Blutrausch

Aus der Rubrik „Andersch“

Alle paar Wochen treffe ich mich mit einigen Freundinnen zu einem sogenannten „Mädelsabend“. Das ist eine reizende Tradition sämtlicher Kulturkreise, bei der Personen weiblichen Geschlechts am späten Nachmittag zusammenkommen, um sich mehrere Stunden lang gemeinsam mit typisch weiblichen Freizeitaktivitäten zu beschäftigen, bis die späte Uhrzeit und der Pegel konsumierten Alkohols die Heimfahrt unvernünftig machen und die Veranstaltung in einer „Schlummerparty“ mündet.

Auch unser letzter Mädelsabend verlief ziemlich typisch und normal. Wir saßen in unseren Einhornpyjamas auf meiner Wohnzimmercouch, Kinga und Yael zockten Videospiele und Elke und ich hackten die Benutzerprofile von Facebook-Trollen, während immer wieder eine Platte mit Rollmöpsen und Mettschnittchen herumging. Als Kingas Avatar gerade einen ihrer Gegner von oben bis unten mit der Machete aufgeschlitzt hatte und die Gedärme nebst literweise Blut auf den Boden splatterten, schien das Yael auf einen Gedanken zu bringen. „Hat sonst noch jemand von euch grad seine Erdbeerwoche?“ Elke hob seufzend ihren Arm, bevor sie sich noch ein Glas meines Spezialcocktails einschenkte, in dem Rum eine Hauptrolle spielt. „Immerhin Zwei von Vieren“, murmelte Yael und prostete ihrer Leidensgenossin zu. „Mein Exfreund dachte ja, dass alle Frauen exakt zeitgleich menstruieren, natürlich wegen des Mondes.“

Ein genervtes Raunen ging durch den Raum. „Manche Männer wissen schon erstaunlich wenig über die Periode“, meckerte Kinga und biss in eine Mettschnitte. „Als das in der Schule drankam, haben die wohl schlichtweg auf Durchzug geschaltet – ist ja ein Frauenthema! Wisst ihr, was mein Bruder dachte, bevor er seine erste Freundin hatte? Dass wir eine blaue Flüssigkeit ausbluten – wegen der Always-Werbung!“ Wir lachten spöttisch, während Kinga ihr nächstes Opfer enthauptete.

„Das ist noch gar nichts gegen Atze“, warf Yael ein, die zunehmend an dem Thema Gefallen fand. „Atze hat geglaubt, dass wir Mädels unser Periodenblut kontrolliert auspinkeln könnten und dass ich nur deshalb Binden tragen würde, weil ich inkontinent sei! Er hat mich sogar einmal gebeten, dass ich meine Periode verlege, damit sie nicht mit seinem Geburtstag zusammenfällt, oh Mann…“ „Ja, ich erinnere mich, dass du lange vor seinem Geburtstag mit ihm Schluss gemacht hast“, bemerkte Kinga. „Hat er nicht auch gedacht, dass wir pro Zyklus ein echtes kleines Ei unten rauspressen, so von der Größe einer Marzipankartoffel?“ „Das war schon Marco. Den Honk hab ich auch nicht sehr lange mit mir rumgetragen.“ Sie schnalzte missbilligend mit der Zunge. „Wenn‘s ja nur die Unwissenheit wäre, dann könnte man die Typen in dem Bereich ja leicht nachschulen. Aber manche wollen eben auch gar nichts über diese Bäh-Bäh-Themen lernen.“

„Manchmal kann Unwissenheit aber auch ganz schön verletzend sein“, gab Elke leise zu bedenken und blickte ein wenig traurig in ihr Glas hinein. „Mein Vater zum Beispiel hat mir Tampons verboten, weil er meinte, die würden mich entjungfern. Danach konnte ich mein regelmäßiges Schwimmtraining natürlich vergessen. Und Schmerztabletten durfte ich auch keine nehmen, weil es ja nur richtig sei, dass ich für die Sünden von Eva leide.“ Wir alle gaben unserer Missbilligung in nicht druckreifer Sprache Ausdruck. „Was macht ihr eigentlich so bei Regelschmerzen?“, wechselte Yael nach einer Weile das Thema. „Ausruhen“, sagte Elke. „Marathon laufen“, erklärte Kinga. „Und du, Anne? Was machst du?“ Da ich gerade einen kniffligen Code vor mir hatte, blickte ich nicht vom Bildschirm auf, während ich antwortete: „Die alte Bettwäsche auflegen und mir die Schmerzen wegvögeln.“

An der darauffolgenden Stille konnte ich ablesen, dass meine Enthüllung doch ein kleiner Schock für sie war. Manchmal brachte mich die niedliche Prüderie meiner Freundinnen zum Schmunzeln. Um ihre Verwirrung zu beheben, hielt ich ihnen einen kurzen Vortrag darüber, dass mit der Monatsblutung die libidohemmende Wirkung des Hormons Progesteron wegfällt, weshalb viele Frauen die Zeit ihrer Menstruation als lustvoller empfinden. Des Weiteren führte ich aus, dass so ein Orgasmus in diesem Zeitraum eine sehr entspannende Wirkung habe, da er die Krämpfe löst und die Laune aufpoliert. „Wichtig ist nur, dass man trotzdem verhütet. Und natürlich sollte der Partner auch darauf stehen – ein ‚Bloodhound‘ sein, wie man in Fachkreisen sagt. Dann steht dem Spaß nichts mehr im Weg.“

Offenbar hatten meine Ausführungen sie beeindruckt. Yael war sichtlich fasziniert. „Wow, hätte ich das mal gewusst!“, stöhnte sie, „warum weiß man sowas nicht?“ „Genau!“, rief Kinga, „ich finde, das sollte öffentlich bekannter sein, damit mehr Leute es einmal ausprobieren! Vielleicht könnte man das mal in einer Zeitschrift bringen?“ „Yo, ich kenn da eine, die sind sich vor nix fies!“ „Meinst du die mit der Kolumne?“ „Schreibt gerne meinen Namen drunter“, murmelte ich und wandte mich wieder dem Profil von c*ntdestroyer57 zu.

Anne Andersch


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