Tag Archive | "2018-11"

Unter einem Dach

Tags:

Unter einem Dach


Iyabo Kaczmarek (links im Bild, sitzend) & Alexandra Faruga (Bildmitte, stehend) 

Wenn unter den Namen von Iyabo und Alexandra bei offizielleren Mails, Briefen oder Anträgen heute „Geschäftsführung und Projektleitung“ steht, dann scheint ihr Aufgabenbereich ganz wunderbar klar und definiert. Wenn sie aber davon berichten, was sie so alles auf die Beine stellen im Laufe eines Tages (und das klingt alles immer leicht und positiv), fragt man sich sehr schnell, ob die beiden überhaupt irgendwann schlafen. Iyabo und Alexandra sind vor allem in der Kulturszene bekannt und vernetzt. Alexandra ist als Ensemblemitglied des Theaters fensterzurstadt seit mittlerweile 20 Jahren in Hannover aktiv. Über diese künstlerische Theaterarbeit hat sie vor über 15 Jahren auch Iyabo kennengelernt, die wiederum als Tänzerin und Kulturproduzentin unterwegs war. Gesucht, gefunden! Die beiden haben sich in der Folge sozusagen miteinander verbündet. Und 2014 entstand die erste gemeinsame Theaterproduktion mit „Der globale Hyperraum“. Als sich Ende 2014 in den Medien die Diskussionen zur sogenannten Flüchtlingskrise überschlugen, begannen dann die Überlegungen zu diesem Thema. Schnell war darum klar, dass die Themen Migration und Fluchtbewegung im Zentrum eines interdisziplinären Kulturprojekts stehen sollten. Daraus geworden ist nun aber etwas völlig anderes, eine ganz praktische Unterstützung für viele „New­comer“ in Hannover. „UNTER EINEM DACH integriert in Ausbildung, Arbeit und Hannovers Stadtgesellschaft“, liest man in den Presse­mitteilungen zu einer anstehenden Crowdfunding Kampagne. Was ist denn da passiert? Zeit für ein Gespräch…

Was geschieht, wenn man sich mit Iyabo und Alexandra zusammensetzt, ist ganz erstaunlich. Man hat reichlich gelesen über Flüchtlinge, man hat die Sorgen und Ängste dieser „besorgten Bürger“ irgendwie im Hinterkopf, sieht überall Probleme und Schwierigkeiten. Und dann begegnet man diesen beiden neugierigen und unfassbar optimistischen Menschen und wird ganz schnell eingeführt in eine völlig andere Welt, in der es statt ganz viel Skepsis vor allem um ganz viel Zuversicht geht. „Wir haben damals gedacht, wir hören ständig Geschichten über die Flüchtlinge, aber wir wissen überhaupt nicht, wie diese Menschen leben. Also haben wir uns überlegt, dass wir mal nachsehen“, erzählt Alexandra. Sie haben sich aufgemacht zum Oststadtkrankenhaus, damals eine der größten Unterkünfte mit etwa 850 Leuten. Im Gepäck die Idee, dort vielleicht ein Kulturprojekt auf die Beine zu stellen. Und das Interesse war durchaus vorhanden – auf den ersten Blick. Konkret gab es vor Ort bereits sehr viele Angebote für Kinder und Familien, aber kaum etwas für die jungen Männer. Und denen fehlte vor allem sinnvolle Beschäftigung, Arbeit. Wobei sich das zunächst durchaus mit dem künstlerischen und interdisziplinären Ansatz der beiden verbinden ließ. Warum nicht die räumlichen Gegebenheiten verbessern, alles ein bisschen wohnlicher gestalten? Das bedeutet ja Arbeit im Bereich Holzverarbeitung und Raumgestaltung… So ging es los, noch immer mit der Idee im Hinterkopf, das Thema „Flucht“ irgendwann mit den beteiligten Menschen auch künstlerisch zu verarbeiten. „Wir haben im Verlauf der praktischen Arbeit viele andere Künstler kennengelernt, die angeboten haben, mit den Menschen gemeinsam künstlerisch und kulturell aktiv zu sein. Na ja, und dann haben wir festgestellt, dass der ganze künstlerische Ansatz doch komplett am Bedarf vorbei gedacht war. Die Leute sind zwar zum Worldcafé gekommen, aber die hatten ganz andere Fragen: Wo kann ich ein Praktikum machen? Wo kann ich arbeiten? Die hatten natürlich größtenteils ihre Erfahrungen und Berufe. Und dann liegt der Fokus natürlich auf dem Arbeitsmarkt. Wie kann ich mir hier etwas aufbauen?“, erzählt Alexandra. Gut, dass die beiden bestens vernetzt sind. Von Christoph Zimmermann und Nikolai Reichelt, mit denen sie die mobilen Werkstätten im Siloah gemacht hatten, kam die Idee, etwas im neuen Hafven auf die Beine zu stellen. Die beiden Leiter in spe des Makerspace erzählten von der voll ausgestatteten Werkstatt im Holz- und Metallbereich und schlugen vor, diese Möglichkeiten zu nutzen. Die Idee der Berufsorientierungspraktika war geboren.

„Christoph und Nikolai haben dann ein tolles Praktikanten-Anleiter-Team zusammengestellt, und mit der Unterstützung der Sozialarbeiter ist das Projekt schließlich in die erste Runde gegangen mit 10 Teilnehmern. Leuchtende Augen, ein anderer Ort, ein anderer Kontext, man hat so richtig gespürt, dass damit etwas in Bewegung kommt. Ein toller Moment“, erinnert sich Iyabo. „Und dann ist uns Nadine Meyer über den Weg gelaufen, die hat die Kleiderkammer im Oststadtkrankenhaus geleitet und hatte die Idee, eine Nähwerkstatt einzurichten. Das war der nächste Schritt: Berufsorientierungspraktika für das Schneiderhandwerk. Damit hatten wir Textil, Metall und Holz.“

Aber man kann in Deutschland natürlich nicht einfach so Praktika mit irgendwelchen Leuten veranstalten. Iyabo und Alexandra wurden zu Dauergästen bei der Ausländerbehörde und beim Jobcenter und haben sich mehr und mehr in die oft schwierigen bürokratischen Fallstricke eingearbeitet. Über Rechtsanwältin Lore Schmidt ergab sich dann noch ein Kontakt zu Nicolai Zipfel, der bis heute als Anwalt an ihrer Seite steht. Wertvolle, unbezahlbare Unterstützung.

Bisher haben sie mit Hilfe von verschiedenen Förderungen insgesamt fünf Berufsorientierungsrunden mit über 60 Teilnehmern realisieren können, die so auch ein bisschen mehr in Hannover angekommen sind. Für Iyabo und Alexandra ist es neben der Orientierung im Job mindestens genauso wichtig, dass sich die „Newcomer“ in der Stadt orientieren, dass man zum Beispiel mal zusammen ein Theaterstück besucht, sich weiter vernetzt – dass man ankommt.

Und es geht natürlich darum, nach der Berufsorientierung tatsächlich auch den Weg in eine Ausbildung oder einen Beruf zu finden. Iyabo und Alexandra haben die Erfahrung gemacht, ständig Leute zu treffen, die zwar bereits einige „Maßnahmen“ vorweisen konnten, die aber noch immer keine echte Perspektive sahen. Fast zwangsläufig ergab sich ein neues Aufgabenfeld, nämlich die Verbindung zu Unternehmen herzustellen, Ausbildungsplätze zu organisieren.

„Das ist alles nicht so einfach, das funktioniert im Grunde am besten über den persönlichen Kontakt zu allen Beteiligten, also auch zu den Unternehmen. Darüber hinaus geht es natürlich auch darum, Wissen weiterzugeben. Wir haben beispielsweise erst gelernt, dass unter bestimmten Voraussetzungen solche Ausbildungen gefördert werden, der Betrieb also gar nicht das volle Ausbildungsgehalt bezahlen muss. Das hat uns niemand gesagt und war sogar bei den Behörden weitgehend unbekannt. Daran erkennt man, dass viele Probleme einfach durch fehlendes Wissen und fehlende Strukturen entstehen. Daran sollte auch die Politik arbeiten.“

Aktuell laufen die Werkstätten zur Orientierung, die Vermittlungen für die Ausbildung, und die Betreuung und Unterstützung der Teilnehmer, sehr viel ist auf dem Weg, sehr viele Kontakte sind bereits geknüpft, es läuft. Doch gleichzeitig laufen Förderungen aus, das Geld ist knapp, es fehlen vor allem nicht gebundene Mittel, um zweite und dritte Schritte zu gehen und für Kontinuität zu sorgen. Problematisch ist die Nachfinanzierung bereits bestehender Projekte, dafür braucht es aktuell einfach Geld. Doch die Zeit, diese Mittel kurzfristig aufzutreiben, ist knapp. Denn momentan beschäftigen sich Iyabo und Alexandra vor allem damit, große Anträge für das kommende Jahr zu schreiben. Für die Zwischenfinanzierung wird es darum nun eine Crowdfunding-Kampagne geben (siehe Infokasten unten!). Bei den großen Anträgen geht es um das angedachte Unter-einem-Dach-Quartier. Sie möchten 2019 gerne alles an einem Ort versammeln, die Werkstätten, den Deutschunterricht, alles, was sie bisher auf den Weg gebracht haben. „Das ist die große Vision. Und bis dahin muss es weitergehen mit der kleinen Vision“, sagt Iyabo. „Aber es muss sowieso weitergehen. Wir suchen permanent mehr Unternehmen, die neue Azubis brauchen und offen sind. Und mehr Wohnungen, denn die Leute müssen einfach raus aus diesen Einrichtungen, sie sind nach drei oder vier Jahren einfach erschöpft von dieser Art der Unterbringung. Es braucht also Vermieter, die offen sind und nicht die üblichen Ängste haben.“

Und es bräuchte für Iyabo und Alexandra momentan am besten Tage mit jeweils 48 Stunden, wobei sie wahrscheinlich auch dann größtenteils ehrenamtlich zweimal rund um die Uhr arbeiten würden. Ehrenamtlich? „Wenn wir in unseren Anträgen auf Förderung aufnehmen würden, was wir tatsächlich an Arbeit investieren, und wollten, dass uns das bezahlt wird, dann würde das ganz sicher niemand mehr fördern können. Aber das ist alles gar nicht schlimm, weil es ja auch Spaß macht und weil es ein gutes Gefühl ist, einen wichtigen Beitrag zu leisten. Natürlich machen wir uns zwischendurch Sorgen, weil es immer prekär ist, aber wir kommen ja beide aus der Kultur und sind entsprechend gut im Training“, erzählt Iyabo und lacht.

Ob sie irgendwann mal etwas erlebt haben während der letzten Jahre, was die Sorgen und Ängste, über die ständig diskutiert wird, bestätigen würde, fragen wir zum Schluss. „Nein, uns ist von all dem gar nichts begegnet. Im Gegenteil, nur eine allgemeine Offenheit. Das ist dann manchmal sehr lustig, die kommen ja teilweise aus wirklich sehr unterschiedlichen Kulturen bei uns, und dann schließen sie sich in WhatsApp-Gruppen zusammen, sehr spaßig. Wenn man das so liest, denkt man: ja, läuft! Ich glaube, wir müssen diesen Menschen einfach eine Perspektive geben. Wir dürfen sie nicht in irgendwelchen Zentren zusammenpferchen und zum Nichtstun verurteilen, das geht gar nicht. Entweder, wir geben uns Mühe mit diesen Menschen und mit der Integration, nicht nur die, auch wir, dann bekommen wir ganz sicher jede Menge zurück. Oder wir verwalten nur, dann fliegt uns das irgendwann gesellschaftlich um die Ohren“, sagt Iyabo. „Ja, wir brauchen einfach Zuversicht und guten Willen. Du kannst dich aufregen und sagen: Oh Gott, das läuft ja alles gegen die Wand! Oder du kannst zuversichtlich sein. Dann kannst du gestalten, mobilisieren und verändern. Das haben wir ja selbst in der Hand. Leider haben das viele scheinbar vergessen. Aber man kann etwas bewegen in seinem Umfeld und in der Gesellschaft“, ergänzt Alexandra.

Interview und Text: LAK

Jeder kann helfen!
3 Jahre Unter einem Dach
Ausstellungseröffnung und Start Crowdfunding-Kampagne
Am 07.11. ab 18 Uhr, VHS, Burgstraße 14, 30159 Hannover

Ein nachhaltiges Gelingen einer vielfältigen Gesellschaft ist nur möglichen, wenn jeder Mensch den Raum hat, selbstwirksam seine Zukunft in die eigenen Hände nehmen zu können. Der wichtigste Aspekt dabei ist Arbeit und die damit verbundene finanzielle Unabhängigkeit, die den Weg in ein selbstbestimmtes Leben ebnet. UNTER EINEM DACH hat wunderbare Firmen gefunden, die den Newcomern in unserer Stadt diese Perspektiven ermöglichen.

Um die Arbeit auch in Zukunft vorsetzen zu können, startet die Initiative eine Crowdfunding-Kampagne, die gemeinsam mit dem UNTER EINEM DACH Team, ehemaligen Praktikanten sowie Profis erarbeitet und umgesetzt wurde. Begleitend zum Kampagnenstart wird eine Fotoausstellung mit Bildern der Fotojournalistin Isabel Winarsch (LUMIX Festival) eröffnet, die die Arbeit der Initiative seit drei Jahren fotodokumentarisch begleitet. Die Kampagne und die Ausstellung werden von der Volkshochschule (VHS) Hannover, im Rahmen des europäischen Projektes MILAR, gefördert.

Weitere Informationen: www.unter-einem-dach.org
und auf Facebook: www.facebook.com/ZusammenUnterEinemDach
Mail: hello@unter-einem-dach.org


Videodreh für die Crowdfunding-Kampagne

 

Abgelegt unter Im GesprächEinen Kommentar verfassen...

Influencer

Tags:

Influencer


Aus der Rubrik „Randgruppenbeleidigung“

 

Illustration: Illi HinzbergInfluencer – ist das nicht dieses Virus, das alljährlich in den Wintermonaten Hochsaison hat? Nah dran. Der einzige echte Unterschied zur lästigen Grippe ist wahrscheinlich der, dass die Influencer das komplette Jahr influencen. Und sie verinfluencen mir total die Stimmung. Ich kann diese Hackfressen alle nicht mehr sehen. Diese nichts-könnenden Vollpfosten. Die Story ist immer ähnlich. Mit ihren wallenden, langen blonden Haaren, perfekt sitzenden Wimpernverlängerungen und – im Fall der Männer – ihren gestählten McFit-Oberkörpern und akkurat geschnittenen Bärten, hocken sie sich zuerst in für bildungsferne Schichten konzipierte Formate der Privatsender. Und hier buhlen sie dann wahlweise um irgendeine hergelaufene Frau mit Aufmerksamkeitsdefizit oder irgendeinen hergelaufenen Mann mit vergleichbarer Schacke. Und falls das noch nicht reicht, um die eigene Fresse bei der bevorzugten Zielgruppe bekannt genug zu machen, geht es dann gemeinsam mit anderen Grenzdebilen noch ins Dschungel-Camp. Während man sich parallel schon mal auf Instagram und Co. zum Affen macht. Zum fremdschämen! Scham scheint allerdings eine Empfindung zu sein, die diesen Leuten völlig abgeht. Tja, und was tut man, wenn man extrovertiert veranlagt ist und den qualifizierten Realschulabschluss knapp verpasst hat? Richtig, man wird entweder Pornodarsteller oder eben Influencer (oder beides). Und dann werben sie für völlig überteuerte Produkte auf ihren Social-Media-Kanälen. Sprich, sie verarschen ihre Fans nach Strich und Faden. Völlig ohne Gewissensbisse und Verantwortungsbewusstsein. Hauptberuflich Arschloch. Die Herren der Schöpfung prostituieren sich gerne für Proteinpulver mit utopischen Preisen und ziehen damit ihren jungen Fans das Geld aus der Tasche. Und die Damen posieren für diverse Cremes, Düfte und Abnehm-Kapseln. Lebendig gewordene Litfaßsäulen-Albträume.

Komm, wir tauchen mal kurz rein in diese Welt. Smartphone schnappen, Instagram öffnen. Das wird bestimmt #lit (lit – ein außerordentlich lites Jugendwort für super). Los geht’s: #instalife – und da springt mir auch schon die gepuderte Visage eines waschechten #instaboys ins Auge. Aua! Ein offensichtlich minderbemittelter Groß­hirnkastrat. Aber vielleicht ist das ja ein Vorurteil. Ich scrolle schnell weiter zur Bildunterschrift des Meisterwerks. Vielleicht finde ich dort Inhalt. Und was sehen meine bereits gereizten Augen? Diesen Spruch kenne ich doch. Das ist einer von Tante Ernas fantasielosen Kalendersprüchen. Diesen Kalender hatte sie sich damals immer in ihrer Küche an die Wand genagelt. Sehr inspirierend. Wie wäre es zur Abwechslung mal mit einem #GehirnDIY? Eure Follower-IQ-Verwandtschaft würde davon bestimmt auch profitieren. Aber Vorbildfunktion? Fehlanzeige! Wobei, Negativ-Vorbilder muss es ja auch geben, denn aus Fehlern lernt man. #true.

Text: Anna-Lea Welz
Illustration: Illi Hinzberg

Abgelegt unter Kolumne des MonatsEinen Kommentar verfassen...

Kambies Amini

Tags:

Kambies Amini


Kambies Amini ist gebürtiger Hannoveraner, der nach jeweils kurzen Aufenthalten in Teheran, Hamburg und Bad Oeynhausen inzwischen seiner Heimatstadt die Treue hält. Er studierte Humanmedizin und spezialisierte sich schließlich mit dem Facharzt auf die Psychiatrie und Psychotherapie. Der Kunst und Literatur widmet er sich gleichzeitig mit zahlreichen Ausstellungen sowie Romanen. Nach „Tigon“ und „Paradies, irgendwie“ ist mit „Der Prothesenschöpfer“ jetzt sein drittes Werk erschienen.

„Schönheit und Chaos“ sagt er, haben seine Berufswahl entschieden, Psychiater zu werden. Eine Aussage, die viel Interpretationsspielraum lässt. Auf Fragen über seine Person und Profession antwortet Kambies Amini generell eher vage und scheint den Leser oder Zuhörer in seiner eigenen Gedankenwelt anregen zu wollen. Man meint sofort, einen psychologischen Ansatz in der Art seiner Antworten zu erkennen. Zusätzlich weisen seine Aussagen eine Gegensätzlichkeit auf, die eine charmante Ratlosigkeit hinterlässt. Der Versuch, ihn als Person besser zu greifen, mündet in eine nahezu erfolglosen Internetrecherche. Auf der Website des Autors mit den iranischen Wurzeln werden nur die wichtigsten Eckdaten seiner Vita präsentiert, aber keine Auskunft über sein Leben oder seine Werke geliefert. Alles, was Amini betrifft, liegt im Auge des Betrachters. Genauso, wie eine „passende Bezeichnung“ für seine Tätigkeit zu finden. Ist er Autor, Psychiater oder Künstler? Neben seinen Romanen und seiner Arbeit widmet Amini seine Zeit auch der Kunst. Bereits vier Ausstellungen, zwei davon als Einzelausstellung, kann der Künstler auf seiner Website vermerken. Seine Werke wurden unter anderem im Café Mezzo, aber auch überregional, z. B. in Berlin, ausgestellt. Auf die Frage, wie er sich selbst definieren würde, erhält man eine typisch ambivalente Antwort: „Ich bin ein Psychiater, ein Autor, ein Künstler und ich bin kein Psychiater, kein Autor und kein Künstler.“ Verschwimmende Grenzen also. Deshalb lautet seine persönliche Personenbeschreibung: „Ich bin ein 24/7 Psychiatrie-Kunst-Literatur-Perpetuum mobile.“ Gesellschaft und deren Konvention sind für Kambies Amini eher schwierige Begriffe. Der Umgang mit bzw. die Einstellung zu diesen spiegelt sich ein Stück weit in seiner Literatur: „Zu der Gesellschaft und den Konventionen, was auch immer das sein mag, verbindet mich eine fast paradox anmutende Amour fou. Einerseits geht es weder mit der Gesellschaft und den Konventionen und andererseits geht es auch nicht ohne die Gesellschaft und die Konventionen.“ Der Titel „Der Prothesenschöpfer“ greift diesen Zwiespalt auf: „Prothesenschöpfer“ leitet sich von dem Freud­schen Zitat „Der Mensch ist sozusagen eine Art Prothesengott geworden“ ab. Amini erklärt: „Wir Menschen müssen mit unserer Unvollkommenheit, unserem Unbehagen und unseren Ängsten irgendwie klarkommen, mit unseren Prothesen/Neurosen, mit der Tatsache, dass wir anderen und uns selbst Prothesen/Narben/Neurosen zufügen.“ Der Protagonist seines Romans, ebenfalls Psychiater iranischer Abstammung, versucht es als sozialer Aussteiger, der im Alter von 50 Jahren seinem Beruf nur noch einen Tag im Monat nachgeht. Er will ein abgeschiedenes Dasein fristen, muss dabei jedoch einsehen, dass sich sowohl Innenleben als auch Außenwelt nicht so einfach ignorieren lassen. Wenn man das so liest, erinnert es an Amini – er selbst bestreitet eine eindeutige Parallele, räumt jedoch gewisse Ähnlichkeiten ein. Nicht umsonst verleiht er keinem seiner Protagonisten einen Namen, sagt, sie bräuchten keinen. Der wohldosierte Umgang mit Informationen zur eigenen.

Text: Eleni Maurischat

 

 

Prothesenschöpfer
edition fischer
216 Seiten
11,90 Euro

 

Abgelegt unter LiterarischesEinen Kommentar verfassen...

Marie

Tags:

Marie


Hier werden charmante Küchengeschichten mit französischem Accent erzählt; es gibt Elsässer und saisonal (etwa mit Kürbis) gestaltete Flammkuchen, Entenbrust in verschiedenen Variationen, Boeuf bourguignon, das Fleischgericht aus dem französischen Burgund, und Desserts der klassischen französischen Haute Cuisine wie Birne Helene. Frühstücken kann man vergleichsweise preiswert (süß wie die Franzosen oder auch reichhaltiger, von 4,90 bis 8,90 Euro) samstags und sonntags von 9 bis 12 Uhr. Und man kann natürlich gerne auch einfach auf ein Gläschen oder eine gute Flasche aus Maries schöner Auswahl internationaler Weine vorbeischauen. Zum Sortiment lässt man sich dann vom höflichen Kellner souverän beraten. Nicht vergessen: Sauerteigbaguette mit dreierlei Dips (für 6,90 Euro) dazubestellen – ein idealer Begleiter. Der französische „Spritz“ mit Lillet und Tonicwater macht im Verbund mit dem Amuse-Gueule, einer Ravioli auf Püree mit kräuterbestäubten Steinpilzen, schon mal bon appétit. Fast ärgern wir uns, dass wir nicht dieses Hauptgericht gewählt haben, doch das ändert sich schnell, als wenig später unsere Vorspeisen eintreffen. Die Galettes (Buchweizenpfannkuchen als herzhafte Variante der im deutschen Sprachraum bekannteren Crêpe) sind mit gutem Käse von der Charakterziege gefüllt und gehen mit den frischen Feigen, den herben Blattsalaten und der sündhaft leckeren Portweinsauce eine gelungene Verbindung ein (für 9,90 Euro). Diese süßliche Versuchung passt als hervorragende Variante der typischen Cumberland-Sauce ebenfalls zur hausgemachten Gänseleber-Pastete, die einen cremig-schönen Schmelz aufweist und mit glasiertem Apfel, Zwiebel und Salatbouquet (für 10,90 Euro) überzeugt.

Aufmerksam: Der Serveur kredenzt einen Probierschluck vom fruchtigen Colombelle Cuvée Rosé, für den wir uns dann zur schweren Wildschweinkeule entscheiden. Diese, attraktiv bissfest, thront mit Rosenkohlblättchen garniert auf einem Selleriepüree – mit dem rosigen Bittergrad, der süßen Säure von Birne und dem grandios weiterentwickelten Portweinjus ein herbstlicher Saisonteller ohne Einwände (für 16,90 Euro). Auch die Perlhuhnbrust (samt Trüffelstückchen unter der Haut) mit Kartoffelgratin, an Erbsenschoten erinnernden jungem Lauch und einer famosen, mit Trüffelbutter verfeinerten Abwandlung des Portweinjus (für 17,90 Euro), macht zufrieden. Krachend durch das dünne Eis eingebrochen ist der Koch ganz am Ende dann leider doch noch bei dem Versuch, die dunkle Schokoladen­tarte mit Fleur de Sel zu kombinieren: auch das Hinunterspülen mit schmackhaft um Rettung bemühter Gewürzorange und Zimteis änderte nichts an der Tatsache, dass diese Kreationen gründlich versalzen wurde. Da der Koch anderer Meinung war, müssen wir hier von diesem Dessert (zumal für 8,90 Euro) grundsätzlich abraten. Davon abgesehen ist das Marie allerdings mitsamt seiner französisch-mediterranen Experimente durchaus (aus) zu probieren!

Text: Anke Wittkopp

Marie
Wedekindplatz 1
30161 Hannover
Tel. (0511) 65 39 90 74
www.restaurantmarie.eatbu.com

Öffnungszeiten:
Di-Fr 11-22 Uhr,
Sa 9-23 Uhr, So 9-18 Uhr

 

Abgelegt unter Stadtkinder essenEinen Kommentar verfassen...

Joules the Fox

Tags:

Joules the Fox


Foto: Oliver Biggs

Mit ihrer vielfarbigen Stimme mit warmen Tiefen und kräftigen Höhen begeistert die talentierte junge Füchsin ihr Publikum und nimmt es mal mit auf eine kleine Insel in Finnland, mal in eine windige Stadt im Norden Hollands und mal in den Fuchsbau. Der atmosphärische, leidenschaftliche Folk-Pop der Künstlerin erfreut Ohr und Herz. Joules the Fox – man könnte annehmen, dass ihre schönen roten Haare sie zu ihrem Künstlernamen gebracht haben. Weit gefehlt, ihr richtiger Name ist Julia Fuchs. Und es gibt noch etwas, das sie mit den Füchsen teilt: Ihre verträumten Lieder entstehen zur Blauen Stunde, wenn die Füchse aus ihrem Bau kommen – ihre liebste Tageszeit, so wie es sich für einen wahren Fuchs gehört. So trägt ihr Debüt-Album natürlich den Namen „Blue Hour“.

Das Release-Konzert zu diesem ersten Album fand bereits am 21. Juli beim „PlatzProjekt“ in Hannover statt. Und beim Hören merkt man, dass die Musikerin auf jede Menge musikalische Erfahrung zurückgreifen kann, die sie auch außerhalb Deutschlands gesammelt hat. Aber von Anfang an: 1993 erblickt Julia Fuchs auf der schwäbischen Alb das Licht der Welt. In einem 300-Seelen-Dorf verbringt sie ihre Kindheit, immer ganz nah am Wald. Schon früh entdeckt sie die Freude am Singen: Sie beginnt im Kinderchor, es folgen der Jugendchor und erste Musical-Projekte. Und auch das Gitarrespielen bringt sie sich in jungen Jahren bei. Bald zieht es sie in die Stadt. Eine Band ist der Grund, weshalb die damals Zwölfjährige Stuttgart für sich entdeckt. Hier trifft sie auf politisch engagierte, unkonventionelle und experimentelle MusikerInnen, die ihre Botschaften in Reggae, Ska, Punk und Rock ausdrücken – entsprechend laut werden die politischen Anliegen in die Welt getragen. Diese Zeit möchte sie nicht missen: Songwriting in drei Sprachen, Band-Arrangements und Freunde nimmt sie mit. In ihrem Elternhaus geht es hingegen musikalisch ruhiger zu. Irish und Scottish Folk prägen sie in ihrer Kindheit und Jugend – und inspirieren noch heute ihre Musik. Nach ihrer Zeit in Stuttgart zieht es die Füchsin in fremde Länder. Sie besucht Irland, England und Schottland, studiert Psychologie in Holland und dann Music-Mind-Technology in Finnland. 30 KommilitonInnen aus 25 Nationen schreiben mit ihr eine gemeinsame (musikalische) Geschichte. Damit umgibt sie ein bunter Haufen an MusikerInnen aus aller Welt, den sie ins Herz geschlossen hat. Mit ihnen hat sie ein Stück Heimat in der weiten Welt gefunden. „Seitdem weiß ich, dass es auch das FernHeimWeh gibt. Fernweh – nach überall wo Menschen sind, die Zuhause für mich sind“, sagt sie.

Mit vielen neuen Eindrücken kommt sie zurück. Zuerst nach Holland, wo sie ihre Bachelorarbeit über soziales Engagement schreibt. Zur gleichen Zeit bookt sie ihre Solo-Tour und nimmt an einem Popkurs in Hamburg teil. Der Kurs ist DER Entwicklungsraum der jungen deutschen Musikszene. Dort lernt sie weitere spannende MusikerInnen und inspirierende Dozenten kennen. Im Anschluss beginnt sie ein Studium der Popular Music in Hannover an der HMTMH. Die Praxis verliert sie dabei aber nicht aus den Augen. In einem Songwriter-Kollektiv und in ihrer Band „Neotropic“ ist sie fester Bestandteil. Was nun aber ganz im Vordergrund steht: Mit „Blue Hour“ hat Joules the Fox dieses Jahr ihr allererstes Solo-Album veröffentlicht. Ihre Single „Lighthouse“ entstand an ihrem letzten Morgen in Finnland auf Suomenlinna, einer Insel und Seefestung vor Helsinki. Während der Blauen Stunde kam sie an einem Leuchtturm vorbei. Ein Gefühl des Neuanfangs – und von solchen Neuanfängen handelt auch ihre Platte. Die „Blue Hour“ ist für die Fuchs-Dame ein Symbol des Neuanfangs. Die magische Stunde leitet immer auch eine Veränderung ein. Und genau darin liegt für sie der Zauber. Joules‘ Songtexte handeln von Entscheidungen und ihren Auswirkungen. Die emotionalen Songs laden zum Nachdenken und Träumen ein. Sie berühren und inspirieren. In ihrem Song „Present to Past“ singt Joules über die Unsicherheit, die durch den heutigen Informationsüberfluss entsteht. „Wie kann ich das Richtige tun?“, solche Fragen spielen eine zentrale Rolle. Eine Antwort gibt sie selbst, indem sie ein Fünftel des Gewinns ihres Debütalbums an Ärzte ohne Grenzen spendet. Sie möchte also über ihre Lieder hinaus auch mit ihrem Engagement Inspiration geben und die Welt damit ein Stückchen besser machen. Wer der bezaubernden Stimme von Joules the Fox und ihren träumerischen Songs lauschen möchte, sollte auf ihrer Facebook-, Instagram- oder Webseite (joulesthefox.com) nachsehen.

Text: Anna-Lea Welz
Foto: Oliver Biggs

Abgelegt unter MusikerporträtEinen Kommentar verfassen...

Neu in der Stadt im November

Tags:

Neu in der Stadt im November


Mr. & Mrs. Panda 
Bunte Einhörner und Eulen sowie niedlich aussehende Füchse und dazu eine ganz große Portion Liebe zur Tierwelt und Natur – das sind Mr. und Mrs. Panda. Seit dem 13. Oktober entzücken die beiden Gründer des Ladens, Nora von Gadenstedt und Tobias Pirk, nun nicht mehr nur online, sondern auch mit einem Laden in der Altstadt Hannovers. Dort bescheren sie ihre Kunden mit liebevoll handgefertigten Produkten und einem Angebot, das von Postkarten und Kissen über Fußmatten bis hin zu Tassen und mit Sprüchen verzierten Schneidebrettern geht. „Hier bleibt der Alltag draußen – und jedes unserer Produkte ist ein Freudenspender für den Alltag“, sagt Nora. Angefangen hat alles mit Noras inspirierenden Zeichnungen, die bei ihrem Freund Tobias sofort Anklang fanden. Schnell überzeugte er sie, mit ihren Werken auch andere Menschen zu beglücken, und nachdem sich auch Nora von dieser Idee mitreißen ließ, startete das große Projekt. Ein Name wurde, begründet durch die gemeinsame Liebe zu Tieren, ebenso schnell gefunden. Seitdem arbeiten die beiden als Mr. und Mrs. Panda und mit einer froh gestimmten Einstellungen zum Leben Seite an Seite an ihrem Projekt. Motto: „Das Leben ist schön!“ Und das spiegelt sich auch in ihren Produkten wieder. Egal ob Schlüsselanhänger, Topflappen, Tragetasche oder Handtuch, überall sind die detailverliebten Zeichnungen unterschiedlichster Tiere oder Pflanzen wiederzufinden. Neben den verschiedenen Kollektionen und Kategorien werden zudem einige Lieblingsprodukte angeboten. Nachdem die individuellen Zeichnungen in kreative Produkte umgewandelt wurden, geht es abschließend in die hauseigene Werkstatt, wo die verschiedenen Werke bis ins kleinste Detail vollendet werden. All dies mit dem Hintergrund, ihre eigene positive Denkweise und Wertschätzung der Natur an ihre Kunden weiterzugeben. Für Natur- und Tierliebhaber das reinste Paradies! Mr. & Mrs. Panda, Burgstraße 33, 30159 Hannover, Kontakt unter Tel. (0511) 4738877 und mehr unter www.pandaliebe.de.

 

Stilraum Döhren
Wer die Fidelerstraße 28 noch als Fachgeschäft für Haushaltswaren kennt, sollte dem Laden in Döhrens beliebter Einkaufsstraße schnellstens einen Besuch abstatten. Denn im ehemaligen „Elektro Scharf“ werden jetzt unter dem Motto „Möbel kann man kaufen, Stil muss man haben“ Vintagemöbel verkauft. Vor allem Liebhaber von Designklassikern und Wohnaccessoires der 20er- bis 70er-Jahre, aber auch Fans von aktuellem Design werden hier fündig. Handverlesene Einzelstücke in unterschiedlichsten Stilen wie Bauhaus, Artdeco, Industrie- oder skandinavischem Design sind hier vertreten. Außerdem finden sich Möbel namenhafter Hersteller wie z. B. Knoll, Vitra, Eames und Fritz Hannsen. Das Sortiment verspricht individuellen Stil für ein persönliches Wohngefühl. Was als Flohmarktverkauf der Döhrener Brüder Tarkan Özhan und Gökhan Özhan begann, baute sich schnell zu einem ausgewachsenen Onlinehandel aus. Bald zeichnete sich jedoch die Notwendigkeit nach einem analogen Ort zum In-Szene-Setzen der Möbel ab. Aber nicht nur Suchende kommen auf ihre Kosten. Es werden zudem auch Antiquitäten und Möbel angekauft oder Hilfeleistungen bei Haushaltsauflösungen gegeben. Bei Fundstücken, denen die Brüder und ihr Team ein zweites Leben verschaffen können, ist ein Wertausgleich garantiert. Der Nachhaltigkeitsgedanke spielt in diesem Zusammenhang somit auch fraglos eine große Rolle. Wer nicht genug von den einzigartigen Möbeln bekommt oder sich für weitere Einkäufe inspirieren lassen möchte, findet das Geschäft auch auf Social Media Plattformen wie Instagram und Facebook. Fidelerstraße 28, 30519 Hannover, Tel. (0176) 57926166, Öffnungszeiten: Mo-Do 12-18 Uhr, Fr 10-18 Uhr, Sa 10-14 Uhr.

 

Naturheilpraxis Hallensleben
Zentral in der Nordstadt auf dem Edamm liegt die Naturheilpraxis Hallensleben. Dort praktiziert seit kurzem Georg Hallensleben, Heilpraktiker und zertifizierter Therapeut der sanften Krampfaderentfernung nach Prof. Dr. Linser. In seiner Praxis therapiert er mit konzentrierter Kochsalzlösung schonend und mit viel Fingerspitzengefühl Krampfadern und Besenreiser.
Zur Behandlung gehören ein ausführliches Erstgespräch, eingehende Diagnostik u. a. mit Ultraschall, individuelle Beratung und eine abgestimmte Therapie. Die ambulant durchgeführte Therapie kommt ohne Narkose aus, hinterlässt keine Narben und stellt damit eine echte Alternative zu einer Operation dar. In der Regel sind Patienten nach der Behandlung sofort wieder voll einsatzbereit. Die wenig bekannte Methode der sanften Krampfaderentfernung ist mit der Naturheilpraxis Hallensleben neu nach Hannover gekommen und bisher einzigartig. Interessierte und Betroffene können sich in einem Beratungsgespräch bei Herrn Hallens­leben informieren. Engelbosteler Damm 3, 30167 Hannover, Tel. (0151) 61886164, naturheilpraxis-hallensleben@posteo.de, naturheilpraxis-hallensleben.de.

Abgelegt unter Neu in der StadtEinen Kommentar verfassen...

Stadtkind twittert