Ein offener Brief an Sigmar Gabriel

Aus der Rubrik „Ein offener Brief“

Lieber Sigmar, ein großes Dankeschön an dich für deinen selbstlosen Einsatz für die deutsche Sozialdemokratie. Denn einer von den Alten musste diesem Jungen jetzt mal die Leviten lesen, Ärger macht der Kühnert euch ja schon eine ganze Weile, der war ja frecherweise auch schon gegen die Große Koalition, der Rotzbengel. Und jetzt auch noch Demokratischer Sozialismus. Die anderen haben sich im Großen und Ganzen nicht so recht getraut, dazu Stellung zu beziehen. Und darum hast du die Sache übernommen. Weil du momentan nichts zu verlieren hast. Und weil man dich für deine klare Kante auch in Zukunft bestimmt gut versorgen wird.

Na, egal, jedenfalls musste es für den Kühnert jetzt mal die volle Breitseite sein. Denn der ist ja die wahre schuldige Zecke im Pelz der SPD, der Kühnert mit seinen Jungsozialisten hat es versaut, wegen dem steht die SPD bei den Umfragen im tiefsten Keller. Weil ja nichts mehr die Wähler abschreckt, als sichtbare Uneinigkeit. Wäre der Kühnert bei der Diskussion um GroKo oder No-Groko damals auf Linie geblieben und hätte als kleiner Hinterbänkler und noch grün hinter den Ohren das getan, was so einem Emporkömmling gut zu Gesicht steht, nämlich einfach mal die Fresse gehalten, wäre die SPD weitaus einiger und nicht so tief gespalten in die Regierung gestolpert. Wir wissen, es ist dann ganz anders gelaufen. Schlechte Performance.

Das muss jetzt wieder besser werden. Und das bedeutet für die SPD: Man muss die großmäuligen jungen Querulanten ausmerzen. Was da so nachwächst, ist ja kaum auszuhalten. Weg mit diesen Traumtänzern! Die können sich mit ihren Talenten doch auch woanders austoben und beispielsweise als Influencer arbeiten. So kleine Filmchen drehen kann der Kühnert ja. Die SPD sollten sie jedenfalls nicht weiter behelligen. Die SPD muss diesen Nachwuchs loswerden. Alle, die es einfach nicht begreifen wollen. Die meinen, die SPD müsse politische Standpunkte über den Moment hinaus vertreten, da müssten im Hintergrund Grundsätze erkennbar sein, eventuell sogar Ideale. Was für ein Schwachsinn! Die SPD ist dazu da, für die CDU/CSU als Juniorpartner die nötigen Mehrheiten zu besorgen und das GroKo-Konstrukt dann ein bisschen sozial anzustreichen, damit all die Abgehängten in Deutschland nicht aufmucken. Und die SPD ist dazu da, ihre Führungsriege abzusichern und gut zu versorgen, bis es irgendwann für den auskömmlichen Ruhestand reicht. Das ist die Aufgabe der SPD. Seit Jahren. Und sonst gar nichts. Wir wissen das. Du weißt das.

Und der Kühnert weiß gar nichts. So kommt er dann wieder um die Ecke, dieser mediengeile Ego-Shooter, und gibt der ZEIT ein Interview, nach all den Totalausfällen, die er sich vorher schon geleistet hat. „Bewusste Tabubrüche, das Ignorieren von Fakten und Empirie, das Mobilisieren populistischer Sehnsüchte und die Inkaufnahme der Beschädigung der eigenen Partei: das ist übrigens die Methode Donald Trump“, hast du ihm entgegnet. Treffer, versenkt!

Gut, in diesem Interview von dem Kühnert ist von Tabubrüchen, von einer Ignoranz gegenüber Fakten und Empirie und von Populismus so gut wie nichts erkennbar. Aber das ist ja total egal. Ein Sigmar Gabriel muss keine Interviews lesen, um zu wissen, was drin steht. Du bist Sigmar Gabriel. Du kennt deine Pappenheimer. Dass dieser Hosenscheißer da rumphilosophiert über eine sehr ferne Zukunft, die er sich eventuell vielleicht vorstellen könnte, reicht doch schon. Der SPD-Nachwuchs soll sich melden, wenn bei einer Abstimmung die richtigen Mehrheiten erreicht werden müssen, aber der SPD-Nachwuchs soll nicht philosophieren und bitte schon mal gar nicht über die Zukunft nachdenken. Und der SPD-Nachwuchs soll auch nicht daran erinnern, was im SPD-Parteiprogramm steht. Das bringt doch nichts, außer Unruhe und Aufregung.

Ihr solltet das übrigens dringend mal umschreiben. „Unsere Geschichte ist geprägt von der Idee des demokratischen Sozialismus, einer Gesellschaft der Freien und Gleichen, in der unsere Grundwerte verwirklicht sind. Sie verlangt eine Ordnung von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, in der die bürgerlichen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Grundrechte für alle Menschen garantiert sind, alle Menschen ein Leben ohne Ausbeutung, Unterdrückung und Gewalt, also in sozialer und menschlicher Sicherheit führen können“, heißt es da. Wer hat sich diesen Scheiß eigentlich ausgedacht? Der Schröder? Warte, geht noch weiter: „Das Ende des Staatssozialismus sowjetischer Prägung hat die Idee des demokratischen Sozialismus nicht widerlegt, sondern die Orientierung der Sozialdemokratie an Grundwerten eindrucksvoll bestätigt. Der demokratische Sozialismus bleibt für uns die Vision einer freien, gerechten und solidarischen Gesellschaft, deren Verwirklichung für uns eine dauernde Aufgabe ist. Das Prinzip unseres Handelns ist die soziale Demokratie.“ Alter Schwede, das steht da wirklich. Sigmar, wenn das rauskommt. Tu was! Nicht nur der Kühnert muss weg, ihr müsst auch endlich dieses Parteiprogramm loswerden!!

Text: GAH


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