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Ein letztes Wort im Juni

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Ein letztes Wort im Juni


mit dem Ministerpräsidenten Stephan Weil

Stephan Weil (r) und Lars Kompa (l)

Herr Weil, wir führen unser Interview knapp einen Monat vor der Europawahl, der Wahlkampf läuft auf Hochtouren. Und die Stimmung ist aktuell teils ausgesprochen aggressiv, Politikerinnen und Politiker werden angegriffen, während sie ihre Plakate aufhängen wollen, es gibt Diffamierungen und Übergriffe auf allen Ebenen. Wir lesen und hören eigentlich jede Woche von Gewalttaten. Der sächsische Europa-Abgeordnete Matthias Ecke ist sogar krankenhausreif geschlagen worden. Was macht das mit Ihnen ganz persönlich? Haben Sie bei öffentlichen Auftritten jetzt neuerdings ein mulmiges Gefühl?
Nein, mit mir persönlich macht das relativ wenig, weil Ministerpräsidenten ja gut geschützt sind. Aber ich weiß, dass zum Beispiel Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker immer wieder beleidigt und bedroht werden und die haben keinen solchen Schutz, wie ich ihn habe. Oder denken Sie an Einsatzkräfte von Rettungsdiensten, da gab es zuletzt leider auch in Niedersachsen wieder Meldungen über Angriffe – das sind Nachrichten, die gehen auch mir unter die Haut.

Wie geht’s denn Ihrer Security-Mannschaft bei Ihren öffentlichen Auftritten? Sie sind ja niemand, der den Leuten aus dem Weg geht. Für Ihr Sicherheitsteam ist es gerade Stress pur, oder?
Nun, das müssten die Personenschützerinnen und Personenschützer des LKA eigentlich selbst beantworten. Grundsätzlich hat jeder Beruf seine Risiken. Gleichwohl haben wir in Niedersachsen sicherlich andere Verhältnisse, als sie uns aus Sachsen berichtet werden. Nach dem Anschlag auf Matthias Ecke ist ja bekannt geworden, dass dort nahezu täglich Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer drangsaliert werden und welche bedrohliche Atmosphäre dort im Wahlkampf herrscht. Das ist schwer erträglich, zum Glück gibt es in dieser Hinsicht doch deutlich bessere Verhältnisse in Niedersachsen.

Ich stelle es mir nicht so einfach vor, bei all dem, was so passiert, keine Angst zu bekommen, also standhaft zu bleiben und nicht zurückzuweichen, und das vor allem auf der lokalen Ebene. Übergriffe gab es auch in der Vergangenheit, aber das alles erreicht gerade ein neues Level. Und die ehrenamtlichen Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer haben – wie sie eben gesagt haben – keine Security …
Ja, das ist auch der Teil, der mir wirklich große Sorgen macht. Unsere politische Ordnung geht ja davon aus, dass am Ende das Volk entscheidet und die Parteien an der Willensbildung des Volkes mitwirken. Dies tun sie durch viele ehrenamtlich engagierte Menschen, die in Wahlkämpfen mithelfen. Wenn es die nicht mehr geben würde, dann würde unsere Demokratie großen Schaden nehmen. Hinzu kommt: Wir brauchen auch engagierte Personen, die für Mandate kandidieren wollen, wenn es etwa bei Kommunalwahlen um die Besetzung von Ortsräten, Räten und Kreistagen geht. Wirklich besorgniserregend finde ich, dass viele Angriffe, von denen wir hören, nicht spontan passieren, sondern diese auch geplant sind. Menschen, die sich für unsere Gesellschaft einsetzen, sollen eingeschüchtert werden. Das werden und dürfen wir nicht zulassen. Solche Angriffe sind ein Anschlag auf unsere Demokratie!

Mich erinnert das tatsächlich an sehr dunkle Zeiten in Deutschland. So ähnlich hat es damals angefangen.
Naja, ganz so schwarz würde ich das nicht sehen. Richtig ist, dass der Ton und das Klima wesentlich rauer geworden sind in der politischen Auseinandersetzung. Gleichzeitig hatten wir aber zu Beginn dieses Jahres riesige Demonstrationen, bei denen wir gesehen haben, dass wirklich eine breite Mehrheit der Gesellschaft hinter unserer Demokratie steht und beispielsweise auch Gewalt ablehnt. Umgekehrt darf man aber auch nicht die Augen davor verschließen, dass nach einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Stimmungslage in der Bevölkerung, fast 13 Prozent der Befragten gesagt haben, sie würden der Aussage voll oder eher zustimmen‚ dass manche Politikerinnen und Politiker sich nicht wundern dürften, wenn es dann auch mal zu Gewalt käme – vor zwei Jahren war diese Zustimmung wesentlich geringer. Das zeigt, dass tatsächlich die Temperatur angestiegen ist. Wir müssen das sehr ernst nehmen, aber ein Vergleich mit der Weimarer Republik erscheint mir übertrieben.

Ich habe neulich versucht, jemandem zu erklären, dass aus meiner Sicht solche Angriffe nie in Ordnung sind. Dass also auch Übergriffe und körperliche Angriffe Richtung AfD nicht in Ordnung sind. Helfen Sie mir mal, diesen Standpunkt zu begründen …
Das ist relativ einfach: Unsere Demokratie beruht darauf, dass wir miteinander streiten, aber mit Argumenten und ohne Gewalt. Dieser Grundsatz gilt für alle und damit auch für die AfD. Und deswegen habe ich kein Verständnis gegenüber Gewalt an AfD-Mitgliedern. So sehr ich diese Partei politisch bekämpfe – auch deren Mitglieder haben einen Anspruch darauf, dass sie ihrer politischen Tätigkeit ohne Angst vor Gewalt nachgehen können.

Eine Demokratie muss also auch die Feinde der Demokratie aushalten, solange die sich im Rahmen der Verfassung bewegen. Das scheint aber zunehmend eine Herausforderung zu sein. Die Demokratie erlebt Druck vom linken und rechten Rand und neuerdings wird auch noch ein Kalifat gefordert. Mir kommt es so vor, als ob immer mehr Menschen unserer Demokratie nicht mehr viel abgewinnen können.
Richtig ist leider, dass das Vertrauen in die demokratischen Institutionen gesunken ist – das wissen wir auch aus Forschungsstudien und das ist ein Punkt, der uns allen Sorgen machen muss. Dennoch steht die überwiegende Mehrheit der Gesellschaft unverändert zu unserer Demokratie, bei allen Macken, die diese auch haben mag – niemand wird behaupten, dass unser politisches System fehlerfrei wäre. Wie bereits erwähnt, kommt es vor allem darauf an, dass die Demokratinnen und Demokraten sich zeigen und deutlich machen: Wir sind viel, viel mehr und wir lassen nicht zu, dass das Klima durch deutlich kleinere, radikale Gruppen dominiert wird. Das ist etwas, was ich mir nicht nur wie am Jahresanfang bei Demonstrationen wünsche, sondern was das ganze Jahr durchgängig in unserer Gesellschaft präsent sein sollte.

Überzeugen Sie mal mich, in die Politik einzusteigen. Keine Angst – nur theoretisch.
Schade eigentlich! Sie würden eine Menge mitbringen, Herr Kompa. Es ist eigentlich relativ einfach. Ich bin seinerzeit in die SPD eingetreten, als mir klar wurde, dass punktuelles Engagement für ein Thema oder eine Sache sehr wertvoll ist, aber am Ende des Tages lebt eine Demokratie davon, dass auch dauerhaft Verantwortung übernommen wird. Man kann Parteien mit Fug und Recht kritisieren, einstweilen haben wir aber kein besseres Modell, wie diese dauerhafte Verantwortung organisiert werden soll. Parteien sind extrem davon abhängig, dass sie der Ort sind, wo sich viele Bürgerinnen und Bürger engagieren und sich einbringen. Wenn das nicht geschieht, dann trocknet die Demokratie gewissermaßen von unten aus. Deshalb wünsche ich mir ein großes Engagement und würde mich selbstverständlich auch über den Kollegen Kompa sehr freuen.

Sind Sie auch für härtere Strafen, angesichts der Übergriffe? Das wird ja jetzt vielfach gefordert.
Nun, die erste reflexhafte Reaktion ist häufig die Forderung nach härteren Strafen, meistens ist damit ein größerer Strafrahmen gemeint. Aber der Strafrahmen ist häufig gar nicht entscheidend, sondern die Strafe im Einzelfall. Unsere Justizministerin Kathrin Wahlmann hat, wie ich finde, einen sehr klugen Vorschlag gemacht: Bei den Strafzumessungsgründen, die wichtig für die konkrete Strafe sind, soll eine demokratiefeindliche Gesinnung mit berücksichtig werden. Das finde ich ausdrücklich richtig. Angriffe auf die Demokratie müssen auch durch spürbare Strafen geahndet werden – das gehört zu einer wehrhaften Demokratie.

Es wäre doch jetzt eigentlich an der Zeit, verbal abzurüsten und zu deeskalieren, oder? Aber wenn ich mich in der Politik so umsehe, habe ich da wenig Hoffnung. Inzwischen polemisieren auch bürgerliche Parteien der Mitte, was das Zeug hält. Ein echtes Spiel mit dem Feuer …
Dieses Risiko sehe ich auch. Es ist interessant, wenn man sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster anschaut bezüglich der Verfassungsschutzmaßnahmen gegen die AfD. Darin gibt es rauf und runter Zitate, die die Stimmung anheizen und insbesondere auch die Ausländerfeindlichkeit dieser Partei zum Ausdruck bringen.

Wenn man will, dass das Klima sich ändert, dann muss man zunächst bei sich selbst beginnen und vielleicht mal statt der knackigsten, zugespitzten Formulierung die sachlichere Variante wählen. Ich gebe mir da große Mühe und finde das auch angemessen. Ich würde mich sehr freuen, wenn alle Menschen in der Politik – egal aus welchen Parteien – endlich mal aufhören würden immer die maximal griffigste Formulierung zu wählen, die häufig auch verletzend ist und häufig auch schlichtweg falsch ist – auch das würde unserer Demokratie guttun: Streit in der Sache, aber in einem vernünftigen Ton.

Interview: Lars Kompa

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Im Interview: Christoph Platz-Gallus, Direktor des Kunstvereins Hannover

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Im Interview: Christoph Platz-Gallus, Direktor des Kunstvereins Hannover


Christoph Platz-Gallus
Photo: Marija Kanizay

Bevor wir über die aktuelle Ausstellung sprechen, zuerst ein Rückblick. Du bist im Frühjahr 2022 offiziell im Kunstverein gestartet. Wie waren damals der Start und die erste Zeit und wie würdest du deine ersten zwei Jahre resümieren?

Da war damals zuerst ein kleiner Spagat. Ich habe zu der Zeit noch beim „steirischen herbst“ gearbeitet, das ist ein interdisziplinäres Festival für zeitgenössische Kunst in Graz. Und mir war wichtig, dass ich auch mein fünftes Jahr noch gut abschließe. Meine Familie war auch noch dort. Ich brauchte also einen gleitenden Übergang. Das hat mir der Kunstverein ermöglicht, und so habe ich hier in Hannover zuerst das Programm von Kathleen Rahn abgeschlossen. Sie hatte zum Beispiel noch Yuri Ancarani eingeladen, die Ausstellung war Ende 2022, die habe ich bereits kuratiert. Und 2023 konnte ich dann mit meinem Programm starten, mit neuer Visual Identity und Website. Und natürlich macht man dazu noch das Übliche, wenn man startet: Komplett umstellen, ausräumen, neu streichen, die Räume anders benennen und ihre Nutzung ändern (lacht).

Kannst du mal erzählen, was das bedeutet, so ein Haus zu übernehmen … Man steht plötzlich zwischen fremden Wänden. Wie wird man heimisch? Ich denke da zum Beispiel auch an die Vereinsstrukturen, die Mitarbeitenden. Wo findet sich was? Da gibt es doch sicher viele Gespräche.

Dankenswerterweise gibt es hier Mitarbeitende, die teilweise bereits über 20 Jahre dabei sind. Die sind so ein bisschen die Seele des Hauses, und wenn man dann herzlich und offen aufgenommen wird, macht es richtig Spaß. Man erfährt in den Gesprächen ganz viel, auch über die Historie, über frühere Direktorinnen und Direktoren. Die bleiben ja meist nur ein oder zwei Perioden, so arbeiten seit der Professionalisierung eigentlich die meisten Kunstvereine. Die Direktorinnen und Direktoren, die Programmierenden wechseln, aber die Basis bleibt. Das ist das, was ich an Kunstvereinen so schätze. Sie bewirtschaften durch bürgerliches Engagement den Boden, auf dem man arbeiten kann. Großartig! Auch dieser Non-Profit-Gedanke, das ehrenamtliche Engagement. Das sollten wir in unserer Gesellschaft sehr wertschätzen. In vielen Städten, wie in Hannover auch, ist der Kunstverein die älteste Kunstinstitution der Stadt.

Kunstvereine waren auch immer die Experimentierräume, aus denen heraus Neues entstanden ist.

Sie waren ein Gegenentwurf und Vorläufer der meisten Museen der Zeit. Wenn man in die Historie der Kunstvereine und auch gerade der des Kunstvereins Hannover eintaucht, dann findet man zum Beispiel gleich die große Retrospektive von Niki de Sait Phalle 1969, oder um nur wenige zu nennen: Robert Rauschenberg, Piero Mazoni, Yves Klein, Donald Judd, Bridget Riley, Jasper Johns oder auch natürlich Joseph Beuys – man muss das im zeitlichen Kontext verstehen: das Sprengel Museum in Hannover gab es noch nicht. Die meisten dieser Namen hatten in der Museumswelt zu der Zeit noch überhaupt keine Relevanz und gehören heute zum Kanon. Man kann sagen, dass die damalige Studierendengeneration die Kunstvereine als Plattform, als Forum und Agora begriffen hat, für Kunst und Politik, für politische Kunst. Da wurde viel geraucht und debattiert. Und es gab natürlich auf der anderen Seite eine eher bürgerliche Basis in den Vereinen, die plötzlich mit einem ganz anderen Kunstbegriff konfrontiert war. Irgendwann haben dann die Museen mehr und mehr die Aufgabe übernommen, aktuelle Diskurse und Positionen aufzunehmen, womit wiederum die Kunstvereine ein bisschen Profil eingebüßt haben. Kontextualisierung dieser Geschichte und dieser Geschichten ist für mich als Kunsthistoriker absolut spannend. Wir bauen hier gerade das Archiv professioneller aus, denn viele Mitglieder unseres Vereins sind nicht selten Zeitzeugen.

Hast du dich in Hannover auch gleich gut vernetzen können?

Es gibt eine sehr gute Vernetzung zwischen den großen Kunstinstitutionen, dem Sprengel Museum, der Kestner Gesellschaft und dem Kunstverein. Aber auch zu anderen Kulturpartner*innen und neuerdings vielen Vereinen und Initiativen, wie dem Ukrainischen Verein Niedersachsen, Unter einem Dach oder Artist-Run-Spaces. Dazu ist es ein Glücksfall, in diesem Haus das kommunale Kino und das Literaturhaus zu haben. Und das Schauspiel sitzt nebenan. Viel Kultur, in diesem Kreis bewegt man sich natürlich zunächst hauptsächlich. Und dann lernt man nach und nach auch anderes kennen. Wo bekomme ich Vinylplatten, wo gibt es den besten Kaffee …

Dein eigenes Programm ab 2023 fand ich bisher durchgehend sehr politisch. Habe ich da den richtigen Eindruck?
Falsch würde ich den Eindruck jedenfalls nicht nennen (lacht). Kunst ist immer politisch. Selbst Landschaftsmalerei ist politisch, wenn man sich anschaut, in welchem sozio-historischen Kontext sie entstanden und rezipiert worden ist. Wobei der Begriff „politisch“ aus meiner Sicht in letzter Zeit ein bisschen überstrapaziert und durch rechte Kräfte sehr negativ besetzt worden ist. Wir hatten hier im Literaturhaus neulich ein Gespräch mit Peter Laudenbach, der ein Buch geschrieben hat über die Strategien rechter Parteien, die Kultur zu beschädigen. Da wird dann beispielsweise behauptet, dass alle Theater linksversifft sind, dass es nur ein einseitig linkes Programm gibt. Und dass darum einerseits die finanzielle Unterstützung gekürzt werden müsse, und andererseits andere Inhalte und Themen zugelassen werden müssten. Insgesamt eine ziemlich perverse Verdrehung des demokratischen Gedankens der freien Meinungsäußerung. Weil es ja nicht stimmt, dass gewisse rechtskonservative Werte in der Kunst nicht aufgegriffen werden. Der Angriff auf die Kultur geht aber noch einen Schritt weiter. Da wird dann immer gerne gesagt, wir müssten in die Kindergärten investieren, statt in die Kultur. Natürlich müssen wir das. Aber wir müssen uns auch immer wieder gewahr machen, dass es gerade die Kultur ist, die den Menschen definiert. Und wenn die Kultur verlorengeht oder geraubt wird, verschwinden ganze Gesellschaften. Wir müssen da sehr genau hinsehen.

Bei deiner ersten Ausstellung im Kunstverein hast du die ukrainische Künstlerin Zhanna Kadyrova gezeigt. Auch eine politische Ausstellung …

Ja, eine erste Retrospektive von Zhanna Kadyrova, einer wirklich großartigen Künstlerin. Aber ja, es war eigentlich klar, dass mein Programm deutlicher politisch wird. Ich komme ja aus so einer Bubble von Großausstellungen und Biennalen. Und ich finde, diese Blase ist ein bisschen problematisch geworden in den letzten Jahren. Ich wollte gerne weg von diesen Durchlauferhitzern, die sich aufblähen, die wahnsinnige Ressourcenfragen stellen und wieder weg sind, oft ohne nachhaltige Effekte. Ich wollte in ein traditionelles Haus, das auf einem hohen Niveau operiert im Vergleich zu den großen Häusern agil ist und damit relativ spontan reagieren kann, nah am Zeitgeist, mit entsprechenden Einladungen in die Kunst. 2023 war dann auch kein Jahr mit einem großen Jahrestitel, es war geprägt von diesem Auftakt mit Zhanna Kadyrova, die übrigens gerade auf der Venedig-Biennale eine neue Installation gezeigt hat, eine große Orgel, gefertigt aus den Hülsen russischer Raketen, die auch gespielt werden kann.


Im Kunstverein gab es von Zhanna Kadyrova Brot.
Ja, es gab Brot aus Stein. Wir haben diese erste große Schau mit ihr im Kunstverein in Zusammenarbeit mit dem PinchukArtCentre gemacht, wo mein Vor-Vor-Gänger aus den 1990er Jahren, Eckhard Schneider, künstlerischer Gründungsdirektor war. Zhanna Kadyrovas ist in der Ukraine noch im UdSSR-Regime groß geworden und hat dann Geburt und Aufblühen der jungen Demokratie mitbekommen. Sie ist nach dem Angriff auf Kiew zuerst nach Deutschland geflohen, aber bereits nach zwei, drei Wochen nach Kiew zurückgekehrt. Zwischenzeitlich war sie auch in den karpatischen Gebirgen, wo sie diese Arbeit mit den Steinbroten entwickelt hat. Im Grunde war das eine Charity-Aktion, um ihre Leute zu unterstützen. Was aus diesen Ausstellungen verkauft wird, geht zu 100 Prozent in die Ukraine. Und die Künstlerin sagt ganz klar: Wenn ich davon Waffen kaufen könnte, würde ich das tun. Dafür reicht es aber nicht und sie ist eine Zivilistin. Sie kauft stattdessen etwa Armeestiefel für Leute, mit denen sie studiert hat und die jetzt an der Front sind.

Nach Zhanna Kadyrova kam dann die Doppelschau mit Simon Denny und Agnieszka Kurant.

Ja, mich hat diese Thema Technologie interessiert, gerade in Hannover. Die EXPO hatte ja dieses wunderbare Motto „Mensch, Natur und Technik – Eine neue Welt entsteht“, was für eine sehr Technologie-optimistische Zeit steht. Und heute sind wir angekommen bei Deepfakes und AI. Wir geraten da gerade in ganz neue Sphären. Es stellt sich immer wieder diese Fragen zwischen Moral und Technologie. Und Simon Denny und Agnieszka Kurant gehen beide auf eine ganz unterschiedliche Art und Weise kritisch mit der Technologisierung um.

Dann kam 2023 noch die Herbstausstellung, eine feste Größe im Ausstellungsplan, und ganz zuletzt Akinbode Akinbiyi.

Die Herbstausstellung ist ganz wichtig: hier können in festem Rhythmus regionale Künstler*innen ohne Altersbeschränkung Arbeiten für eine große Gruppenschau einreichen. Sie ist jedes Mal extrem gut besucht. Der Call für die Ausstellung 2025 geht bald raus. Akinbode Akinbiyi ist ein Künstler aus einer nigerianischen Familie, der in Oxford geboren ist und seit 30 Jahren in Berlin lebt. Er ist ein Jahr lang zwischen Hannover und Berlin gependelt und hatte immer seine analoge Kamera dabei. Er war auf dem Schützenfest, auf dem Maschseefest, er hat viel in der Fußgängerzone fotografiert, er war auch in Badenstedt im Afrikanischen Viertel, wo viele Straßennamen Klischees aus der Kolonialzeit bedienen. Er arbeitet analog, er entwickelt seine Fotos selbst. Und wir haben über 100 dieser neuen Schwarz-Weiß-Bilder gezeigt, von denen 90 aus Hannover waren.

In diesem Jahr gibt es nun auch eine Überschrift, sozusagen einen Jahrestitel.
Ja, „I hope this finds you well.“ Ich hoffe, das erreicht dich bester Dinge. Oder einfach ich hoffe, es geht dir gut. Das referiert natürlich auf den aktuellen Zustand, auf diese Polykrise, die wir erleben.

Es gab bis in den April noch die „Akademie der Lebenserfahrung Intensive“, darüber haben wir bereits im Stadtkind geschrieben. Und auch über die Installation im Treppenhaus von István Csákány „Haus ohne Adresse / House Without Address“, die noch bis Anfang 2025 zu sehen sein wird. Jetzt aber zur aktuell laufenden Ausstellung „The Myth of Normal. Vom Können und Gönnen“. Ich habe mal aufgeschrieben, wer dabei ist. Viele Namen: Panteha Abareshi, Manuela Bolegue, Jeamin Cha, Emilie L. Gossiaux, Itamar Gov, Nikita Kadan, Marcos Lutyens, Berenice Olmedo, Perel, Benoît Piéron, Peter Schloss, Finnegan Shannon, Julischka Stengele und Imogen Stidworthy. Eine ganze Fußballmannschaft, passend zur EURO 2024 …

Konzept ist, vor dem Hintergrund der UEFA EURO 2024, die im Juni und Juli Hochleistungskörper in den sportlichen Wettkampf schickt, künstlerische Perspektiven zur Wahrnehmung und Erfahrung von Vulnerabilität, von gerade nicht solchen Körpern, zu zeigen und damit Populärkultur und Hochkultur zusammenzubringen. Wir injizieren auch Künstlerfilme in die Public Viewings. Wir stören die Spiele nicht, aber wir werden in der Halbzeitpause einen künstlerischen Kurzfilm zeigen. Während auf dem Platz die Sportspitze kämpft, erzählen im Kunstverein etwa chronisch kranke Künstler davon, wie man Normen ändern kann. Und dazu werden auch Blindenreporter für sehbehinderte Menschen von Hannover 96 dabei sein und sieben der Spiele moderieren, was weit über die Radioberichterstattung hinausgeht. Vielleicht ist auch mal das Bild aus (lacht). Es geht um solche Perspektivwechsel, das haben wir auch ganz stark in der Ausstellung: dass die Perspektiven von Künstlerinnen und Künstlern mit Einschränkungen, mit Behinderungen, ganz andere Horizonte aufmachen. Dass nicht die Idee von Behinderung als Einschränkung dominiert, sondern Variationen von Mobilität und Wahrnehmung das vermeintlich „Normale“ in Frage stellen, ergründen und auffächern. Ich erlebe immer wieder, dass uns Leute erzählen, sie haben eine Blindenführung mitgemacht und die Dinge plötzlich ganz anders verstanden. Die Annäherung auch an die Kunst ist anders. Wir glauben, dass die Themen Inklusion oder Accessibility nicht eine Übersetzungsleistung oder Reduktion sind, sondern eine Erweiterung.

Das Normale ist also nur ein Mythos.

Es gibt diese These des ungarisch-kanadischen Arztes und Bestsellerautors Gabor Maté, dass das Konstrukt des „Normalen“ als gesellschaftliche Interaktion verstanden werden muss, die es von unten nach oben zu erneuern gilt. Also ja, das Normale ist nur ein Mythos und wir befördern mit der Ausstellung einen Perspektivwechsel. Darum diese Gruppenausstellung, um eine Multiperspektivität zu öffnen, um das alles zu verschränken, mal mit Humor, mit einer persönlichen Geschichte, aber auch mit einer Trauma-Erfahrung.

Machen wir mal einen kleinen Rundgang durch die Ausstellung.

Es sind 14 Positionen, von denen allerdings einige performativ sein werden. Das Projekt hat drei Teile, die Ausstellung, ein Performanceprogramm und den „KunstRasen“ – das kulturelle Public Viewing mit dem KoKi, der Cumberlandschen, und dem Literaturhaus. Aber zur Ausstellung: Es wird eine große Videoarbeit von Jeamin Cha gezeigt, einer koreanischen Künstlerin, die etwas zum Thema ausbleibender oder uneindeutiger Diagnosen macht, das häufig Frauen betrifft. Dann gibt es eine wunderbare Installation von Julischka Stengele, die sich mit Körperbildern, Stigmatisierung und der Leistungsgesellschaft beschäftigt. Marcos Lutyens setzt sich mit Körper und Geist über Neurologie und Spiritualität auseinander. Er hat in einer Klinik für Herz- und Schlaganfallpatient*innen zu Fragen der Therapie mit olfaktorischer und haptischer Erfahrung geforscht: Der Geruchssinn aktiviert etwa viel stärker Erinnerung, als es das Sehen macht. Hier gibt es in der Schau also auch viel zu ertasten und zu riechen. Wir haben Emilie L. Gossiaux dabei, sie hat gerade eine große Einzelausstellung im Queens Museum in New York. Sie macht Kunst mit ihrem Blindenhund. Die Künstlerin ist mit 16 Jahren aufgrund eines Unfalls erblindet und sie arbeitet viel über die Symbiose von Mensch und Tier als Erweiterung des Körpers.

Ein israelischer Künstler ist auch dabei.

Ja, Itamar Gov, der in Berlin und in Rom arbeitet. Er zeigt eine Arbeit zur Farbe Blau, eine große Farbtafel mit 100 Variationen von Blau, wobei eine Farbe fehlt, nämlich Preußischblau oder Berlinblau. Das ist das erste moderne, künstliche entwickelte Pigment, das vor 300 Jahren durch einen Zufall entstanden ist und in den Nürnberger Prozessen eine forensische Rolle spielte. Seine Arbeit thematisiert Zusammenhänge von individueller Wahrnehmung und kollektiver Erinnerung. Dann ist noch Berenice Olmedo dabei, die sich mit dem Optimierungsgedanken durch Technik innerhalb der medizinischen Welt auseinandersetzt, die also zum Beispiel mit Prothesen arbeitet. Ein zentraler Indikator der menschlichen Überlegenheit hängt wesentlich mit dem aufrechten Gang zusammen, den wir lernen müssen und auch wieder aufgeben. Und Benoît Piéron ist ein chronisch kranker Künstler, der wirklich wahnsinnig viel Lebenszeit in Krankenhäusern verbringt. Er arbeitet humoristisch zum Beispiel mit Bettlaken, die er zu Stofftieren umwandelt, oder macht aus einem Infusionsständer spielerisch eine bunte Lampe.

Ein paar fehlen noch …

Imogen Stidworthy ist dabei mit Filminstallationen zu Neglect- und Aphasie-Patienten. Dazu hat sie einige Zeit in einer Klinik in Göttingen geforscht. Eine sehr feinsinnige Video- und Audio-Installationen zu ganz individuellen Geschichten. Dann haben wir Peter Schloss, der Kunstwerke in Brailleschrift zeigt, die wir als meist Sehende nicht beherrschen. Wir brauchen also jemanden, der das übersetzen kann. Er hat aber auch eine Bodeninstallation entwickelt, die sich durch die Ausstellung zieht: ein Leitsystem für blinde Menschen und gleichzeitig eine konzeptuelle Bodeninstallation, die zu der Kunst führt, die man anfassen kann und auch zu Audiodeskriptionen per QR-Code. Und dann haben wir noch Nikita Kadan, ein ukrainischer Künstler, der mit so einer Prothese eine Geschichte eines Veteranen erzählt und der auch über die Nutzung von medizinischem Cannabis und anderen Opiaten als Versehrter in der Ukraine berichtet. Nicht zu vergessen ist Panteha Abareshi, eine junge Künstlerin aus L.A., die an Sichelzellanämie leidet, das ist eine Blutkrankheit. Sie braucht sehr viel Dialyse, weil permanent ihr System verklumpt. Sie zeigt einen Film mit dem Titel „Not a Body“, in dem sie sehr symbolhaft diese Kunststoffbänder zeigt, die wir sowohl im Kreißsaal als auch auf der Palliativstation kennen, sobald man als „Körperobjekt“ im Gesundheitssystem mäandert. Und bei den Performances geht es schließlich auch um Körperlichkeit, um Körperpolitik. Um Normen, die natürlich nur ein Konstrukt der Mehrheit sind. Wir leben in einer Welt der Stigmatisierung, denn die Behinderung liegt außerhalb der Norm und wird als eine extreme Einschränkung wahrgenommen; vor wenigen Dekaden hat man Menschen im Rollstuhl oder mit Neurodiversität nicht in der Öffentlichkeit gesehen. Und mittlerweile gibt es in einigen Supermärkten einen Tag der Stille und auch Menschen mit nicht diagnostizierten „Einschränkungen“ empfinden das als unglaublich erholsam. Das ist der Perspektivwechsel.

Und die Vorbereitungen auf 2025 laufen auch schon, richtig?

Ja, wir werden im Januar wieder Künstler aus der Ukraine zeigen. Es kommt momentan sehr viel hochqualitative Kunst aus der Ukraine. Wir haben beispielsweise zwei junge Filmemacher, die in den 90er-Jahren geboren sind, die zeigen unter anderem einen Film über ein systematisch ausgeraubtes Heimatmuseum in Cherson. Da geht es den russischen Aggressoren natürlich darum, die identifikatorischen Elemente zu zerstören, die durch die Kultur gestiftet werden. Es geht darum, die Geschichte auszulöschen. Wenn jemand sagt, Kultur, das sei doch nur so ein bisschen Kino und Theater, dann zeigt dieser Film, dass es ganz anders ist, dass es um einen extrem identifikatorischen Punkt geht. Kultur wird ja gerne als Luxus bezeichnet, womit dann auch Kürzungen gerechtfertigt werden. Sie ist de facto aber Lebensmittel.

● Interview: LAK

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Ein letztes Wort im Mai

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Ein letztes Wort im Mai


mit dem Ministerpräsidenten Stephan Weil

Stephan Weil (r) und Lars Kompa (l)

Herr Weil, heute frage ich Sie nicht primär als Ministerpräsident, sondern als SPD-Landesvorsitzender. Lassen Sie uns doch mal jenseits aller ganz großen Konflikte ein bisschen eintauchen in die Landespolitik in Deutschland. In Niedersachsen liegt die AfD nach einer Umfrage von Allensbach von Anfang Februar auch schon bei 21 Prozent. Der Geist ist immer mehr aus der Flasche, oder?
Ja, wir können uns schon lange nicht mehr vormachen, dass das allein ein ostdeutsches Problem sei. Das ist es definitiv nicht. Hätten wir vor zweieinhalb Jahren über dieses Thema gesprochen, dann wäre ich vielleicht noch davon ausgegangen, dass die AfD bei den Landtagswahlen im Herbst 2022 unter 5 Prozent bleiben könnte. Aber im Februar 2022 hat Russland die Ukraine angegriffen, es folgten Energiepreiskrise und Inflation. Seither sehen wir auch im Westen einen deutlichen Anstieg der Werte der AfD. Mag der Zuwachs auch vielleicht durch die Partei von Sahra Wagenknecht ein bisschen geringer werden, müssen wir doch nüchtern konstatieren, dass sich in Deutschland eine Partei deutlich rechts von der CDU festsetzt.

Nun sagen die einen, man muss die AfD inhaltlich stellen, also mit der AfD diskutieren. Und die anderen meinen, dass das gar nichts bringt und dass man dieser Partei möglichst keine Bühne geben sollte. Auf welcher Seite stehen Sie?
Ich möchte der AfD möglichst keine zusätzliche Bühne bieten. In jedem Fall möchte ich dagegen die Wählerinnen und Wähler der AfD ansprechen. Denn das sind ja weiß Gott nicht alles Rechtsextreme. Wir wissen aus vielen Umfragen, dass nach wie vor ein hoher Anteil vor allem Unmut ausdrücken will. Viele glauben dabei gar nicht, dass die AfD eine seriöse Adresse sei. Wir müssen uns in der Sache hart mit der AfD auseinandersetzen und genau analysieren, wofür diese Partei inhaltlich steht. Nehmen Sie die Europawahl: Ohne das Wort Dexit in den Mund zu nehmen, sinniert die AfD über ein Ausscheiden der Bundesrepublik aus der EU. Obwohl Europa der wichtigste Markt für die deutsche Wirtschaft ist. Ein solcher Schritt wäre ein Programm zur massenhaften Verarmung von Menschen in Deutschland.

Thüringens CDU-Chef Voigt ist ja gerade mit Höcke in den Ring gestiegen. Und Höcke hat dort gesagt, dass es der englischen Wirtschaft deutlich besser geht als der deutschen Wirtschaft. Und dass der Brexit demnach ein Erfolgsmodell sei.
Da sind die Engländer selbst aber inzwischen ganz anderer Meinung. Die bitteren Konsequenzen des Austritts sind dort überall spürbar.

Was Höcke allerdings nicht groß interessiert. Und mit jemandem zu diskutieren, der sich die Welt macht, wie sie ihm gefällt, ist ein bisschen schwierig, oder? Also doch besser lassen?
Wie gesagt, mein Ansatz ist es eher, die Wählerinnen und Wähler der AfD direkt anzusprechen, ihnen zuzuhören und ihre Argumente zu hinterfragen. Letztlich aber gibt es auf die Frage, was man wirklich gegen die AfD tun kann, nur eine richtig gute Antwort.

Das haben Sie schon öfter gesagt. Die Politik muss besser werden, sie muss Sicherheit und Verlässlichkeit vermitteln. Das scheint mir in nächster Zukunft aber bei aller Liebe ein bisschen fraglich, wenn ich mir die Performance der Ampel ansehe.
Es ist dennoch der richtige Weg, und ich hoffe, dass das irgendwann alle Beteiligten verstanden haben. Menschen mit einem gefestigten rechtsextremen Weltbild werden wir mit guter Politik nicht erreichen. Es lohnt sich aber sehr wohl mit denen zu sprechen, die jahrzehntelang CDU, SPD, Grün oder FDP gewählt haben, sich jetzt aber enttäuscht der AfD zuneigen. Viele von ihnen verwahren sich persönlich auch entschieden dagegen, in die rechte Ecke gestellt zu werden. Wir müssen reden, überzeugende Alternativen aufzeigen und dann auch so handeln. Ich habe jetzt damit begonnen, Bürgerversammlungen anzubieten für Menschen, die mir oder auch anderen bitterböse Briefe schreiben. Diese Menschen bringen durch diese Briefe zumindest zum Ausdruck, dass sie noch Erwartungen an die Politik haben. Und ich stelle fest, dass man ins Gespräch kommen kann. Oft macht der Ton die Musik – übrigens auf beiden Seiten. Machen wir also einen Unterschied zwischen den Repräsentanten dieser Partei, wie dem Faschisten Höcke, und ihren Wählerinnen und Wählern. Damit gibt man der AfD keine Bühne. Und nochmal apropos Bühne: Herr Voigt hat zwar sein Ziel erreicht, bundesweite Publizität zu bekommen, aber zu einem ziemlich hohen Preis. Denn auch Herr Höcke hat diese Publizität bekommen.

Den Eindruck hatte ich auch. Zumal gerade beim Thema Zuwanderung die Unterschiede zwischen den beiden für mich nicht so ganz klar geworden sind. Beide sehen das ja als massives Problem. Wahrscheinlich wählen die Leute dann doch lieber das Original.
Das ist das Risiko, wenn man in den Sound der AfD einstimmt. Auch und gerade in Bezug auf Geflüchtete gilt es, die eigenen Argumente sehr sorgfältig abzuwägen. Von den Kritikern unserer Politik wird häufig darauf hingewiesen, dass die Flüchtlinge reichlich bekämen, bei deutschen Rentnerinnen und Rentnern aber gespart werde. Ich weise dann darauf hin, dass etwa ein Viertel aller Arbeitsplätze in Deutschland inzwischen von Menschen mit Migrationshintergrund besetzt sind. Würden wir uns die wegdenken, wäre die Deutsche Rentenversicherung kaputt. Bei solchen Argumenten blickt man dann doch in nachdenkliche Gesichter.

Sprechen wir in dem Zusammenhang noch kurz über die neue Kriminalstatistik. Was die AfD daraus macht, ist klar: Alle Ausländer sind kriminell, als ob es da ein Gen gäbe … Ein Argument mehr, sie nicht ins Land zu lassen oder wieder zu vertreiben. Sie gehören nicht hierher. Und passend kommt dann die die CDU mit der Leitkultur um die Ecke …
Ich glaube, von den Ergebnissen der jüngsten polizeilichen Kriminalstatistik ist zunächst niemand überrascht, der sich schon mal näher mit diesen Statistiken befasst hat. Ich kenne das Thema jetzt seit den 90er-Jahren, als ich mal im Justizministerium gearbeitet habe. Die Kriminalstatistik reflektiert auch sehr stark die soziale Lage. In der Gruppe derjenigen, die mit sehr wenig Geld auskommen müssen, ist die Zahl der Zugewanderten leider stets hoch. Armut ist nicht kausal für Kriminalität, aber Armut kann ein Faktor bei einer Entwicklung hin zur Kriminalität sein, das Gefühl, ohnehin nicht richtig dazuzugehören ein anderer. All das entschuldigt kein kriminelles Verhalten, aber es weist auf Lösungsansätze hin. Mehr Integration und Teilhabe, schneller und unkomplizierter berufliche Perspektiven aufzeigen. Und zur Wahrheit gehört eben auch, dass die allermeisten Menschen, die zu uns kommen, sich große Mühe geben, die Erwartungen in ihrem neuen Heimatland zu erfüllen, dass sie schnell unsere Sprache erlernen und unser Grundgesetz achten und respektieren. Und was die Leitkultur der CDU angeht: Mir reicht unser Grundgesetz.

Das am 23. Mai 75 Jahre alt wird. Und das soll gefeiert werden …
Ja, das sollten wir feiern! Unser Grundgesetz ist wirklich ein guter Kompass, eine kluge Grundlage für unser Zusammenleben und ein Grundpfeiler unserer Kultur. Was mir am Grundgesetz besonders gut gefällt, ist die Balance zwischen den eigenen Freiheitsrechten und anderen ganz persönlichen Rechten und den Belangen der Allgemeinheit. Das ist ganz, ganz große Rechtssetzungskunst.

Da könnten sich heutige Gesetzgeber manches abschneiden …
Das ist leider wahr. Nehmen wir nur die hohe Zahl der einzelnen Regelungen zur Schuldenbremse im Grundgesetz und vergleichen sie mit dem Abschnitt über die Grundrechte.

Heute würde das Grundgesetz bestimmt auch anders heißen.
Besseres-Deutschland-Verfassung-Gesetz. Oder Besseres-Zusammenleben-Gesetz. Aber Spaß beiseite. Wir können sehr stolz sein auf unser Grundgesetz, das übrigens eine ungeschriebene Überschrift hat: Nie wieder! Seine Bilanz kann sich wirklich sehen lassen. Wir hatten 75 Jahre lang in Europa keinen Krieg und bei durchgängig persönlicher und politischer Freiheit einen stetig wachsenden Wohlstand. Das aber sollte uns umso mehr mahnen, uns jetzt für unsere Freiheit, für unsere Demokratie und ihr Fortbestehen einzusetzen. Jede und jeder von uns! Das ist jetzt unsere gemeinsame Aufgabe. Denn unsere Freiheit ist gefährdet, daran gibt es gar keinen Zweifel.

Interview: Lars Kompa

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Staatsoper Hannover: am Küchentisch mit Ketevan Chuntishvili

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Staatsoper Hannover: am Küchentisch mit Ketevan Chuntishvili


Ketevan Chuntishvili

Die in Tiflis geborene Sopranistin Ketevan Chuntishvili absolvierte ihr Studium an der Musikhochschule in Hannover und gab 2020 ihr Operndebut am Stadttheater Klagenfurt. Nach einiger Zeit am Stadttheater Cottbus und mehreren Stipendien und Auszeichnungen für ihr Gesangstalent, schloss sie sich zur Spielzeit 2023/24 nun dem Ensemble der Staatsoper Hannover an. Hier wird sie mit ihrer großartigen Stimme der Susanna aus Mozarts „Le Nozze di Figaro“ Leben einhauchen …

Du wurdest in Georgien geboren, einem Land, in dem die Musik eine große Rolle spielt. Und doch haben dein Musikstudium und große Teile deiner bisherigen Karriere nicht dort stattgefunden, sondern hier in Deutschland. Wie kommt das?
Das hat damit zu tun, dass meine Tante hier in der Nähe lebt und ich somit früh Zugang zu Deutschland hatte. Ich konnte mich hier schon vorher adaptieren und mich schlau machen, wie das mit dem Studium funktioniert. Außerdem müsste man selbst nach einem abgeschlossenen Bachelor in Georgien in Deutschland von vorne beginnen, weil er nur teilweise oder gar nicht anerkannt wird. Und das hätte ich schade um die Zeit gefunden, weil die für mich irgendwie schon lange schneller tickt. Mir ist erst später klar geworden, dass es eventuell nicht klappen könnte, denn ich hatte mich für nichts anderes beworben. Das war ein bisschen unbedacht. Ich habe sonst alles durchdacht, aber das nicht. Aber ich hatte damals diesen Drive, den ich hinterher immer wieder verloren habe, diesen Glauben und die Manifestation, dass alles klappen wird, ja… klappen muss. Ich denke, ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort und bin froh, dass ich hier wirklich gute Bildung genossen habe.

Und wieso unbedingt Deutschland? Weil deine Tante und dein Onkel hier gewohnt haben?
Ja, das war ausschlaggebend. Außerdem ist das Studium in Georgien sehr teuer. Ich hatte das Gefühl, dass ich dort letzten Endes nichts erreichen kann, außer ich investiere nach dem Abschluss noch mal viel Geld, um nach Europa zu gehen, eventuell sogar einen weiteren Abschluss zu machen und Wettbewerbe, um gesehen zu werden und gehört zu werden. Es kamen mehrere Dinge zusammen.

Bist du jetzt nach einigen Jahren an die Staatsoper Hannover gekommen, weil du dich während deines Studiums in die Stadt hier verliebt hast, oder gab es dafür noch andere Gründe?
Es war die Mischung aus vielen Pros: In erster Linie ist die Staatsoper ein überaus begehrenswerter Arbeitsort, aber die Stadt hat auch einen besonderen Wert für mich, aufgrund der mit ihr verbundenen positiven Erinnerungen und Erfahrungen.

Aber nach deinem Studium hast du noch einige Abstecher gemacht, richtig?
Ja. Zuerst war ich eine Zeit in Klagenfurt, dann in Cottbus. Da blieb ich lange.

Als du wieder hierhergekommen bist, hast du da in dein ehemaliges Wohnviertel zurückgefunden?
Ich habe mich jetzt woanders niedergelassen. Ich habe insgesamt dreimal den Stadtteil gewechselt und zuletzt wohnte ich in Linden. Nun hatte ich Lust auf etwas Neues und wohne etwas weiter weg, im Grünen. Aber mit dem Fahrrad geht das superschnell. Ich genieße es, am Ufer des Maschsees entlangzuradeln.

Ist das dein Lieblingsort hier in der Stadt?
Tendenziell liebe ich alles, was grün ist und blüht. Während meiner Studienzeiten bin ich zum Beispiel häufig aus der Mensa in die Eilenriede gegangen. Da komme ich jetzt kaum noch hin. Dafür sind bei mir um die Ecke die Ricklinger Kiesteiche. Und ich mag auf jeden Fall den Maschsee, die List und die Altstadt!

Du hast vor einigen Jahren mit deinem Filmbeitrag zu dem „Lied Me!“-Projekt des Internationalen Liedzentrums Heidelberg über deine Unsicherheiten und „Die Stimme im Kopf“ gesprochen. Ist diese Stimme immer noch da?
Ja, aber die ist viel, viel, viel leiser. Und auch viel netter. Daran habe ich intensiv gearbeitet und tue es noch. Wir Sänger können uns nicht auch noch selbst fertig machen, wenn wir ständig damit konfrontiert sind, kritisiert und korrigiert zu werden. Ich selbst hatte da bis jetzt sehr viel Glück. Aber man hört immer wieder Gerüchte über Vorgesetzte, Dirigenten und Regisseure, die rumbrüllen und Kritik in wirklich offensiver Art und Weise äußern. Da müssen wir uns nicht noch selbst fertig machen und uns selbst umso mehr unter Druck setzen.

So viel Stress. Dabei warst du Stipendiatin eben jener Lied-Akademie des Heidelberger Frühlings und vieler weiterer Organisationen und hast bereits zahlreiche Preise wie den Max-Grünebaum-Preis gewonnen. Ist Unsicherheit eine Art Berufskrankheit, die sich durch die Branche zieht?
Ich glaube, dass das etwas super Persönliches, Individuelles ist. Ich verstehe jedoch, warum der Eindruck entsteht, dass das eine Berufskrankheit ist. Der Beruf an sich ist einfach so persönlich. Man gibt etwas von sich selbst preis, man entblößt sich sehr oft, im übertragenen Sinne natürlich. Man zeigt seine Psyche und sein Inneres nach außen und das macht einen verletzlich.

Schön zu hören, dass es dir damit mittlerweile besser geht. Was hast du dagegen gemacht oder was hat sich seitdem gebessert?
Ich habe Therapie gemacht. Viel reflektiert, mich anderweitig schlau gemacht. Ich höre mir gerne Podcasts beim Joggen an, um auch noch außerhalb von dieser Bubble, in der wir leben, etwas mitzubekommen. Sonst ist man morgens und abends in der Oper. Regulär. Und in der Mittagszeit bereitet man sich für die Proben am nächsten Tag vor. Außerdem haben wir meistens Kontakt mit Sänger*innen, gezwungenermaßen, weil wir ansonsten für nichts anderes Zeit haben, und da geht es auch meistens um die Themen rund um den Gesang. Dadurch kann man, glaube ich, ein bisschen durchdrehen, wenn man sich nicht ab und zu Schlupflöcher in andere Themen sucht.

Ein weiteres Thema, mit dem du dich innerhalb des HIDALGO Festivals 2021 auseinandergesetzt hast und das sich ebenfalls in „Le Nozze di Figaro“ findet, ist der sexuelle Missbrauch. Ist es Zufall, dass sich dieses wichtige Thema häufiger in Projekten, die du wahrnimmst, findet?
Ja (lacht). Es ist Zufall, aber ich bin froh, dass ich doch etwas dazu beitragen konnte. Ich gehört zu denen, die bis jetzt keine schlimmen persönlichen Erfahrungen mit dem Thema gemacht haben. Es gab auch bei mir mal Ansätze davon, aber jetzt nichts so Krasses, was ich da verkörpert, vertont oder dargestellt hätte. Es ist einfach verrückt, dass so etwas passiert. Wir haben den Stoff gehabt, um den die Idee und das Projekt entstanden sind, aber ich wünschte ehrlich gesagt, diese ganzen Storys würden gar nicht erst existieren.

Dann lass uns über die Oper reden. „Le Nozze di Figaro“, ist das für dich nicht mittlerweile schon ein alter Hut, den du in- und auswendig kennst?
Ja, ist es. Ich kenne mich mit dieser Oper sehr gut aus, trotzdem lerne ich bei jeder Probe so viel Neues dazu. Da gibt es unendlich viel zu verfeinern. Aber ja, es ist die Partie, die ich bis jetzt am häufigsten gesungen habe.

Die Oper soll recht schwer zu beschreiben sein, aber du als Profi kannst das sicher trotzdem versuchen.
Also …Wie soll ich’s zusammenfassen… Wir haben ein Paar, das jede Minute heiraten möchte, Susanna und Figaro. Sie sind beide angestellt im Hause von Graf und Gräfin Almaviva. Zwischen diesem Ehepaar läuft es nicht mehr so gut. Der Graf sucht Ablenkung und Fun bei allen anderen Frauen außer bei seiner eigenen. Er kennt wirklich keine Grenzen. Und jetzt hat er ein Auge auf Susanna geworfen. Sie spürt das, traut sich aber nicht, ihrem Mann gegenüber etwas zu sagen, weil die Männer gut befreundet sind und sie sich deswegen auf dünnem Eis bewegt. Außerdem ist der Graf ihr Vorgesetzter, woraus sich ein Machtgefüge ergibt. Letzten Endes erfährt Figaro von ihr davon und ist außer sich. Er legt den Grundstein für die Revolution.

Du hast schon an andere Inszenierungen mitgewirkt. Was macht diese hier so besonders? Was sind ihre Eigenheiten?
Diese Inszenierung ist auf eine Art düster und irgendwie grotesk. Sie hat einen gruseligen, spukigen Touch. Ich bin ein großer Fan der Regisseurin, Lydia Steier. Sie hat einen so frischen Blick auf die Oper geworfen, indem sie sich mit etwas beschäftigt hat, über das immer spekuliert wird. Was empfindet Susanna denn eigentlich für den Grafen? Ist das nur Ekel? Ist sie einfach nur genervt von ihm? Oder gibt es eine gewisse Anziehung? Es ist superinteressant zu beobachten, wie sich diese Spannung im Laufe der Akte immer mehr entwickelt.

Was gefällt dir generell an der Figur der Susanna? Magst du sie?
Ja, sehr. Ich mag, dass sie den Überblick über alles hat. Und ich mag, dass sie trotz des Wahnsinns, der um sie herum passiert, die Contenance bewahrt, professionell bleibt und weiterhin ihre Arbeit macht. Sie ist trotzdem so liebevoll, so herzlich, lebendig und fleißig.

Ließe ihr Kampf sich nicht fast als Mozarts-Version einer Me-Too-Geschichte auslegen?
Total! Es ist eine Me-Too-Geschichte schlechthin, wegen der übergriffigen männlichen Figuren. Allen voran der Graf.

Könnte man das Happy End des Stücks dann schon fast als empowernden Triumph Susannas und Figaro als den edlen Helden auslegen, weil er sich mit dem Grafen anlegt?
Ich denke, bei uns geht das nicht. Bei uns ist alles ein bisschen anders. Besonders das Ende ist so anders als alles, was ich bisher miterlebt habe. Unsere Inszenierung weicht ein bisschen ab von der Originalhandlung und das löst Lydia eigentlich sehr gut durch die letzte Szene. Normalerweise sind alle Paare vom Anfang wieder zusammen, der Graf ist bei der Gräfin und bereut sein Verhalten und Figaro ist bei Susanna. Für den Moment verzeihen alle einander und sind happy. Aber trotzdem wissen wir nicht, ob es morgen wieder von vorne losgehen wird. Bei uns sind viele Menschen am Ende nicht happy, vor allem Susanna und der Graf.

Manche werfen der Figur des Figaros vor, sie würde nur aufbegehren, um aufzubegehren, und eigentlich gar kein klares Ideal haben. Siehst du das auch so? Es handelt sich immerhin, um deinen „Geliebten“?
Ja, er ist eben auch nur ein Mann … Das sehe ich auch so. Im Figaro steckt etwas… Im Kern ist er ein leicht gewalttätiger, leicht übergriffiger Macho-Typ und ich glaube, nur seine Position erlaubt ihm nicht, das auszuleben. Je mehr er vordringt und mit seiner Revolte erreicht, umso mehr zeigt er auch seine wahren Triebe und die narzisstische Art.

Wenn du einen anderen Charakter aus dieser Oper singen müsstest, egal ob männlich oder weiblich, welcher wäre das?
Der Graf (lacht). Ich finde seine Arie richtig geil. Außerdem kann man den Grafen auf so viele verschiedene Arten und Weisen darstellen. Das geht sowieso mit allen Charakteren, aber gerade bei ihm gibt es Millionen Wege. Die Psychoanalyse des Grafen fände ich auch superinteressant. Ich habe das Gefühl, dass er die ganze Zeit eine Fassade errichtet hat und ich würde gerne entdecken, was dahintersteckt.

Die Inszenierung wurde mit großartigen Kostümen ausgestattet. Hat man da als Darsteller oder als Darstellerin eigentlich irgendein Mitspracherecht? Kann man sich bestimmte Details wünschen?
Wenn irgendwas gar nicht passt, dann werden wir auf jeden Fall gehört. Wir dürfen was sagen, so war zumindest bis jetzt immer meine Erfahrung. Aber ich bin auch ziemlich entspannt und vertraue da den Kostümbildnern. Ich weiß, dass sie wissen, was sie tun, und ihr Bestes geben, damit wir uns wohlfühlen und auch möglichst gut aussehen. Ob mir jetzt eine bestimmte Farbe steht oder nicht, ist völlig egal. Darum geht es nicht. Hauptsache, es drückt nicht an der Stelle, an der ich atmen muss, und nimmt nicht so viel Fokus von meinem Gesang, damit ich mich wohlfühle. Darauf passen die schon immer auf und ich habe bisher wirklich gute Erfahrungen gemacht.

Zuletzt eine Art Doppelfrage: Welche Stelle in der Oper singst du am liebsten und welche Szene wird euer Publikum am meisten umhauen?
Welche Szene ich am liebsten singe … Erst einmal die Arie im vierten Akt und dann die Szene mit Figaro und Susanna, in der wir diesen Kampf haben und sie ihn schlägt. Ich finde die Szene unglaublich schön und sie hat einen guten Aufbau. Da explodiert alles und dann beruhigen sie sich wieder. Ich glaube, das wird das Publikum umhauen, was er da in dieser Szene mit ihr macht.

●Filine Hunger

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Ein letztes Wort im April

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Ein letztes Wort im April


mit dem Ministerpräsidenten Stephan Weil

Herr Weil, der Fachkräftemangel scheint auch in der Staatskanzlei angekommen zu sein. Der Wettbewerb um die besten Köpfe kostet viel Geld ..
Und Sie sind ein Spaßvogel. Aber im Ernst, wenn jemand zehn Jahre lang schlechter bezahlt werden soll als eine Arbeit bewertet ist, dann muss man die Frage stellen, ob die Kriterien für eine solche Entscheidung richtig sind. Zumal auch im öffentlichen Dienst der demografische Wandel immer spürbarer wird und wir attraktive Arbeitgeber sein müssen. Und  wenn man dann noch feststellt, dass sowohl der Bund als auch die anderen angefragten Länder es anders machen als Niedersachen, dann muss man über Änderungen nachdenken.

Es gibt also keinen Skandal und Fehler wurden auch nicht gemacht?
Sicher hätten wir es uns und allen Beteiligten leichter machen können durch eine zeitliche Distanz zwischen der Änderung unserer bisherigen Praxis und der Entscheidung im Einzelfall. Inhaltlich stehe ich allerdings unverändert zu beidem. Dass jetzt versucht wird, aus diesem Vorgang politisches Kapital zu schlagen, müssen wir aushalten.

Womit wir schon fast bei dem Thema sind, über das ich heute eigentlich mit Ihnen sprechen wollte. Letztlich gehören die Skandalisierung, das Hochjazzen von Themen, dieses ständige Polemisieren – manche sprechen auch harmloser von Zuspitzungen – heute ja zum politischen Alltagsgeschäft …
Wobei ich da kurz einhaken möchte, weil ich mich nicht darüber beklage, dass über einen Vorgang in meinem Bereich kritisch berichtet wird. Es ist völlig okay, dass das hinterfragt wird und dass Opposition und Medien genau hinsehen. Das gehört zum politischen Geschäft. Die Amerikaner sagen mit Recht:  Wer keine Hitze verträgt, soll nicht in der Küche arbeiten.

Darüber haben wir an dieser Stelle schon öfter gesprochen. Was aber neu hinzugekommen ist in diesem Geschäft, in einer ganz anderen Qualität, das sind Lügen, Verzerrungen, Fake News und das ist in letzter Zeit auch immer mehr die Meinungsmache mittels KI beispielsweise über Social Bots. Das wird in Amerika demnächst bei der Wahl großen Einfluss haben, und wir müssen auch feststellen, dass das bei uns bereits ebenfalls Einfluss nimmt. Russland hat sich mit seiner Propaganda, mit seinen Narrativen in der deutschen Gesellschaft inzwischen festgesetzt. Wir erleben also eine fragwürdige neue politische Kultur und hinzu kommt noch diese Einflussnahme …
Wenn wir zunächst kurz bei dieser politischen Kultur bleiben, dann ist es auch aus meiner Sicht so, dass wir tatsächlich deutliche Veränderungen feststellen. Inzwischen ist der Skandal gewissermaßen der Regelfall. Und wir erleben immer öfter eine Reduzierung auf schwarz und weiß –  auch dort, wo man es mit sehr komplizierten Sachverhalten zu tun hat, die man durchaus unterschiedlich bewerten kann. Die Wirklichkeit ist aber ganz oft grau, in unterschiedlichen Schattierungen. Wenn alle sich das bewusst machen, kann man sachlicher und auch ruhiger diskutieren. Das ist nach meinem Eindruck tatsächlich weniger geworden und auch Folge einer neuen Medienwelt. Im Zuge der Digitalisierung sind Klicks zur eigentlichen Währung geworden, und damit ist der Reiz groß, es mit besonders knackigen und knalligen Messages zu versuchen oder mit provokanten Überschriften.

Was dann mit Qualitätsjournalismus leider nicht mehr viel zu tun hat.
Ich habe aber auch nicht wirklich eine Idee, wie die Medien, die ja im Wettbewerb stehen, das zurückdrehen könnten. Es gibt auch eine Tendenz zu immer kürzeren Formaten. Umfangreichere Kommentare, in denen noch unterschiedliche Akzente herausgearbeitet werden können, werden leider immer seltener.

Die Qualität leidet überall, auch in den Tageszeitungen.
Das ist teilweise so und das bedauere ich sehr. Es wird aber vielerorts auch nach wie vor sehr gute journalistische Arbeit geleitet, das gehört zur Wahrheit dazu.

Und ich bin ganz froh, dass wir ein Print-Monatsmagazin machen, ohne den Druck, laufend Push-Meldungen produzieren zu müssen. Wobei zu diesem Mechanismus ja auch zwei Seiten gehören. Die Leute klicken, weil das die Instinkte anspricht. Wenn etwas aufregt, Angst macht, dann wird geklickt. Das funktioniert über Emotionen. Aber das alles gehört im Grunde noch nicht zur neuen Problematik der Fake News und Propaganda. Wenngleich die beschriebene Verflachung solche falschen Nachrichten begünstigt. Es ist heute leichter, damit durchzudringen. Und dann liest jemand auf Facebook drei knackige Kommentare zum Konflikt in Israel und hat bereits eine Meinung – bei einem Thema, das unfassbar komplex ist.  
Das ist ein echtes Problem. Ich war in dieser Woche in einer Schule, in der es eine große Diskussion zu Europa gab mit vielen Schülerinnen und Schülern. Aber es ging die Hälfte der Zeit nicht um Europa, sondern um Palästina und Gaza. Und es ging sehr viel um den Begriff Genozid. Manche behaupteten, was Israel mache, sei ein Genozid. Und ich habe dagegengehalten und betont, dass ich mir sehr wünsche, dass die Gewalt dort sofort aufhört, aber dass wir es nicht mit einem Genozid zu tun haben. Dieser Begriff ist gerade vor dem Hintergrund der Shoah völlig unangemessen und faktisch falsch.

Es gibt ja sehr viele, reichlich schräge Erzählungen. Ich denke da beispielsweise an die Nazis in der Ukraine, ich denke an die angeblich gekaufte Maidan-Revolution, ich denke an den Vorwurf, dass die Ukraine im Donbass Russen ermordet haben soll. Diese russischen Narrative sind bei uns inzwischen eingesickert und sie wirken in den Hinterköpfen. Sehr viele Menschen halten diese Geschichten für wahr. Und sie positionieren sich entsprechend. Ist den politisch Verantwortlichen eigentlich klar, dass wir in dieser Hinsicht bereits seit vielen Jahren sozusagen im Krieg mit Russland sind?
Ich denke da auch an Corona und diese Geschichte, dass bei der Impfung irgendwelche Implantate von Bill Gates gespritzt worden sein sollen. Ich habe das damals zunächst abgetan, weil ich davon ausgegangen bin, dass das niemand glaubt. Aber nicht wenige haben das tatsächlich geglaubt und ich habe das wirklich unterschätzt. Doch zu ihrer Frage. Ja, ich glaube, inzwischen ist das vielleicht nicht allen, aber vielen klar. Über Social Media kann Schlimmes angerichtet werden, KI ermöglicht Manipulationen. Dieser Gefahr müssen wir uns bewusst sein und dagegen angehen. Das beginnt in der Schule mit der Vermittlung von Medienkompetenz. Und das hat jetzt immerhin auf EU-Ebene mal einen Anfang genommen, mit dem Artificial Intelligence Act. Damit wird zum ersten Mal versucht, ein Regelwerk aufzustellen und zu differenzieren zwischen Anwendungen, die eher risikoarm oder aber hochriskant sind. Die Technik ist einer Regulierung derzeit meilenweit voraus, diesen Abstand müssen wir entscheidend verkürzen. Da aufzuholen, ist für die Zukunft unserer Demokratien extrem wichtig.

Interview: Lars Kompa

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Im Gespräch mit Dr. Catrin Kuhlmann: Was macht eigentlich die Hannoversch-Britische Gesellschaft

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Im Gespräch mit Dr. Catrin Kuhlmann: Was macht eigentlich die Hannoversch-Britische Gesellschaft


Kannst du dich kurz vorstellen …
Ich bin studierte Anglistin und Germanistin und als freiberufliche Pressesprecherin, Texterin und Redenschreiberin tätig. Ich bin 2001 nach Hannover zur NORD/LB gekommen als Redenschreiberin für die Vorstände. Zwei der früheren Vorstandsvorsitzenden waren zugleich Honorarkonsule von Großbritannien. Über die Veranstaltungen des Konsulats bin ich mit der Hannoversch-Britischen Gesellschaft in Kontakt gekommen – und habe mich dort gleich sehr wohl gefühlt.

Stichwort Anglistikstudium: Hattest du schon immer Interesse an Großbritannien, Land und Leuten …?
Ich habe keinen familiären Bezug zu Großbritannien, aber ich reise regelmäßig dorthin und habe wie gesagt englische Literatur- und Sprachwissenschaft studiert und über den angloamerikanischen Autor Christopher Isherwood promoviert. Was ich an Großbritannien so mag, ist diese gewisse Gegensätzlichkeit. Einerseits kennen wir UK als das Land der Gentlemen und Ladies mit den perfekten Umgangsformen, ein Land von passionierten Hunde- und Pferdeliebhabern in Tweedanzügen mit einem untrüglichen Gespür für würdevolle, aber deutliche Selbstdarstellung. Und gleichzeitig haben die Briten zum Beispiel den Punk hervorgebracht, viele anarchistische Bewegungen, die rebellische Kultur der Street Art und so weiter. Das mag ich an Großbritannien: Es hat so viel Charakter, so viele Gesichter und Gegensätze, es ist ein Land von Individualisten – und dennoch zerfällt es nicht. Mehr noch, die Briten sind stolz auf ihr eigenes Land. Und was ich natürlich auch sehr liebe, ist der britische Humor. Der hilft in sehr vielen Momenten des Lebens mit der Botschaft „Nimm dich nicht zu wichtig. Mach einfach eine ironische feine Pointe draus und dann carry on“. Vielleicht könnte man sogar sagen, dass der Humor auch der Kitt ist, der das Land mit seinen vielen Facetten zusammenhält.

Und wieso hast du dich letztlich dazu entschlossen, Mitglied der HBG zu werden?
Das Honorarkonsulat hat damals jährlich eine große Queen’s Birthday Reception gefeiert. Dort hatte ich zunächst meinen Vorstandskollegen Torsten Oliver Deecke und dann weitere Vorstandsmitglieder kennengelernt – und dann ging es mit dem Vorstandsamt auch ziemlich schnell. 2014 haben mich die Mitglieder zur Schriftführerin gewählt und vor etwa drei Jahren zur Vorstandsvorsitzenden. Für mich war es wichtig, dass der damalige aktive Vorstand und die Mitglieder so engagiert und aufgeschlossen waren. Die Stimmung war und ist einfach immer gut in der HBG.

Wofür bist du in dieser Position zuständig?
Alles. (lacht)

Was bedeutet alles?
Das fängt bei ganz simplen Aufgaben wie der Verwaltung der Adressdateien an, geht über die Veranstaltungsplanung oder die Pflege der Webseite bis zur Kommunikation mit den Mitgliedern. Meine Arbeit umfasst auch die Netzwerkpflege zum Beispiel mit der britischen Botschaft, dem Netzwerk der deutsch-britischen Gesellschaften in Berlin und in verschiedenen deutschen Städten. Zum Glück sind wir ein siebenköpfiges Vorstandsteam, sodass die Arbeit immer auf mehrere Schultern verteilt ist.

Du hast ja einige Erfahrung in den Bereichen Journalismus und PR: Ist das bei der Arbeit, die du dort machst, von Vorteil?
Ja, absolut. Der persönliche Kontakt zu den Mitgliedern und wie man die Gesellschaft oder den Verein aufstellt, wie man ihn führt, das hat alles vor allem mit Kommunikation zu tun. Zurzeit ist ja insgesamt in Deutschland der Trend zu beobachten, dass Vereine mehr und mehr um Mitglieder kämpfen müssen, und in sehr vielen Vereinen übersteigt die Zahl der Austritte die Eintritte. In der Pandemie hat sich das verstärkt. Wir haben jedoch einen großen Mitgliederzuwachs in der HBG, und zwar ohne, dass wir aktiv Werbung machen. Ich bin überzeugt, dass die Kommunikation absolut zentral ist, damit eine Gesellschaft wie die unsere ein Gesicht und eine Identität bekommt, die es den Menschen leicht macht, sich anzuschließen und sich willkommen zu fühlen. Da hilft mir mein beruflicher Hintergrund sehr.

Gibt es denn bestimmte Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft?
Nein. Es ist nur wichtig, dass man sich allgemein für Großbritannien interessiert, für die Kultur und alles, was das Land und die deutsch-britischen Beziehungen betrifft. Ansonsten wünschen wir uns einfach nette, kommunikative Menschen, die aktiv teilnehmen, offen sind und sich einbringen. Wir haben Mitglieder aus den verschiedensten walks of life und quer durch alle Altersklassen, die sich auf unseren Veranstaltungen kennenlernen, miteinander sprechen und sich gegenseitig anregen.

Du hast gerade schon negative Entwicklungen für andere Vereine angesprochen. Bei euch steht die deutsch-britische Beziehung im Fokus: Hat der Brexit 2021 diese Beziehung verändert? Haben sich Probleme ergeben?
Definitiv. Zum einen sind der studentische Austausch und Schüleraustauschprogramme sehr schwierig geworden. Die Briten sind aus dem Erasmus-Programm ausgestiegen, und daher können britische Studierende nicht mehr so einfach für ein Auslandsjahr nach Deutschland kommen. Deutsche Studierende müssen in Großbritannien jetzt die vollen Studiengebühren für Studierende aus Drittländern bezahlen, die oft so um die 40.000 Pfund pro Jahr liegen. Es war natürlich schon immer sehr teuer, aber jetzt ist es nochmal über eine Schwelle getreten, die es noch weniger jungen Leuten oder ihren Eltern ermöglicht, ein Studium oder Auslandssemester in Großbritannien überhaupt in Betracht zu ziehen. Auch der Schüleraustausch funktioniert nur noch mit großem Aufwand. Zum einen nimmt das Interesse am Deutschlernen in Großbritannien kontinuierlich ab, und zum anderen sind die Bürokratie und Visumsanforderungen im Vorfeld unfassbar hoch. Gerade der Schüleraustausch ist ein Thema, für das sich sowohl der deutsche Botschafter in London als auch die britische Botschafterin in Berlin Jill Gallard sehr einsetzen. Ich hoffe, dass da bald wieder mehr möglich sein wird. Jedenfalls kann man feststellen: Der Brexit ist im Alltag auf beiden Seiten des Kanals angekommen.

Wo setzt ihr von der Hannover-Britischen Gesellschaft entsprechend mit eurer Arbeit an?
Wir konzentrieren uns stark auf die britischen Wurzeln in Hannover und füllen diese mit Leben. Dabei steht der Vernetzungsgedanke immer im Fokus. Unser Angebot an unsere Mitglieder ist sehr breit gefächert. Wir bieten wissenschaftliche Veranstaltungen und Besichtigungen, treffen uns zu Sportevents mit britischem Einschlag, richten gesellige Abende im Shakespeare Pub gemeinsam mit der Royal British Legion aus, wir feiern den King’s Birthday, spielen ein Croquet-Turnier im Jahr, machen gerade einen Lektürekurs zu britischer Literatur in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Stadtakademie und wir haben die Krönung von King Charles groß gefeiert im letzten Jahr. Zudem organisieren wir für unsere Mitglieder regelmäßig ein verlängertes gemeinsames London Weekend, und wir beteiligen uns organisatorisch am British Symposium auf Gut Remeringhausen im Juni. Besonders herausragend ist unser neues studentisches Reisestipendium, die Ten Days Of Freundship, mit dem wir die Beziehung zwischen den beiden Ländern wieder verbessern wollen. Das haben wir 2023 erstmals durchgeführt und werden das jetzt regelmäßig alle zwei Jahre machen. Dazu laden wir zwei bis drei Deutsch-Studierende der Uni Bristol ein, für zehn Tage nach Hannover zu kommen. Sie wohnen in Gastfamilien, und wir stellen für sie ein umfassendes Programm auf die Beine, mit dem sie die vielfältigen Verbindungen zwischen Großbritannien und Hannover bzw. Niedersachsen kennenlernen. Wir besuchen mit ihnen Orte wie den Landtag, die Herrenhäuser Gärten, die Madsack Mediengruppe, Volkswagen oder auch das Konzentrationslager Bergen-Belsen sowie andere Orte in und um Hannover, die für ein Stück gemeinsamer britisch-deutscher Geschichte stehen. Was mich besonders freut: Bei unseren Anfragen sind wir nahezu immer mit offenen Armen eingeladen worden. Sogar die Landtagspräsidentin Hannah Naber oder Hannovers MdB Adis Ahmetovic haben sich eine Stunde Zeit genommen für einen persönlichen Austausch mit unseren Gästen. Wenn die Studierenden zurückfliegen, nehmen sie unendlich viele neue Eindrücke mit – und ab dann sind sie ihr Leben lang quasi kleine Hannover-Botschafter in Großbritannien.

Darauf aufbauend schließen wir gerade ein weiteres Projekt an mit dem Namen Hannover Hangouts. In dessen Rahmen können Deutsch-Studierende aus Bristol über einen flexiblen Zeitraum nach Hannover kommen und bekommen von uns eine Gastfamilie aus unserer Mitgliederschaft vermittelt. Dort können sie kostenfrei wohnen und frühstücken. Über unser Netzwerk lernen sie die Stadt kennen und knüpfen mit vielen Mitgliedern persönliche Kontakte.

Gibt es ähnliche Angebote denn auch für Englisch-Studierende aus Hannover?
Leider nicht. Wir haben noch keinen Anlaufpunkt in Großbritannien gefunden, der sich auf diese Weise aus dem anderen Land heraus engagieren kann. Sollte jemand diese Zeilen lesen und eine entsprechende Verbindung in Großbritannien herstellen können, dann möge er oder sie sich sehr gerne bei uns melden!

Bei all den unterschiedlichen Angeboten, die ihr habt: Hast du ein Lieblingsprojekt? Etwas, das dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
Wir haben 2021 einen englischen Schreibwettbewerb für Schülerinnen und Schüler aus Hannover und der Region organisiert. Das war Teil der offiziellen Jubiläumsfeierlichkeiten rund um den 75-jährigen Landesgeburtstag Niedersachsen und sollte an die Beteiligung der damaligen britischen Besatzer bei der Planung und Gründung des Bundeslandes erinnern. Die Aufgabe bestand darin, auf Englisch eine Geschichte, ein Gedicht, ein Essay oder irgendwas anderes über das Thema Freundschaft zu schreiben. Die Texte, die die Schüler*innen eingereicht haben, waren unfassbar toll und facettenreich. Es war total schön zu sehen, welches kreative Potenzial da schlummert.

Ein anderes Projekt, das mir auch sehr in Erinnerung geblieben ist, ist „Georgs Reise“. Vor zehn Jahren haben wir mit einer zweispännigen Reisekutsche die Fahrt des ersten hannoverschen Königs Georg von Hannover nach England zu seiner Krönung nachgestellt. Das Ganze hat knapp einen Monat gedauert. Die Kutsche ist am Leineschloss gestartet und auf den Straßen, die schon damals die Reisestraßen waren, über Belgien und Den Haag bis nach London zum St. James Palace gereist. Über den gesamten Weg waren die Plätze in der Kutsche so vermietet, dass einige Mitglieder ein Stück mitreisen konnten. Und eins unserer coolsten Mitglieder, Wilhelm Lilje, hat die komplette Reise im historischen Kostüm und mit Perücke den Kurfürsten bzw. König Georg verkörpert.

Wie viel Organisation steckt hinter so einem großen Projekt?
Eine Menge. Das ist unfassbar. Ich bin damals neu in den Vorstand gekommen, da war das meiste schon organisiert. Wir hatten das Glück, dass es in Deutschland eine große Kutschenfahrer-Szene gibt mit vielen begeisterten Menschen, die untereinander sehr gut vernetzt und sehr hilfsbereit und engagiert sind. An vielen Orten durfte die Kutschbesatzung samt Pferden auf den Höfen dieser netten Leute einkehren, die Pferde unterstellen und zum Teil auch übernachten. Außerdem wurde die Kutsche an vielen Orten entlang der Route mit viel Begeisterung empfangen. Oft gab es richtige kleine Events im Rathaus oder auf dem Marktplatz. Aber natürlich steckte noch viel, viel mehr Arbeit dahinter: die Kontakte zu den Verwaltungen in den verschiedenen Ländern, die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen, das Management mit den Verantwortlichen in den Orten entlang der Reise. In diesem Fall hat sich unser Vorstand Hugh Pierson monatelang reingehängt und alles in Bewegung gesetzt … Am Ende klappt sowas nur, wenn sich Menschen reinhängen und persönliche Beziehungen auf- und ausbauen – in diesem Fall war das unser Vorstand Hugh Pierson, der monatelang wirklich alles in Bewegung gesetzt hat.

Interview: Laura Druselmann

Mehr Infos: www.hannoverschbritischegesellschaft.org

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