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Augsteins Chauffeur und die Geflüchteten

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Augsteins Chauffeur und die Geflüchteten


Es könnte sein, dass es Nikolaus Blome gar nicht gibt. Betrachtet man die Karriere des Spiegel-Online-Kolumnisten, RTL-Politik-Ressortleiters und ehemaligen stellvertretenden BILD-Chefredakteurs könnte man vermuten, dass es ich bei ihm um einen fiktionalen Charakter handelt. Erfunden vom gelangweilten Spiegel-Erben Jakob Augstein irgendwann Ende der 80er beim nachmittäglichen Gin-Tonic.
In diesem Szenario hätte Augstein damals einen frustrierten Jungschauspieler mit dem Versprechen auf die Rolle seines Lebens aus irgendeiner Provinz-Stadttheater-Kantine herausgeholt, ihm eine lebenslange monatliche Apanage versprochen und ihn seitdem durch die deutsche Presselandschaft geistern lassen. Rollenbeschreibung: „Liberal-Konservativer Journalist“. Ziel: Ridikülisierung dieser Existenzform.
Mit zur Rollenbeschreibung gehörte dann auch, im Fernsehen als Sparringspartner Augsteins aufzutreten, um sich von diesem in gescripteten Wortgefechten vorführen zu lassen; „Blome“ dabei durchaus einigermaßen eloquent, aber doch immer leicht verkniffen wirkend, Augstein den entspannten linksliberalen Hände-in-den Hosentaschen-Lebemann gebend. Neuerdings hat Augstein dieses sadomasochistische „Master and Servant“-Setting offensichtlich noch verschärft: „Blome“ muss ihn jetzt während der Diskussion durch Berlin chauffieren. Dazu wurde die Sendung in „Gegenverkehr“ umbenannt.  Willkommen in der Wortspielhölle. Fehlt nur noch, dass „Blome“ eine Uniform tragen muss. Gelegentlich sitzt allerdings auch Augstein am Steuer, aber das wirkt dann immer als kutschiere der Fürst ausnahmsweise den Knecht durch die Gegend. Aus Spaß. Weil ihm mal wieder so schrecklich öde ist.
Aber vermutlich ist das alles Wunschdenken, vermutlich gibt es diesen „Blome“ wirklich, und vermutlich glaubt er auch ernsthaft, er sei kein Reaktionär, sondern ein rational denkender Mensch, der im Gegensatz zu den linken Träumern die Welt so sieht, wie sie eben ist. Frei von jeder Ideologie. Vor einigen Wochen schrieb Blome in seiner Spiegel-Online-Kolumne: „Natürlich gibt es keine »guten« oder »schlechten« Flüchtlinge, wenn das eine moralische Kategorisierung sein soll. Aber, face it: Im Vergleich der beiden Flüchtlingswellen stechen gruppenspezifische Merkmale und Unterschiede heraus (…) Die ukrainischen Flüchtlinge haben in Summe, ganz pauschal, mehr mit der hiesigen Mehrheitsgesellschaft gemein als die Flüchtlinge und Asylsuchenden aus dem Nahen und Mittleren Osten.“ Die Ukraine, so Blome weiter, sei nämlich Deutschland nicht nur geographisch näher als Syrien, der Irak oder Afghanistan: „Es dürfte auch etwas damit zu tun haben, dass die Ukraine und Deutschland zwei Länder sind, die jedes auf seine Art zum christlich geprägten Kulturkreis gehören …“
Und zack gibt er – selbstverständlich ganz rational und ideologiefrei – den Geflüchteten aus Syrien die Schuld dafür, dass man sie hier nicht so mag. Er raunt: „Wenn sich 2015 nicht wiederholt, dann liegt das weniger an den Deutschen als an den Flüchtlingen. Denn die Flüchtlinge sind anders (…)“ Blome packt die Gelegenheit beim Schopf und missbraucht sowohl die syrischen wie auch die ukrainischen Geflüchteten, um mal wieder das bekannte Glaubensbekenntnis der Konservativen herunterzubeten: Nicht alle Menschen sind gleich! Man hört ihn aber laut und deutlich mit den Zähnen knirschen, wenn er eingestehen muss, dass die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland das anders sehen. Dass der Rechtsstaat –zumindest in der Theorie – auf Seiten der Menschen steht, die die „migrationspolitische Vorneverteidigung“ betreiben, indem sie die Gleichheit Aller postulieren. Blome schreibt tatsächlich und allen Ernstes über diese – ihm spürbar unsympathischen – „einschlägigen Milieus“: „Kein Mensch ist illegal, heißt es dort, und ergo alle Menschen gleich. Aber das sind sie nur vor dem Gesetz.“ Nochmal, falls es grade jemand überlesen hat: Blome ist der Meinung, dass die Menschen „nur vor dem Gesetz“ gleich sind. Sonst nicht.
Diese Sätze lesend hofft man kurz noch einmal, dass dieser Mann wirklich nur ein schlechter Witz Augsteins ist. „Aber, face it“: Nikolaus Blome ist genau so echt wie Marc Felix Serrao, der Chefredakteur der deutschen Ausgabe der „Neuen Züricher Zeitung“, der im Februar in Bezug auf die ukrainischen Geflüchteten schrieb: „Diesmal sind es echte Flüchtlinge.“ Ein, angesichts des Leidens der Menschen im Irak, Syrien und Afghanistan, auch für einen „Konservativen“ wahrlich monströser Satz.   Hartmut El Kurdi

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Editorial 2022-05: Über Armut

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Editorial 2022-05: Über Armut


Liebe Leserinnen und Leser,
Armut – über dieses Thema habe ich in dieser Ausgabe mit Klaus-Dieter Gleitze, Geschäftsführer der LandesArmutsKonferenz (LAK) gesprochen.
Und mir ist im Verlauf des Gesprächs nicht nur wieder einmal klar geworden, wir groß dieses Problem tatsächlich ist, auch in Deutschland, in diesem
sehr reichen Land, sondern wie groß dieses Problem künftig noch werden könnte, wenn wir nicht endlich ein paar Weichen ganz neu stellen.
Doch zunächst mal zur aktuellen Situation in Deutschland. Was ich (und Klaus-Dieter Gleitze geht es da ganz ähnlich) immer wieder höre, ist die Erzählung von der Klage auf hohem Niveau. „Schau dich mal um in der Welt“, wird beim Thema Armut in Deutschland gerne entgegnet, „bei uns kommt das Wasser sauber aus dem Hahn, bei uns muss niemand verhungern. Und wer in Deutschland nicht arm sein will, der muss sich halt ein bisschen anstrengen und die Ärmel hochkrempeln. Wer Arbeit finden will, der findet Arbeit.“ Und so weiter …
Aber wenn du 12 Jahre alt bist und zum Beispiel in Mühlenberg wohnst, findest du keine Arbeit. Und wenn du 82 bist und in Linden deine Mieterhöhung
bekommst, nützt es leider gar nichts, die Ärmel hochzukrempeln.
Armut hat in Deutschland sehr viele unterschiedliche Gesichter. Und eins ist sicher, nur ganz wenige Menschen sind freiwillig arm. Sehr viele Menschen
leben in Deutschland in prekären Verhältnissen, der Lohn reicht oft kaum zum Leben, viele müssen aufstocken. Wer noch nie diesen Mangel
erlebt hat, der kann sich kaum hineindenken. Wie es sich zum Beispiel anfühlt, wenn die Waschmaschine rumzickt und einfach keine Rücklagen für eine neue da sind. Es ist kein gutes Gefühl, immer mit den Zehenspitzen direkt am Abgrund zu stehen. Da ist die Angst, endgültig abzurutschen, ein ständiger Begleiter. Man hat permanent diesen Stress, dass es hinten und vorne nicht reicht. Das macht krank. „Arme Männer sterben bei uns elf Jahre früher, arme Frauen sieben Jahre früher“, erzählt mir Klaus-Dieter Gleitze in unserem Gespräch.

Ja, Armut ist ein Problem, auch bei uns in Deutschland.
Und dieses Problem wird nun angesichts der vielen sich überschneidenden Krisen nicht kleiner werden. Wir haben bereits eine heftige Inflation, eventuell schlittern wir demnächst in eine handfeste Rezession. Und gleichzeitig wütet überall auf der Welt bereits der Klimawandel, wir sehen einen Anstieg der regionalen Konflikte, wir haben plötzlich einen Krieg mitten in Europa.
Für die armen und ärmsten Menschen auf der Welt droht millionenfach der Tod. Und viele werden sich in den kommenden Jahren auf den Weg machen, um diesem Schicksal zu entgehen.
Die Aussichten sind alles andere als gut. Gibt es einen Weg aus dieser Misere?
Klaus-Dieter Gleitze hat dazu für Deutschland ein paar sehr konkrete und einleuchtende Ideen. Und auch darüber hinaus scheint der Weg ziemlich
klar, es wird darum gehen müssen, dem Kapitalismus die Zähne zu ziehen und grundsätzlich umzudenken. Eine Welt, in der die eine Seite ständig versucht, die andere zu übervorteilen, in der Menschen auf Kosten anderer Menschen leben, in der der Stärkere sich alles nimmt, so eine Welt wird irgendwann explodieren. Und wir sehen momentan, dass unsere Welt bereits an vielen Stellen lichterloh brennt. Schaffen wir das noch?
Ich war mein Leben lang optimistisch und bin es noch, trotz all der Rückschläge, die wir momentan erleben.
Ich will meine Zuversicht nicht verlieren.
Es gibt auf der Welt so viele vernünftige, kluge, wohlmeinende Menschen. Menschen, die gerne teilen, die fürsorglich sind, die gerne helfen. Die anderen die Hand reichen. Menschen, die menschlich sind.
Und ich wünsche mir, dass genau diese Menschen nun gemeinsam aufstehen.
Unsere Welt versinkt momentan im Elend und ich sehe ein, dass wir gar keine andere Wahl haben, als mit gleichen Mitteln und mit aller Härte auf die Aggressionen zu reagieren. Aber wir müssen darüber hinaus schon jetzt sehr viel weiter in die Zukunft denken. Wenn wir unsere Freiheit und unseren Wohlstand dauerhaft bewahren wollen, dann gibt es nur einen Weg: Wir müssen daran arbeiten, dass möglichst alle Menschen auf der Welt gleichermaßen gut und in Frieden leben können, wir müssen für mehr Gerechtigkeit sorgen. Alles, was wir tun, müsste eigentlich auf dieses große Gemeinschaftskonto einzahlen.
Leider gibt es aktuell aber noch viel zu viele Menschen, die von so einem Gemeinschaftskonto nichts wissen wollen. Klaus-Dieter Gleitze hat mir in unserem Gespräch erzählt, dass nur etwa 20 Prozent der Bevölkerung dafür sind, dass es gezielte Hilfen für arme Menschen gibt. Er spricht in diesem Zusammenhang von einem rücksichtslosen, neoliberalen, egoistischen Denken, von einer Brutalität im Denken, und er ist überzeugt, dass sich diese Art zu denken in unserer Gesellschaft in den vergangenen Jahren immer stärker ausgeprägt hat.
Ich hoffe so sehr, dass er sich irrt! Das Gespräch mit Klaus-Dieter Gleitze beginnt auf Seite 50.
Viel Spaß mit dieser Ausgabe!
Lars Kompa
Herausgeber Stadtkind

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Tonträger im Mai

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Tonträger im Mai


Jono McCleery: Moonlit Parade
Der Londoner Singer-Songwriter zeigt, wie es geht: Auf den ersten Blick unspektakuläre, von Blues gefärbte akustische Musik mit elektronischen Elementen, für die er nach seinem Debüt „Darkest Light“ von 2008 den Stempel „Folktronica“ verpasst bekam. Ein unprätentiöser, schnörkelloser, einfach guter Sound, der in Zusammenarbeit mit Drummer Dan See, Bassist Dan Gulino und Keyboarder Steve Pringle entstand.

 

 

 

 

 

Poppy Ajudha: The Power In Us
Vom renommierten britischen Radiosender Jazz FM wurde die in Londons Süden geborene Jazz- und Soul-Sängerin mit St. lucianisch-britischem Hintergrund 2019 zum Soul-Act des Jahres gekürt. Ihr Debütalbum zeigt eine durchweg knackige Mischung aus Soul, R&B, Jazz und Pop. In ihren Texten beackert sie Themen wie Geschlecht, Ethnizität, sexuelle Orientierung, Klassenzugehörigkeit und Kolonialismus.

 

 

 

 

 

Bloc Party: Alpha Games
Nach „Hymns“ von 2016 das sechste Album der britischen Band, die lange das Etikett „das nächste große Ding nach Franz Ferdinand“ trug, da sie nicht nur von ihnen „entdeckt“ wurde, sondern ebenso wie das große schottische Vorbild durch mitreißende, tanzbare Indie-Rock-Songs in Erscheinung trat. Nachdem man zuletzt etwas elektronisch-poppigere Töne angeschlagen hatte, ist nun wieder etwas mehr Wut im Spiel.

 

 

 

 

 

Touraj: Me without you, the spring without you
Der 1951 in Teheran geborene und 2019 verstorbene Musiker Touraj Shabankhani galt als „Scott Walker des Irans“ und war einer der einflussreichsten Künstler der goldenen Ära der Sechziger und Siebzigerjahre im vorrevolutionären Iran. Auf eigene, unangepasste Art verschmolz Touraj traditionelle wie moderne iranische Lyrik mit Harmonien, die traditionelle iranische Musik ebenso in sich tragen wie Rockmusik und Pop.

 

 

 

 

SIND: Kino Kosmos
Zwei Jahre nach „Vielleicht ist es anders als Du denkst“ das dritte Album der 2013 gegründeten Band mit dem ungoogelbaren Namen. Ein bisschen wie bei Gisbert zu Knyphausen geht es hier in zwölf gut gemachten, teils melancholischen, teils fröhlichen Singer-Songwriter-Indiepopsongs um Freundschaft, um Familie, um die Menschen um uns herum, aber auch um Orte, die verschwinden, und Umstände, die sich verändern.

 

 

 

 

Nichtseattle: Kommunistenlibido
Das zweite Album der Berliner Songwriterin Katharina Kollmann nach „Wendekid“, die auch unter dem Namen Lake Felix Musik macht: Kollmanns zart-mauliger, berlinerisch gefärbter Gesang erinnert an Judith Holofernes oder an ihre wilde, früh ausgerissene kleine Schwester. Neun ungeschliffen-schöne Songs, unterstützt von Frieda Gaweda am Flügelhorn, Sebastian Alwin am Schlagzeug und Produzent Olaf O.P.A.L.

 

 

 

 

 

York: The Vintage Funk Vol.1
Schon ein knappes halbes Jahr nach „The Soul Jazz Experience Vol. 1“ kommt hier der zweite Streich des hannoverschen Saxofonisten, Komponisten und Arrangeurs, der zuvor in erster Linie als Studio- und Tourmusiker tätig war. Dort zählten Szenegrößen wie Randy Crawford, Phil Collins, Mousse T., Jazzkantine, Bahama Soul Club und Spice zu seiner illustren Kundschaft. Mit großer Liebe zum analogen Vintage-Sound huldigt der Musiker nun dem 70er-Jahre-Funk und spielte neben Fender Rhodes und diversen anderen elektro-mechanischen Tasteninstrumenten und selbstverständlich Flöte und Saxofon sogar den E-Bass selbst ein. Für die Gesangsparts konnte er aus seinem weitverzweigten Netzwerk die Sänger:innen Josephine und Catherine Nightingale, Pete Simpson, Olvi Dean und Selena Evan gewinnen. Bei so viel geballter Spielfreude ist klar: Die Songs dieser beiden Alben müssen ganz dringend auf die Bühne!

 

 

 

Noth: Die Wahrheit über Arndt
Der Hamburger Komponist, Produzent und Saxofonist Linus Kleinlosen und der Kölner Liedermacher Luis Schwamm lernten sich 2020 kennen. Mit der Band Noth war dann auch schon Arndt geboren, dessen Geschichte dieses liebenswert-schräge Debütalbum in zehn Schnappschüssen anhand von Songs von „Zoo“ bis „Waldbad“ vertont. Arndt arbeitet in einem Hannoveraner Start-up, verliebt sich in Anita, geht zu Karstadt oder sitzt auf dem Sofa und isst Sprühsahne an seinem Geburtstag. Breit instrumentiert, klingt das genauso locker, aber noch ein bisschen verspielter als die Sterne. Drummer Silvan Strauß und Bassist Daniël Eskens bilden die lässige Rhythmus-Basis, Konstantin Herleinsberger und sein Tenorsaxofon sind ein essenzieller Bestandteil der prägnanten Bläser-Arrangements, und Laila Nysten und Rabea Bollmann steuern wohldosiert gestrichene Saiten bei.    ● Annika Bachem

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green.in.pieces. – Nachhaltige Kleidung für Männer

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green.in.pieces. – Nachhaltige Kleidung für Männer


Daniel Klimke liebt Mode. Aber nicht einfach irgendwelche Klamotten, sondern Kleidung, die nachhaltig und haltbar ist. Das ist genau sein Ding und das Motto seiner Vision lautet dann auch „Change the industry – save the planet“. Getreu diesem Motto hat Klimke im Jahr 2020 green.in.pieces. gegründet: Der neue Onlineshop bietet Mode für Männer, die sich bewusst für Marken entscheiden, deren Produktionsprozesse sowohl fair als auch umweltfreundlich sind.   

Die Idee, einen Onlineshop für Männermode zu eröffnen, kam ihm so nach und nach: In jedem Frühling stellte er fest, dass er neue T-Shirts brauchte. Und er verspürte – wie viele andere Männer auch – wenig Lust, lange nach selbigen zu suchen. Er wollte einen Shop, der alles anbietet, was er so mag: Eine Auswahl von Marken, die nachhaltig produzieren. Und die den schädlichen Billigprodukten der Textilindustrie entschieden entgegentreten. Da Klimke solch ein Angebot nun aber nicht fand und er – als Industriekaufmann, der jahrelang Personalleiter in einem Online-Unternehmen war und BWL studiert hat – immer schon den Traum der Selbstständigkeit hatte, hat er schließlich einfach sein eigenes Unternehmen gegründet. Mitten in der Corona-Zeit. Mutig!
Natürlich gab es am Anfang, als Klimke noch alles ganz allein gemacht hat, jede Menge zu tun: Modemarken aussuchen, Hersteller besuchen, Kollektionen zusammenstellen, Internetseite aufbauen mit Design und Marketing, Logistik und Finanzierung. Und natürlich ist es ein langwieriger Prozess, im Onlinebereich eine Markensichtbarkeit zu erreichen. Er selbst hat sich drei Jahre gegeben, um organisch und nachhaltig zu wachsen.
Inzwischen hat alles bestens geklappt, auch dank der fachkundigen Hilfe von hannoverimpuls, wo man sich Zeit für ihn und sein Produkt genommen hat, um ihm mit dem Gutachten für einen Gründungskredit zu helfen und ihm wichtige Impulse mit auf den Weg zu geben. „Bei einer Online-Bewertung“, so Klimke, „würde ich fünf von fünf Sternen vergeben!“ Und so schließt er nunmehr eine Lücke und bietet eine Auswahl an Herrenmode an, die vegan und langlebig ist – und auch der Umwelt oder den Produzent*innen keinen Schaden zufügt. Denn gerade auch als Familienvater wollte Klimke Verantwortung für diesen Planeten übernehmen. Seine Devise lautet deshalb: lieber weniger, dafür aber besser kaufen.
Und im Sortiment von green.in.pieces können Interessierte nun mit Leichtigkeit Jacken, Pullover, Hoodies und Sweater, T-Shirts, Polos, Kappen und Mützen, Unterwäsche und sogar Rucksäcke oder Hipbags finden. Also alles, was ein Mann so für den Alltag benötigt. Die sorgfältig von Klimke ausgewählten Marken stammen aus Dänemark, Schweden und Deutschland … und sie verfügen unter anderem über das „Fair Wear Foundation“-Siegel.
Zur Kundschaft zählen inzwischen Männer zwischen 25 und 55 Jahren – wobei rund die Hälfte der Bestellungen von Frauen kommt. Und erfahrungsgemäß wird, wenn ein Teil gefällt, selbiges gleich in einer anderen Farbe mitgekauft. Das ist möglicherweise einer der Gründe für die erfreulich niedrige Retourenquote von green.in.pieces. Verpackt werden die Produkte übrigens in gebrauchten Kartons, die Klimke von seinen Büronachbarn bekommt. Nachhaltiger geht es eigentlich nicht. Und somit – da ist sich auch Marcus Rohde, Projektleiter Gründung und Entrepreneurship bei hannoverimpuls, sicher – passt green.in.pieces gut in die Zeit, legen doch zunehmend mehr Menschen Wert auf Nachhaltigkeit. Und vielen Männern sei das Klamottenkaufen vor Ort nun einmal eher lästig. „Wir sind überzeugt“, so Rohde, „dass sich der Shop weiter positiv entwickeln wird.“

● CK

green.in.pieces
Davenstedter Str. 60, 30453 Hannover
Telefon: +49 (0) 511 37381307
E-Mail: support@greeninpieces.de
www.greeninpieces.de

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Michael Strickling und Robert Trusheim von der Hannöverschen Tafel e. V.

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Michael Strickling und Robert Trusheim von der Hannöverschen Tafel e. V.


Sie kennen sich schon ihr halbes Leben, waren als Lehrer an der gleichen Schule tätig und sitzen auch heute mindestens einmal in der Woche nebeneinander – während ihrer Tour für die Hannöversche Tafel. „25 Jahre lang haben wir Radtouren zusammen gemacht, jetzt machen wir Touren mit dem Lieferwagen“, lachen die beiden.
Der Verein Hannöversche Tafel wurde 1999 zur Unterstützung von Bedürftigen gegründet, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht in der Lage sind, aus eigener Kraft ausreichend für die Lebensmittel ihres täglichen Bedarfs zu sorgen. Im September 2005 hat die Tafel ein Projekt zur speziellen Hilfe für Kinder ins Leben gerufen. Seither ist die Kindertafel ein wesentlicher Teil ihrer Arbeit geworden.

Verlässlichkeit wird groß geschrieben bei der Hannöverschen Tafel, die mit den beiden Ruheständlern einen Glücksgriff getan hat. Michael Strickling ist schon seit 2016 dabei. „2015 bin ich nach 37 Jahren als Lehrer in Rente gegangen“, erklärt Strickling. „Meine Schwester, die im Kölner Raum lebt, engagiert sich für die dortige Tafel und hat mich auf die Idee gebracht. Ich war eigentlich offen für alles, nur mit Schule sollte es nichts zu tun haben. Ich habe dann angerufen und gefragt, ob man mich brauchen könnte und die Antwort war ‚Können sie morgen anfangen?‘“ Robert Trusheim, seit 2012 im Ruhestand, engagierte sich zunächst in seiner Kirchengemeinde. Seit Stricklings ursprünglicher Beifahrer 2018 schwer erkrankte und Trusheim spontan als Aushilfe einsprang, ist auch er mit dabei.
In ihrer wöchentlichen Tour für die Kindertafel laden die beiden Freunde zunächst Bestände aus dem Lager der Tafel ein und holen dann an sechs Supermärkten überschüssige Lebensmittel ab. Im Anschluss fahren sie Kindergärten und Schulen, die einen Mittagstisch für bedürftige Kinder anbieten, an. Dazu kommen Familien-Wohnheime in Seelze, Garbsen und Hannover-Stöcken. Sechs Stunden müssen die beiden einplanen für ihre Tour. Die Angestellten in den Supermärkten kennen Strickler und Trusheim schon und legen Ware für sie zurück. „Schimmeliges nehmen wir nicht mit, wir sind ja keine Entsorger“, so Strickler. „Und Abgelaufenes dürfen wir aus rechtlichen Gründen nicht mitnehmen, selbst wenn es noch gut ist. Wir haben ja auch eine Verantwortung dafür, dass die Lebensmittel einwandfrei sind. Wenn die Kühlkette zum Beispiel unterbrochen war, müssen wir die Sachen ablehnen. In der Regel bekommen wir das, was noch nicht verkauft ist, wenn eine neue Lieferung gekommen ist. Die Ware muss dann raus, weil die Supermärkte einfach keinen Platz dafür haben.“
„Einmal haben wir sogar Akquise gemacht und Mitarbeiter eines Aldi-Marktes angesprochen, der auf der Strecke lag“, erzählt Trusheim. „Die Tafel musste dann in der Filialdirektion um Erlaubnis fragen. Dort wurde grünes Licht gegeben und seitdem fahren wir diesen Markt auch an. Das ist super, weil er ja genau auf unserem Weg liegt.“
Für die Tätigkeit als Fahrer bei der Tafel muss man natürlich in erster Linie Autofahren können, ein guter Orientierungssinn kann auch nicht schaden. „Und man sollte schon zupacken können“, erklärt Strickling. „Wenn die Kisten voll sind, wiegen die schon mal 20 Kilo.“ In der Regel werden Ausgabestellen, oft in Räumen von Kirchengemeinden, angefahren, bei denen die Waren sortiert in Kisten präsentiert werden. Menschen, die sich hierfür zunächst registrieren und ihre Bedürftigkeit nachweisen müssen, können dann aus den Lebensmitteln gegen einen symbolischen Beitrag von ein oder zwei Euro auswählen, was sie brauchen. Wenn Strickler und Trusheim morgens losfahren, wissen sie nicht, was die Supermärkte ihnen zur Verfügung stellen werden. „Das ist manchmal nicht einfach“, so Trusheim, „denn die Leute sind ja wirklich darauf angewiesen.“ „Leider haben wir den Eindruck, dass die Menge der überschüssigen Lebensmittel kleiner wird“, ergänzt Strickler. „Vielleicht können die Märkte heute besser kalkulieren.“
„Es ist eine gute Sache, die wir hier machen“, freut sich Strickler. „Wir hatten beide Glück im Leben und geben nun etwas zurück, indem wir etwas für unsere Mitmenschen tun“, ergänztTrusheim. Beide haben sichtbar Spaß an ihrer Tätigkeit und der Begegnung mit den Menschen auf ihrer Tour. „Im Laufe der Jahre bauen sich da auch persönliche Beziehungen auf“, beschreibt Strickler, „und das ist eigentlich das Schönste daran.“            ● Annika Bachem

www.hannovertafel.de

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Flauschecke

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Flauschecke


Ende 2021 schloss mit der Wollkultur in der Sallstraße die Anlaufstelle für Handarbeitsfreund*innen in der Südstadt – doch nicht für lange, denn mittlerweile beherbergen die Räumlichkeiten wieder Strick- und Häkelutensilien jeder Art: Mit der Flauschecke hat Anika Friedrich ein Hobby zum Beruf gemacht. Seit November 2021 betreibt sie einen Onlineshop für Wolle, im März 2022 kam nun noch der Laden dazu. Der soll in Zukunft nicht nur alles bieten, was Wollsüchtige für ihre Projekte benötigen, sondern auch ein Ort für Strickkurse und Treffen in gemütlicher Runde werden.   

„Dass ich diese Räume hier bekommen habe, war ein totaler Zufall! Ein Kumpel, der hier um die Ecke wohnt, hat im letzten Jahr die Geschäftsaufgabe der Wollkultur mitgekriegt und mich darauf aufmerksam gemacht, weil er wusste, dass ich stricke, und mich da vielleicht noch fürs nächste Projekt eindecken könnte. Ich meinte dann zu ihm: ,Eigentlich könnte ich auch einen Laden gebrauchen‘“, erinnert sich Anika Friedrich. „Ich bin dann hingefahren und habe die vorherige Inhaberin Sophie gefragt. Die war gleich sehr angetan von der Idee, dass ihre Stammkundschaft am selben Ort wieder Wolle kaufen könnte. Und dann ging alles sehr schnell!“
Mit Handarbeiten hat Anika 2018 wieder angefangen. Damals suchte sie bei einem Aufenthalt in einer Psychosomatischen Klinik nach einer Beschäftigung. „Ich brauchte irgendwas, um mich ein bisschen runterzuregulieren, und da habe ich wieder mit dem Häkeln angefangen. Das hatte ich zuletzt als Kind gemacht, aber ich war ziemlich schnell wieder drin. Und dann hab ich gar nicht mehr aufhören können. Anfang 2020 habe ich mich auch noch ans Stricken herangetraut. Dann kam die Pandemie und ich hatte noch mehr Zeit, um mich dem zu widmen.“
Mittlerweile strickt sie sogar mehr, als dass sie häkelt, da es bei dieser Technik mehr Möglichkeiten gibt, vor allem für Kleidungsstücke. Dabei orientiert sie sich am liebsten an skandinavischen Designerinnen. „Ich bin viel auf Instagram unterwegs, und da sind die wichtigsten Strickdesignerinnen meistens aus Skandinavien und benutzen auch Wolle aus ihren Ländern. Dieser Ästhetik habe ich mich immer mehr zugehörig gefühlt. Ich habe auch das Gefühl, sie haben die schöneren Farben – wobei deutsche Hersteller mittlerweile gut nachziehen. Die Designs aus Dänemark, Schweden u. s. w. finde ich einfach besonders schön – und das Nachstricken gelingt eben besonders gut, wenn man auch die verwendete Wolle nutzt, deshalb biete ich die an.“ So gehören unter anderem die skandinavischen Marken Sandnes, Isager, Kaos Yarn und Sysleriget zu ihrem Sortiment, aber auch die Garne von Rosários 4 aus Portugal sowie die deutschen Firmen Pascuali, Seehawer und Lamana sind bei ihr zu finden.
Bei ihrer Auswahl verzichtet sie bewusst auf Garne aus Polyacryl, wobei sie einer generellen Verteufelung solcher künstlichen Fasern kritisch gegenübersteht: „Wolle kann schon recht teuer sein. Man kann das vielleicht mit Essen vergleichen: Die Sachen aus dem Biomarkt sind gut, aber auch mega teuer, und nicht jeder kann sich das leisten. Wenn jemand gerne häkelt oder strickt, dann sollte dieses Hobby nicht daran scheitern, dass er oder sie sich nicht die ökologischste Wolle aller Zeiten kaufen kann.“ Gerade für Anfänger*innen seien billige Garne sogar eher geeignet. „Wenn mich jemand fragt, der gerade mit dem Stricken anfängt, welche Wolle er oder sie kaufen soll, dann sage ich immer: ,Kaufe etwas Günstiges, du wirst nämlich immer wieder alles aufribbeln!‘“ Ähnlich steht sie zu dem Hype um vegane Wolle, die sie auch anbietet. „Das klingt erstmal so fancy, dabei stricken die Leute schon seit Ewigkeiten mit nicht-tierischen Fasern wie Baumwolle oder Leinen. Hinzukommen jetzt aber noch so Sachen wie Brennesselfasern oder Wolle aus Sojaproteinen – es gibt tatsächlich recht viel!“ Eine Lieblingswolle hat Anika eigentlich nicht, dafür aber ein Farbschema: lila und pink. Aktuell strickt sie übrigens an einem weiteren Ausstellungsstück fürs Schaufenster – einem Pullunder mit Zipper – und an einem Cardigan, den sie im Laden tragen möchte – „denn man soll ja gerade nicht so viel heizen!“
Für die Zukunft hat Anika einige Pläne: „Spätestens im Sommer oder Herbst möchte ich hier auch Treffen und Kurse veranstalten. Das war seit der Eröffnung tatsächlich die am häufigsten gestellte Frage – viele wünschen sich eben, dass das Stricken nun wieder ein bisschen sozialer wird. Außerdem möchte ich mit der Zeit auch eigene Anleitungen anbieten, da arbeite ich gerade an verschiedenen Ideen. Doch das sind so Dinge, in die muss man erstmal langsam reinwachsen!“              ● Anja Dolatta

Sallstraße 81, 30171 Hannover
Öffnungszeiten: Di u. Mi 14–18 Uhr,
Do 14–19 Uhr, Fr 11–18 Uhr, Sa 11–15 Uhr
www.flauschecke.com
instagram.com/flauschecke

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