Ein letztes Wort im August

 mit dem Ministerpräsidenten Stephan Weil

Herr Weil, es geht in die politische Sommerpause und ich bin ganz erleichtert – zwei Monate kein Ampel-Streit. Danach fetzen sich dann wieder alle ausgeruht wie die Kesselflicker, oder erwarten Sie, dass sich an der Performance demnächst wirklich etwas ändert? Hat man dazugelernt?

Menschen sind lernfähig und wir lernen alle täglich dazu. Dass von der ja in vielen Bereichen guten Arbeit der Bundesregierung derzeit primär die Streitigkeiten wahrgenommen werden, ist bitter. Die Ampel in Berlin hat viel bewegt in schwierigen Zeiten: der Mindestlohn ist gestiegen, das Kindergeld auch, die Energiekrise ist zumindest einstweilen überwunden, erneuerbare Energien werden jetzt schneller ausgebaut, die Bundeswehr wird ertüchtigt und die Ukraine unterstützt. Der allzu häufige Streit in der Koalition aber führt leider dazu, dass all das, was sie richtig gut macht, nicht mehr durchdringt. Darunter leidet das Ansehen einer Regierung und das ist gerade in diesen herausfordernden Zeiten schlecht für die Demokratie. Darum wünsche ich mir wirklich, dass alle Beteiligten in den Sommerferien sehr intensiv darüber nachdenken, wie man trotz unterschiedlicher Auffassungen ruhig und freundlich miteinander Politik machen kann. Es wird immer Themen geben, über die man sich streiten muss, aber bitte in Zukunft doch lieber intern. Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, dass die politische Führung eines Landes konstruktiv an den für sie relevanten Themen arbeitet und dass sie zu plausiblen Lösungen kommt, die die Menschen mittragen können. Das Heizungsgesetz war ein Beispiel, wie man es nicht machen sollte. Am Ende ist niemand mehr durchgestiegen und viele Menschen wissen nicht mehr, was die jetzt in der Regierung geeinten Regelungen für sie persönlich bedeuten. De facto ist es übrigens so, dass der jetzt auf dem Tisch der Abgeordneten liegende Entwurf wesentlich besser ist als die Ausgangsfassung. Aber das hat infolge der aufgeheizten öffentlichen Debatte kaum jemand gemerkt. Also, langer Rede, kurzer Sinn, ich hoffe auf die Sommerpause als Nachdenkpause.

Bisschen wandern, übers Nebelmeer gucken, nachdenken …

So in etwa. Das würde ich mir wünschen.

Vor allem während der ersten Monate des Krieges in der Ukraine hatte ich den Eindruck, dass die Ampel letztlich recht pragmatisch zu Entscheidungen gekommen ist. Man war sich ein bisschen uneinig über die Geschwindigkeit bei den Waffenlieferungen, aber es ging dann doch insgesamt ganz gut voran. War das einfach der Druck der Krise?

Das war sicherlich der Druck der Krise, aber auch Mut und Entschlossenheit der Bundesregierung. Aber jetzt sind wir in einer ganz anderen und vielleicht deutlich schwierigeren Phase.

Jetzt muss es ums Gestalten gehen, um die Umsetzung von Zukunftsideen, um die richtigen Weichenstellungen?

Jetzt kommt die Phase, in der wir alle organisieren müssen, wie es in den nächsten Jahren und Jahrzehnten unter schwierigeren Bedingungen weitergehen kann. Es gibt zahlreiche sich überlagernde Probleme und parallele Herausforderungen. Wir können uns beispielsweise nicht beim Klimaschutz eine Auszeit nehmen, bis der Krieg in der Ukraine zu einem Ende kommt. Die Menschen spüren die sehr grundlegenden Veränderungen, sie werden unruhig und machen sich Sorgen. Gerade in solchen Zeiten ist es umso wichtiger, dass Politikerinnen und Politiker deutlich machen: Wir wissen, was wir tun und wir werden gemeinsam einen guten Weg finden; jede und jeder einzelne ist gefordert, aber wir setzen alles daran, dass keiner überfordert wird. Ich bin zuversichtlich, dass die meisten Bürgerinnen und Bürger bereit sind, die aktuellen Probleme mit anzugehen und die aktuellen Krisen mit der Politik und der Wirtschaft zusammen zu überwinden. Das aktuell geringer werdende Grundvertrauen in die Politik in Berlin, macht es leider extremen Parteien allzu leicht, sich mit plumpen Parolen und ohne eigene Lösungsansätze als Ventil anzubieten.

Wenn es jetzt um die Weichenstellungen geht, dann sitzen da aber leider drei Parteien in der Koalition, die teilweise völlig unterschiedliche, entgegengesetzte Grundüberzeugungen haben. Das kann doch auf Dauer nicht funktionieren, oder?

Mir fehlt da die Erfahrung, ich hatte bisher immer das Glück, in Zweierkonstellationen regieren zu können. Das ist natürlich wesentlich leichter. Und ich habe es auch bislang immer mit Koalitionspartnern zu tun gehabt, die ebenfalls lösungsorientiert gearbeitet haben. Das war auch mit der CDU während der vergangenen Legislaturperiode so. Wir waren uns einig, dass wir nicht den Eindruck von Zerstrittenheit vermitteln dürfen, weil das die Menschen in schwierigen Zeiten zusätzlich verunsichert und unsere demokratischen Strukturen schwächt. Mit den Grünen läuft das jetzt ähnlich, nur noch einmal konstruktiver und dynamischer. Natürlich haben wir auch immer mal wieder unterschiedliche Positionen, aber die Diskussionen werden weit überwiegend intern geführt. Auch bei im Einzelnen unterschiedlicher Auffassungen kann man zu gemeinsamen Entscheidungen kommen, wenn man sich darauf besinnt, worum es eigentlich geht. Beim Klimaschutz zum Beispiel um nicht weniger als den Erhalt der natürlichen Lebensbedingungen.

Man sollte sich also gelegentlich an die größeren Ziele erinnern?

Ja, wobei das alleine natürlich nicht reicht. Bei dem Heizungsgesetz geht es unzweifelhaft um einen ganz wichtigen Schritt hin zu mehr Klimaschutz. Diesen Schritt haben viele frühere Regierungen nicht gewagt und es ist gut und richtig, dass die Ampel sich dieser Herausforderung stellt. Dabei gibt es dann theoretisch zwei mögliche Lösungswege. Man könnte versuchen, alles über den CO₂-Preis zu regeln, also den CO₂-Preis so lange zu erhöhen, bis die Menschen ihre Heizungen erneuern. Von diesem Weg rate ich dringend ab, weil er Menschen mit kleinem Einkommen überfordert – sie können irgendwann die Energie nicht mehr bezahlen, aber auch nicht den Umstieg bei ihrer Heizung. Klüger ist in der Tat ein ordnungspolitisches Vorgehen, also klare Vorgaben zum Betrieb von Heizungen. Dabei müssen dann aber von vornherein alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen eng mit eingebunden werden, die Kommunen beispielsweise, die Energieunternehmen und die Handwerker, die die neuen Heizungssysteme einbauen sollen. Das ist leider am Anfang komplett unterblieben und hat sich bitter gerächt. Ganz sicher wäre bei einer solchen frühen Beteiligung u.a. der Hinweis auf den Vorrang kommunaler Wärmenetze gekommen. Hätte man eine kluge kommunale Wärmeplanung schon beim ersten Gesetzentwurf in den Mittelpunkt gestellt, wäre viel Ärger vermieden worden. Man sieht daran: Vernünftige Ordnungspolitik ist eigentlich kein Hexenwerk.

Und so bekommt man die Dinge geräuschlos auf die Strecke?

Mindestens wesentlich leichter. Weil eben schon im Vorfeld viele Risiken und Fallstricke identifiziert werden.

Wenn ich so meine Analyse dieser Dreierkonstellation mache, dann stelle ich fest: die FDP kocht ständig ihr eigenes Süppchen und ein Ende der Ampel wird es trotzdem nicht geben, weil die Umfragen nichts Gutes verheißen. Ist da was dran?

Das weiß ich nicht, da müssen Sie die FDP fragen. Aber ohne gemeinsame Überzeugungen geht es in keinem Fall. Die Ampel hat in ihrem Koalitionsvertrag eigentlich einen richtig guten Kompass vereinbart, dazu muss man zurückkehren. Es kommen jedoch bedauerlicherweise insbesondere aus den Reihen der Liberalen immer wieder sehr destruktive Äußerungen in die Diskussion auf Bundesebene. Das mag gut sein für kurzfristige Profilierungen, aber der dadurch angerichtete Schaden ist nachhaltig.

Was ich bei all dem nicht verstehe, ist die Strategie von Olaf Scholz. Sich aus allem herauszuhalten, bis die Lage zwischen den kleineren Koalitionspartnern eskaliert, um es dann auf den letzten Metern nur so halbwegs einzufangen, scheint mir ebenfalls nicht besonders konstruktiv.

Diesen Eindruck teile ich nicht.

Die Antwort hatte ich erwartet.

Natürlich mischt sich Olaf Scholz ein. Aber die berühmten Machtworte, nach denen immer gerufen wird, ersetzen keine gemeinsame Überzeugung und kein gemeinsames Verantwortungsgefühl. Ein Regierungschef könnte noch so oft mit der Faust auf den Tisch hauen, er könnte gute Zusammenarbeit und gemeinsame verantwortungsvolle Politik nicht erzwingen. Und um an den Ausgangspunkt unseres Gesprächs zurückzukehren: mein Wunsch wäre es wirklich, dass die Koalitionäre in Berlin aus der Sommerpause mit der Einsicht zurückkehren, dass man eine gemeinsame Verantwortung hat und dieser auch gemeinsam gerecht werden will.

Mir fehlt bei Olaf Scholz trotzdem Führung, Klarheit, Kommunikation, Nahbarkeit.

Auch da widerspreche Ihnen aus vollem Herzen. Wir alle kommunizieren unterschiedlich. Olaf Scholz ist sich selbst treu geblieben – über viele Jahre hinweg. Er ist authentisch und hat mit seiner Politik viel Gutes bewirkt. Und er hat immer wieder Wahlen gewonnen. Ganz falsch kann er also nicht liegen.

Interview: Lars Kompa

(18.07.2023)


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