Ein letztes Wort im August

Herr Weil, für diese Ausgabe habe ich die Fragen der Klasse 9c der Leonore Goldschmidt Schule überlassen. Hier kommt Frage 1: Was sind die Gründe dafür, dass die Digitalisierung in den Schulen und für die Schüler*innen so lange dauert? 
Die Digitalisierung in den Schulen ist unterschiedlich schnell vorangeschritten. Einige waren schon zu Beginn der Pandemie sehr weit, andere haben sich dem Lernen mit digitalen Medien langsamer genähert. Das lag teilweise an fehlenden Geräten, teilweise aber auch daran, dass sich Lehrerinnen und Lehrer erst einmal mit dieser neuen Herausforderung auseinandersetzen mussten. Ich habe den Eindruck, dass im letzten Jahr viel geschehen ist in diesem Bereich. In manchen Schulen hat es richtig gut geklappt, eine niedersächsische Schule hat dafür den Deutschen Schulpreis bekommen.

Welche Maßnahmen sind zur Verbesserung eines weiteren potenziellen Homeschoolings geplant?
Erst einmal hoffe ich, dass es im nächsten Schuljahr nicht mehr zum Homeschooling kommen muss, und wenn, dann nur sehr selten. In erster Linie sollen alle Schülerinnen und Schüler wieder in der Schule zusammen mit anderen lernen können. Sollte doch wieder Wechselunterricht notwendig werden, kann man in den meisten Schulen sicher gut an Erfahrungen des letzten Schuljahres anknüpfen. Und in der Zwischenzeit ist oft auch die technische Ausstattung besser geworden.

Sehen Sie Luftfilter in Schulen als eine geeignete Maßnahme an, um bei höheren Inzidenzen ohne Maske Unterricht abhalten zu können?
Auch Luftfilter können nicht alle Viren aus der Luft herausholen. Nach meinen Informationen bleibt die sicherste Methode nach wie vor regelmäßiges, intensives Lüften – und Luftfilter sind dafür eine sinnvolle Ergänzung. Deswegen fördern wir als Land auch die Anschaffung solcher Anlagen.

Für Einige von uns war die psychische Belastung in der langen Zeit des Homeschoolings sehr hoch. Wie sind Ihre Pläne für eine potenzielle nächste Welle, um diese Problematik zu verhindern?
Das kann ich sehr gut verstehen, dass euch das Homeschooling in den meisten Fällen sehr belastet hat. Es ist uns auch sehr schwer gefallen, diese Maßnahme anordnen zu müssen. Ich habe mich in den letzten Wochen mit vielen Schülerinnen und Schülern direkt unterhalten. Sie haben mir berichtet, wie schwierig das zuhause mitunter war. Das wollen wir im neuen Schuljahr so gut wie möglich vermeiden. Dabei setzen wir auf das Maskentragen und auf den Abstand, soweit es möglich ist, und auf ganz viel Lüften. Außerdem wird es noch einmal mehr Tests geben. Und – ehrlich gesagt – hoffe ich sehr, dass sich viele Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern gemeinsam fürs Impfen entscheiden. Das ist noch der beste Schutz und ich glaube, unterm Strich überwiegen die Vorteile deutlich.

Viele Schüler hatten durch langsames Internet nicht die Möglichkeit, regelmäßig am Unterricht teilzunehmen. Welche Möglichkeiten sind geplant, um stabiles und schnelles Internet für alle Schüler*innen im Homeschooling zu gewährleisten?
Noch einmal: Vor allem versuchen wir, Homeschooling zu vermeiden – und in Hannover sollte ein gutes Netz auch verfügbar sein. Landesweit haben wir bei der Netzversorgung gute Fortschritte gemacht, aber vor allem in ländlichen Regionen mit wenig Bevölkerung ist noch manches zu tun.

Was halten Sie von einer Impflicht für Schüler*innen?
Von einer Impfpflicht für Schülerinnen und Schüler, aber auch für Erwachsene halte ich nichts. Ich hoffe sehr darauf, dass junge und ältere Menschen selbst erkennen, dass es klug ist, sich zu impfen. Impfen schützt einen selber vor einer Infektion mit dem Coronavirus, es schützt die eigene Familie und die Freunde und Bekannten und es schützt auch unsere Gesellschaft. Insofern kann jede und jeder von Euch etwas dazu beitragen, dass wir diese Pandemie in den Griff bekommen.

Die Schulden des Landes sind im Rahmen der Corona-Krise sehr stark angestiegen. Müssen wir dafür die Zeche zahlen?
Vor etwa zehn Jahren waren wir in einer ähnlichen Situation, nach der sogenannten Weltfinanzkrise. Damals ist es gelungen, dass sich die Wirtschaft schnell wieder erholt hat – und danach auch die Staatskasse. Genau daran arbeiten wir jetzt auch wieder.

Wie werden die Menschen in der Gesellschaft gestärkt, die durch Corona alles verloren haben?
Es gibt sehr große Unterstützungsprogramme, der Staat hat durch eine gemeinsame Anstrengung von Bund und Ländern bereits vielen Betroffenen helfen können. Dennoch ist es natürlich so, dass manche kleine Kneipe und manches kleine Geschäft diese Krise nicht überstanden haben. Das tut mir sehr leid für die betroffenen Menschen und ich wünsche mir sehr, dass es ihnen gelingt, einen Neuanfang zu machen. Ich erlebe auch viel Solidarität unter den Menschen und das ist auch dringend notwendig. Es wird auch auf eure Generation ankommen, ob es beispielsweise die teilweise sehr in Mitleidenschaft gezogenen Innenstädte noch langfristig geben wird. Deshalb meine ganz direkte Bitte: wenn Ihr etwas einkauft, tut das nicht im Internet, sondern geht in den Laden um die Ecke oder fahrt in die nächstgelegene Stadt. Das hilft auch.

Wird es je wieder so werden wir vor der Corona-Krise? Wie ist Ihre Einschätzung dazu?
Vieles wird wiederkommen, da bin ich zuversichtlich. Wir können ja jetzt schon wieder unkomplizierter Menschen treffen, miteinander feiern, verreisen – das alles aber bitte noch sehr vorsichtig. Ob sich die Menschen in Zukunft wie früher die Hand geben werden zur Begrüßung, da bin ich nicht sicher. Und in manchen Situationen werden wir uns vielleicht auch in Zukunft mit einem Mund-Nasen-Schutz wohler fühlen als ohne. Was hoffentlich anders werden wird als vor Corona ist, dass die Menschen gelernt haben, dass sie große Krisen nicht alleine überstehen können. Ich wünsche mir sehr, dass wir uns die neu gewonnene Solidarität unter den Menschen, die sich auch jetzt in den Katastrophengebieten in Rheinland-Pfalz und NRW zeigt, erhalten können für die Zeit danach. Wir brauchen auch für die nächste große Herausforderung enorme gemeinsame Anstrengungen: für eine Überwindung des Klimawandels. Wenn wir nicht alle unser Verhalten ändern, werden wir die massiven Schädigungen der Umwelt nicht beenden können. In diesem Bereich mache ich mir noch viel größere Sorgen über das Erbe, das wir Euch hinterlassen.

Wie wird sich der Unterricht nach Corona verändern? Wird der traditionelle Unterricht z.B. durch digitalen Unterricht abgelöst werden?
Bei meinen vielen Besuchen in niedersächsischen Schulen habe ich den Eindruck, dass der Unterricht sich jetzt schon vielerorts sehr verändert hat. Es ist doch eher selten, dass die Lehrerin oder der Lehrer vorne steht und die Schülerinnen und Schüler hauptsächlich zuhören müssen. Häufig werden Dinge von Euch selbstständig erarbeitet, es gibt viel mehr Gruppenarbeit und mehr individuelles Lernen, je nach eigenem Tempo. Dabei helfen die Lehrkräfte natürlich. Und auch das digitale Lernen wird sicherlich in Zukunft eine größere Rolle spielen.

Für viele wichtige Themen, die uns für das Leben ausrüsten, fehlt in der Schule aktuell die Zeit (z.B. Finanzen, Versicherung, Steuern, Gesundheitswesen, psychische Gesundheit etc.). Insbesondere in Krisenzeiten brauchen wir diese Kompetenzen umso dringender! Wie schätzen Sie die Möglichkeit ein, durch die aktuelle Krise Schule neu zu denken?
Tja, das sehe ich anders. Für mich ist die Schule ein Ort, wo vor allem Bildung vermittelt wird. Nicht unbedingt, wie eine Steuererklärung ausgefüllt wird. Aber sehr wohl so, dass Ihr nach der Schule in der Lage seid, Euch ein eigenes Urteil zu vielen Themen zu bilden und Euch auch über fremde Themen zu informieren. Das sind grundlegende Fähigkeiten, die ich viel wichtiger finde als viele Detailinformationen für den Alltag.


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