Ein letztes Wort im Oktober …

Herr Weil, unser letztes Interview vor der Wahl in Niedersachsen. Ganz sicher haben wir danach in unserer November-Ausgabe noch ein Interview mit Ihnen als Ministerpräsident. Ob auch im Dezember, das entscheiden am 15. Oktober die Wählerinnen und Wähler. Jetzt im September haben sich Ihre Umfragewerte wieder deutlich verbessert, aber angenehm waren die letzten Wochen für Sie trotzdem nicht, oder?
Nein, vor allem nicht im August. Der August war wirklich nicht vergnügungssteuerpflichtig, da kam sehr viel zusammen. Der Verlust der Mehrheit im Landtag, die Auflösung des Landtags, die Entscheidung für Neuwahlen, parallel dazu eine unangenehme Kampagne, die in Sachen Volkswagen gegen mich gefahren wurde. All das bedeutete viel Druck und viel Arbeit. Denn es ist ja nicht immer leicht, richtig zu stellen, was Falsches behauptet wird. Also, den August 2017 hätte ich persönlich nicht gebraucht, mir hätten in diesem Jahr elf Monate gereicht. Aber jetzt im September laufen die Dinge schon wieder wesentlich besser. Wir hatten einen exzellenten SPD-Parteitag, nicht allein wegen der 100 Prozent Zustimmung, sondern weil die Stimmung in der SPD insgesamt wirklich gut war und ist, hochmotiviert und geschlossen. Das gibt mir Sicherheit und Rückhalt. Inzwischen haben wir auch eine deutliche Veränderung bei den Umfragen in Niedersachsen. Ich bin also, was den 15. Oktober angeht, sehr zuversichtlich.

Wird es noch mal laut und unsauber werden in den letzten beiden Wochen vor der Wahl?
Das hoffe ich nicht, aber wer weiß. Ich glaube, dass die CDU nicht damit gerechnet hat, es so schnell mit einer SPD im vollen Wahlkampf-Modus zu tun zu bekommen. Viele SPD Mitglieder sind sehr engagiert mit dabei – gerade auch wegen des fragwürdigen Wechsels von Frau Twesten. Sie waren wütend über die Art und Weise, wie die Entscheidung der Wählerinnen und Wähler für eine Rot-Grüne Mehrheit in das Gegenteil umgekehrt wurde. Das gehört sich so nicht. Jetzt wollen sie den Wählerinnen und Wählern zeigen, warum Niedersachsen auch in Zukunft eine SPD-Regierung braucht.

Bei der CDU sitzt ja ebenfalls der Stachel tief. So ganz angekommen ist man in der Opposition nicht in den vergangenen Jahren. Ist das ein Grund, warum es teilweise so laut und schmutzig zugeht. Fühlt man sich ungerecht behandelt – und darum ist fast alles erlaubt?
Ich denke, dass viele führende CDU-Mitglieder die Wahlniederlage 2013 als eine Art Betriebsunfall betrachtet haben. Und das auch noch immer so sehen. Sie haben vom ersten Tag der jetzt ablaufenden Legislaturperiode eine sehr harte Gangart eingelegt und diese Haltung auch über die Interessen des Landes gestellt. Das Verhältnis zwischen CDU und SPD ist seit längerem mehr als unterkühlt. Und die Causa Twesten hat noch eins draufgesetzt.

Momentan bekommen Sie vor allem Kritik beim Thema Bildungspolitik, auch von vielen Lehrerinnen und Lehrern. Ich kann mich erinnern, dass auch Herr Althusmann damals als Kultusminister bei den Lehrern für sehr viele ärgerliche Stimmen gesorgt hat, jetzt scheint man ihn wieder mehr zu mögen? Ist Althusmann der Kandidat der Lehrer?
Ganz sicher nicht. Er mag vielleicht der Mann des Philologenverbandes sein, er ist ganz bestimmt nicht der Mann der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Aber zur Kritik: Schulpolitik ist immer ein sehr heißes Eisen in der Landespolitik. Und mir liegt momentan vor allem ein Punkt sehr am Herzen. Ich will sehr rasch wieder eine Unterrichtsversorgung von 100 Prozent und mehr. Die konnte es in diesem Schuljahr nicht geben. Warum nicht? Punkt eins: Die 22.000 neuen Schülerinnen und Schüler, die wir durch die Flüchtlingswelle zusätzlich in unseren Schulen haben, machen sich bemerkbar. Und Punkt zwei: In diesem Jahr haben nur 400 Grundschullehrer ihre Ausbildung abgeschlossen. Im nächsten Jahr werden es wieder 1.000 sein, in den Folgejahren ebenfalls. Wir haben also jetzt eine befristete, nicht von uns verursachte Durststrecke zu überwinden. Aus diesem Grund mussten Gymnasiallehrer gebeten werden, vorübergehend an Grundschulen auszuhelfen. Ich halte das wirklich für gut vertretbar. Es gibt in diesem Zusammenhang allerdings einen Punkt, an dem sich aus meiner Sicht berechtigter Ärger entzündet hat: Viele Lehrkräfte und Schulen sind erst kurz vor Schuljahresbeginn über die Abordnungen informiert worden. Warum das passiert ist, konnte die Landeschulbehörde nicht erklären. Das ist wirklich ärgerlich.

Jetzt bringen Sie mich aber leicht aus der Fassung. Seit wann geben Politiker Fehler zu? Nach meiner Erfahrung machen Politiker, zumal regierende Politiker, nie Fehler.
Natürlich machen wir Fehler. Und ich habe auch kein Problem, das zuzugeben. Jeder Mensch macht Fehler. Aber natürlich rede ich noch lieber über das, was wir gut und richtig gemacht haben. Wir haben zum Beispiel als erstes Bundesland in Deutschland das Turboabitur wieder abgeschafft. Und die Schülerinnen und Schüler, die heute nach acht Jahren das Abitur machen, ärgern sich, dass Rot-Grün in Niedersachsen nicht schon früher an die Regierung gekommen ist. Wir haben die Ganztagsschulen enorm ausgebaut. Wir sind deutlich vorangekommen bei der frühkindlichen Förderung, bei den Kitas und Krippen – da ist sehr viel auf einem sehr guten Weg.

Überzeugen Sie mich doch mal als Gymnasiallehrer, Sie zu wählen.
Das beste Argument ist G9. Wir stellen fest, dass seit der Entscheidung für G9 die Zahl der Schülerinnen und Schüler an den Gymnasien wieder deutlich wächst. Das war also gerade für diese Schulform eine wichtige Maßnahme und der beste Beweis dafür, dass die Gymnasien gut behandelt worden sind und weiter gut behandelt werden. Hinzu kommt, dass auch viele Gymnasien jetzt ein deutlich besser ausgestattetes Ganztagsangebot haben. Das schätzen auch viele Gymnasialeltern. Aber ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass der Philologenverband dies offen bestätigen würde.

Die von der SPD geführte Landesregierung wollte und will den Gymnasien also gar nicht an den Kragen?
Nein, warum sollten wir? Im Gegenteil, wir haben die Gymnasien geschützt und sie können sich jetzt gut weiterentwickeln. Wir unterstützen alle Schulen in Niedersachsen sehr nachhaltig in ihrer Qualitätsentwicklung.

Ich muss ja zugeben, dass mich der Philologenverband hin und wieder ebenfalls ein bisschen irritiert. Das klingt mir manchmal sehr nach Lobby-Arbeit. Es geht um die Interessen der Lehrerinnen und Lehrer, die Interessen der Kinder spielen aus meiner Sicht nur eine untergeordnete Rolle.
Der Philologenverband meint die Interessen der Lehrerinnen und Lehrer zu vertreten, wenn man genau hinschaut, tut er das nicht wirklich. Aber er poltert oft laut und unangemessen. Ein Beispiel ist das Thema Inklusion an Gymnasien. Wenn man manche Verlautbarungen liest, könnte man den Eindruck haben, es gebe da ein riesiges Problem. Tatsächlich aber gibt es bislang in Niedersachsen nur ein paar hundert Schülerinnen und Schüler mit erhöhtem Förderbedarf, die überhaupt ein Gymnasium besuchen. Ich war aber kürzlich zu Gast im Kurt-Schwitters-Gymnasium in Misburg. Dort hat man mir gezeigt, dass Inklusion an Gymnasien richtig gut laufen kann.

Okay, Gymnasiallehrer dürfen also die SPD wählen. Was ist mit Eltern, die ein dreijähriges oder fünfjähriges Kind haben?
Die sollten natürlich ebenfalls SPD wählen. Beispielsweise weil Niedersachsen bei der Betreuungsqualität in den Kitas inzwischen auf Platz drei von 16 Ländern steht. Das war vor einigen Jahren noch völlig anders. Wenn das Kind noch in der Krippe ist, erlebt es dort die „dritte Kraft“, die wir eingeführt haben. Eine kleine, aber mit insgesamt 180 Millionen Euro enorm kostenintensive Maßnahme. Wir haben damit dafür gesorgt, dass Förderung tatsächlich schon bei den ganz Kleinen stattfindet. Wir haben uns in diesem Bereich sehr gestreckt und so wird das auch weitergehen. Wir werden in der nächsten Legislatur die Kita-Gebühren in Niedersachsen abschaffen.

Wird das definitiv kommen, wenn Sie gewählt werden?
Ja. Das ist unser Leitprojekt und dahinter steckt für mich durchaus mehr: Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein. Das ist ein wesentlicher Grundsatz für Sozialdemokraten. In einem ersten Schritt haben wir die Studiengebühren abgeschafft. Und wir werden auch das Schulgeld abschaffen, das bei vielen Berufsausbildungen immer noch erhoben wird. Und eben die Kita-Gebühren. Am Ende haben wir ein durchgängig gebührenfreies Bildungssystem in Niedersachsen. Das wäre wirklich ein Quantensprung.

Sie scheinen ganz zufrieden mit Ihrer Arbeit. Wenn man der CDU zuhört, haben Sie aber die ganzen letzten Jahre kaum gearbeitet.
Nach dem Verständnis der CDU in Niedersachsen darf eine Opposition kein gutes Haar an einer Regierung lassen. Erfreulicherweise sehen die Bürgerinnen und Bürger das ganz anders, in den Umfragen wird eine ausgeprägte Zufriedenheit mit der Landesregierung sichtbar, übrigens durchaus auch bei CDU-Mitgliedern. Wir können mit Fug und Recht sagen, dass Niedersachsen noch nie so stark war wie gerade jetzt. Und das obwohl die letzten Jahre auch sehr vom Aufräumen der Hinterlassenschaften der CDU geprägt waren. Nehmen Sie das Turboabitur, nehmen Sie das Thema Studiengebühren, nehmen sie die Castor-Transporte. Unsere Vorgänger hatten uns viele Baustellen hinterlassen. Und wir haben sogar den Haushalt saniert. Niedersachsen macht keine neuen Schulden mehr und trotzdem sind wir in der Lage zu investieren. Es ist wirklich extrem viel passiert in den letzten Jahren. Mit dieser Bilanz kann man nur sehr zufrieden sein. Und auf dieser jetzt soliden Grundlage würde ich nur zu gerne aufbauen und weitermachen. All diese positiven Entwicklungen weiter voranzutreiben, das reizt mich ungemein.

Interview: Lars Kompa


Schlagwörter:

Diesen Beitrag kommentieren

Stadtkind twittert