebst.

Du bist ein mächtiges kleines Rädchen im großen Getriebe, eine Instanz im Staat, ohne dich geht gar nichts und wenn du den Daumen senkst, haben sie verspielt.
Alle, die zu dir kommen, nein, nicht zu dir, zu denen über dir. Und sie kommen ja ständig, diese verdammten Bettler, diese Bittsteller mit ihren ärgerlichen Ideen. Diese Zwerge, die sich auf Augenhöhe wähnen mit denen über dir und auch mit dir. Lächerlich! Wie naiv. Wissen die denn gar nichts? Und dann machen sie ihre Vorschläge während ihrer Audienz, wollen etwas auf die Beine stellen, meinen, dass sie es besser wissen, dass sie es besser können, doch was sie erzählen, das hast du schon längst alles zigmal gehört und durchdacht, da musst du gar nicht lange zuhören, da weißt du schon nach den ersten Worten, in welche Richtung der Daumen zeigen wird. Oder dir passt einfach das Gesicht nicht. Kann auch passieren. Hat die gute Idee eben Pech gehabt.

Und abends liegst du dann in deinem Bettchen im netten Häuschen vor der Stadt und neben dir schnarcht es schon friedlich und du lächelst zufrieden, denn du hast heute wieder viel Schaden abgewendet, du hast deine Verwaltung geschützt, da waren Bürger*innen, die hatten Eigeninitiative im Sinn, die wollten etwas bewegen, solche Vorhaben muss man natürlich im Keim ersticken, denn was bedeuten derartige Späße für dich und deine Verwaltung? Noch mehr Arbeit, ganz genau. Und das geht nicht, das gilt es mit Macht zu verhindern. Und dann dauert es eben mal ein paar Tage länger, dann kann die Antwort auf die Mail warten, bis alle Fristen verstrichen sind. Und während du so darüber nachdenkst und dabei die ratlosen und enttäuschten Gesichter der Bürger*innen vor dir siehst, wird es dir ganz warm, aber nicht ums Herz, sondern an gänzlich anderer Stelle. Wenn die wüssten … Wie machtlos, wie hilflos sie sind. Und du bist unangreifbar, fest verankert in der Hierarchie und gut abgesichert, denn du hast das Spiel verstanden. Wer handelt, wer agiert, wer sich bewegt, der macht im Zweifel Fehler, der macht sich angreifbar. Also simulierst du seit Jahren Aktivität und minimierst so dein Risiko.

Ach, gäbe es doch nur ein paar weniger von deiner Sorte, keiner Verhinderer, sondern Ermöglicher, ohne Dünkel und Arroganz, was könnte alles wachsen und gedeihen? Doch leider wächst nur wenig bis gar nichts, weil der Verwaltungsadel an Veränderungen kein Interesse hat. #Entmachten!
GAH

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