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Ein offener Brief an Benjamin Netanjahu

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Ein offener Brief an Benjamin Netanjahu


Lieber Bibi,

wir haben lange überlegt, ob wir dir einen offenen Brief schreiben. Die Tendenz war nämlich eher, dir einen verdeckten Brief zu schreiben, denn man muss ja heutzutage sehr aufpassen, dass man nicht sofort in irgendeine Ecke gestellt wird. Aber dann haben wir uns gedacht: drauf gepfiffen. Wir werden sowieso ständig in irgendwelche Ecken gestellt, da kommt es auf eine Ecke mehr oder weniger jetzt auch nicht mehr an.

Also, lieber Bibi, jetzt mal Tacheles, der Karren steckt ganz schön tief im Dreck. Wie kommst du aus der Nummer bloß wieder raus? Zurücktreten ist ja keine Option, weil du erstens Benjamin Netanjahu bist und Eier aus Stahl hast. Und weil du zweitens im Nachgang wahrscheinlich ziemlich dran wärst, denn sie kämen ja bestimmt sofort mit den alten Vorwürfen um die Ecke: Bestechlichkeit, Betrug und Untreue. Und jetzt wahrscheinlich auch noch Kriegsverbrechen oder was auch immer. Was bleibt, ist also nur die Flucht nach vorn. Hart bleiben. Weitermachen. Sich nicht beirren lassen. Die Hamas platt machen. Und wenn die Hisbollah es drauf anlegt, dann muss eben auch noch der Libanon dran glauben. Das ist der Weg. Das ist dein Weg. Einfach weiter Benjamin Netanjahu sein, Sohn von Benzion, Bruder von Yoni und Iddo. Man muss bei dir ja immer die Familiengeschichte mitdenken. Das ist genau das, was immer alle vergessen, die dich so boshaft kritisieren. Du kannst gar nicht aus deiner Haut. Du hast die Lehrsätze deines Vater tief verinnerlicht. Die Palästinenser sind gar kein Volk. Frieden mit Arabern ist unmöglich. Einen eigenen Palästinenserstaat darf es darum niemals geben. Sie würden ihn nur als Basis nutzen, um wieder und wieder anzugreifen.

Entsprechend warst du die ganzen Jahre politisch unterwegs, hart rechts, der Beschützer Israels, der mit der garantierten Sicherheit, der mit der Ruhe und dem Wohlstand, aber ohne Frieden, weil es den mit Arabern nicht geben kann. Klare Kante. Nicht so wie damals Yitzhak Rabin, der mit Yasir Arafat diesen irren Osloer Friedensvertrag geschlossen hat, mit dem Ziel einer Zweistaatenlösung. Wie du gehetzt hast seinerzeit, da könnte sich die AfD heute noch eine Scheibe abschneiden. Aber gut, den Rabin hat dann ja ein rechter Extremist erschossen. Wolltest du nicht, klar. Manche reagieren halt über, wenn man ihnen zu viel Hass eintrichtert. Steckt man nicht drin.

Und dann bist du 1996 zum ersten Mal Regierungschef geworden. Und es durfte fortan gesiedelt werden im Westjordanland. Wunderbar. Aber schon folgten die ersten Korruptionsskandale und 1999 deine Abwahl. Dein politisches Ende haben sie dir damals prophezeit. Wir wissen, es kam ganz anders. Bis heute hast du deine Linie durchgehalten. Und erst recht nach dem grausamen Überfall der Hamas am 7. Oktober, bei dem so viele Juden ermordet wurden wie nie mehr seit dem Holocaust. Und jetzt rufen sie wieder alle nach Frieden. Den wird es aber mit dir niemals geben. Und eine Zweistaatenlösung auch nicht. Immerhin, in diesen Fragen bist du mit der Hamas absolut einig. Kann ja sein, dass das manche schade finden, ist aber so. Und bleibt so. Da können sie noch so viele Haftbefehle beantragen. Du wirst so lange weitermachen, bis sie dich demnächst abwählen und dann wahrscheinlich irgendwelche neugewählten linken Vögel Friedensangebote machen. Bis sie wieder voll auf die Fresse kriegen – weil ein Frieden mit den Arabern nicht möglich ist. Das wusste ja schon dein Vater.

Und warum haben wir dir nun diesen Brief geschrieben? Ganz einfach, weil wir das alles einfach mal aufschreiben wollten, ohne den leisesten Hauch von Antisemitismus. Das geht nämlich auch. Wir unterscheiden lediglich zwischen Arschlöchern und Nichtarschlöchern. Und okay, vielleicht, ganz vielleicht haben wir in deinem Fall ein vorläufiges Urteil gefällt. Wobei, andererseits sind wir alle ja auch nur Kinder unserer Väter, und wenn es in Familien Tradition ist, ein Arschloch zu sein, dann ist dagegen wahrscheinlich kaum was auszurichten. So gesehen kannst du vielleicht gar nichts dafür.

● GAH

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El Kurdis Kolumne im Juni: Die christliche Fett-weg-Spritze

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El Kurdis Kolumne im Juni: Die christliche Fett-weg-Spritze


In den USA wurde schon so manche fundamentalistisch-evangelikale Kirche nur gegründet, um deren Gottesdienste landesweit im Fernsehen übertragen zu können. Nur so hat man die Möglichkeit, Schwule und Lesben mit möglichst großer Reichweite zu hassen und gleichzeitig über regelmäßige Spendenaufrufe die Luxuswagen-Flotte des jeweiligen Kirchenbosses zu finanzieren. Oder seine 35-Zimmer-Villa. Ich wünschte übrigens, das wäre eine polemische Übertreibung. Nur ein Beispiel: Der Chef der Lakewood-Mega-Church Joel Osteen lebt in einem 1.600 Quadratmeter großen Anwesen, das zwölf Millionen Dollar wert ist. Osteens Vermögen wird auf mindestens 100 Millionen Dollar geschätzt, sein Einkommen beträgt über 70 Millionen Dollar pro Jahr. Soviel zum Erfolg der vermeintlich christlichen Botschaft mit Hilfe der traditionellen Medien.

Inzwischen werden im Christenmilieu aber auch modernere Kanäle genutzt, vor allem von einzelnen missionarisch beseelten jungen Menschen, den sogenannten „Christfluencern“. Auf YouTube, Instagram und TikTok bringen es die amerikanische Internetstars auf Millionen Followerzahlen. Aber auch deutsche Teens und Twens, die digital auf den Spuren des Nazareners wandeln, schaffen es, zehn- bis hunderttausende Anhänger auf ihren Profilen zu versammeln.

Dort erzählen sie ihren jungen Jüngern, was reaktionäre Christen labilen Menschen heutzutage eben so erzählen: Warum Abtreibung und Homosexualität Sünden sind, dass Männer Männer und Frauen gefälligst Frauen bleiben sollen, und sie loben die Freuden der vorehelichen Keuschheit, die „Purity Culture“. Der einzige Unterschied zu den Old-School-Predigern ist, dass die jungen Menschen sich äußerlich und oberflächlich irgendwie „hip“ geben. Und „authentisch“ – oder was sie dafür halten: Sie wuscheln sich zwischendurch cute durchs Haar, ordnen nachdenklich ihren Dutt oder tanzen auch mal unmotiviert zu Popmusik. Und hier und da streuen sie ein „nice“ oder „instantly“ in ihre Predigt-Reels.

Einer der Stars der deutschen Jesus-Szene ist Jana Hochhalter, die sich als Christfluencerin „Jana Highholder“ nennt. Die 26 Jahre alte Koblenzerin ist ein hyperaktiver Tausendsassa: Autorin von sieben Bücher, Podcasterin, Poetry Slammerin, „Speakerin“. Und sie sieht zudem nach den üblichen Internetmaßstäben gut aus. Wie überraschenderweise die meisten Christfluencer, ob Mann oder Frau: Alles tippitoppi gestylte „Germany‘s next Top-Christen“.

Interessant ist, dass die gerade fertig studiert habende Medizinerin Jana Hochhalter neben ihrer Christfluencerei auch noch als Ärztin praktiziert. Auch das ist für sie ein Gottesdienst. Auf Instagram zeigt sie ein Video, auf dem sie vor Arbeitsbeginn betet: Nicht kniend, mit gefalteten Händen, sondern stehend: Die Augen geschlossen, die Arme ausgebreitet und gen Himmel gerichtet, so als wäre sie eine menschliche Antenne und als wollte sie den Heiligen Geist auf Langwelle empfangen. Dazu schreibt sie: „Jeden Morgen vor der Arbeit bete ich für den Tag; für die Patienten, denen ich begegnen werde, für die Gespräche, die ich führen werde und für die Entscheidungen, die ich treffen werde. Ich lege all mein Wissen und meine Fähigkeiten in die Hände Gottes und bitte ihn, durch mich zu wirken.“

Nun hat sich Jana von allen Medizinbereichen, in denen man als frommer Mensch christliche Nächstenliebe praktizieren könnte, einen ganz besonderen ausgesucht: Sie bietet in einer Privatpraxis in einem Wellnesshotel „ästhetische Medizin“ an. Dort kann man sich so allerhand injizieren lassen: „Botox (ab 250 Euro)“, „Skinbooster (ab 290 Euro)“, „Hyaloron (ab 300 Euro)“ oder die „Fett-weg-Spritze (ab 350 Euro)“. Ein Spötter würde jetzt vielleicht fragen: Pfuscht Jana damit nicht dem Herrgott ins Handwerk? Unterstützt sie so nicht den Äußerlichkeitswahn einer egozentrischen, sexbesessenen Gesellschaft? Verrichtet sie damit nicht das Werk Satans?

Das Gegenteil ist richtig. Denn Jana ist eine dialektisch denkende Fundamentalistin. Sie weiß, dass sie selbst gesegnet und auserwählt ist, dass aber nicht alle Gläubigen so gut aussehen können wie sie. Vor allem aber weiß sie, dass der Fanatismus die Gesichter der meisten Frömmler langfristig brutal zeichnet. Und deswegen spritzt sie ihren Glaubensbrüdern und – schwestern die Enthaltsamkeits-Falte zwischen den Augenbrauen glatt, pufft ihre verkniffen-schmalen Bigotterie-Lippen auf und lässt per Lypolyse den Glaubenskummerspeck um die Hüften verschwinden. Eine schönere Definition von „Caritas“ kann es gar nicht geben.

● Hartmut El Kurdi

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Editorial 2024-06

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Editorial 2024-06


Liebe Leser*innen,

Und schon wieder eine Republik, diesmal eine aufgehetzte … Nach den Übergriffen in Dresden und anderswo wird gerade überall diskutiert, ob diese Attacken zu einer Gefahr für unsere Demokratie werden könnten. Ich finde diese Fragestellung bezeichnend. Geht es vielleicht auch mal eine Nummer kleiner? Natürlich – wehret den Anfängen. Und natürlich – ich würde mir einerseits Aufrüstung wünschen. Aber auch Abrüstung. Aufrüstung zum Beispiel bei der Ausschöpfung des Strafmaßes für solche Übergriffe. Und Abrüstung bei den gegenseitigen Schuldzuweisungen.

Aber muss eigentlich jedes Problem immer gleich zu einem Riesen aufgeblasen werden? Ein paar Idioten sind gewalttätig geworden. Sie sind bereits in Gewahrsam. Sie werden hoffentlich hart bestraft. Aber nein, unsere Demokratie ist nach den Attacken noch längst nicht in Gefahr. Sie ist glücklicherweise ziemlich wehrhaft aufgestellt. Was aber nicht heißt, dass man nun einfach so zur Tagesordnung übergehen sollte. Denn ein Problem haben wir, gar keine Frage.

Wir sind eine aufgehetzte Gesellschaft, wir sind alarmiert, ängstlich, besorgt und alles andere als optimistisch. Und das ist kein Zustand, der für Gesellschaften besonders gesund ist. Zumal in dieses Feuer gerne noch Öl gekippt wird. Denn natürlich versuchen diverse Länder von außen massiv Einfluss zu nehmen. Die bereits sichtbare Spaltung soll weiter vorangetrieben werden, man will Deutschland destabilisieren. Was nun eigentlich dazu führen müsste, dass die Demokraten in Berlin den Schulterschluss wagen und sich darauf besinnen, um was es eigentlich geht, nämlich um das Wohl der Menschen in Deutschland.

Leider tun sie das Gegenteil. Sie machen mit. Sie polemisieren, sie diffamieren. Sie kochen jeweils ihr ganz eigenes Süppchen. Zum Nachteil Deutschlands. Ich habe selten eine Regierung gesehen, deren Koalitionspartner derart egozentrisch auf den eigenen Vorteil fokussiert waren. Und ich habe selten eine Opposition gesehen (damit ist hier die CDU/CSU gemeint, die AfD ist für mich keine Opposition, sondern ein erbärmlicher Witz), die derart verantwortungslos die Stimmung im Land vergiftet hat. Es ist wirklich ein trauriges Schauspiel.

Es gäbe sehr viel, was die demokratischen Parteien gemeinsam tun könnten, um wieder für ein bisschen mehr Ruhe und Frieden, für ein bisschen mehr Gemeinschaft und Zuversicht zu sorgen. Sie könnten beispielsweise mal alle zusammen und ausnahmsweise konstruktiv an den Problemen arbeiten, mit denen wir in Deutschland tatsächlich zu kämpfen haben. Aber wenn ich mir die handelnden Akteurinnen und Akteure so ansehe, hält sich meine Hoffnung doch sehr in Grenzen. Haben die alle zusammen verdient, dass man sie wählt? Das man am 9. Juni zur Wahl geht und sein Kreuz macht? Nein, verdient haben sie es ganz und gar nicht.

Ich gehe aber trotzdem zur Wahl und werde mein Kreuz machen – um Schlimmeres zu verhindern. Das ist leider bei dieser Wahl meine einzige Motivation. Ich würde mir sehr wünschen, dass die demokratischen Parteien in Berlin mir möglichst bald wieder ein paar mehr Gründe gönnen.

Viel Freude mit dieser Ausgabe wünscht

● Lars Kompa
Herausgeber
Stadtkind

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Ein letztes Wort im Mai

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Ein letztes Wort im Mai


mit dem Ministerpräsidenten Stephan Weil

Stephan Weil (r) und Lars Kompa (l)

Herr Weil, heute frage ich Sie nicht primär als Ministerpräsident, sondern als SPD-Landesvorsitzender. Lassen Sie uns doch mal jenseits aller ganz großen Konflikte ein bisschen eintauchen in die Landespolitik in Deutschland. In Niedersachsen liegt die AfD nach einer Umfrage von Allensbach von Anfang Februar auch schon bei 21 Prozent. Der Geist ist immer mehr aus der Flasche, oder?
Ja, wir können uns schon lange nicht mehr vormachen, dass das allein ein ostdeutsches Problem sei. Das ist es definitiv nicht. Hätten wir vor zweieinhalb Jahren über dieses Thema gesprochen, dann wäre ich vielleicht noch davon ausgegangen, dass die AfD bei den Landtagswahlen im Herbst 2022 unter 5 Prozent bleiben könnte. Aber im Februar 2022 hat Russland die Ukraine angegriffen, es folgten Energiepreiskrise und Inflation. Seither sehen wir auch im Westen einen deutlichen Anstieg der Werte der AfD. Mag der Zuwachs auch vielleicht durch die Partei von Sahra Wagenknecht ein bisschen geringer werden, müssen wir doch nüchtern konstatieren, dass sich in Deutschland eine Partei deutlich rechts von der CDU festsetzt.

Nun sagen die einen, man muss die AfD inhaltlich stellen, also mit der AfD diskutieren. Und die anderen meinen, dass das gar nichts bringt und dass man dieser Partei möglichst keine Bühne geben sollte. Auf welcher Seite stehen Sie?
Ich möchte der AfD möglichst keine zusätzliche Bühne bieten. In jedem Fall möchte ich dagegen die Wählerinnen und Wähler der AfD ansprechen. Denn das sind ja weiß Gott nicht alles Rechtsextreme. Wir wissen aus vielen Umfragen, dass nach wie vor ein hoher Anteil vor allem Unmut ausdrücken will. Viele glauben dabei gar nicht, dass die AfD eine seriöse Adresse sei. Wir müssen uns in der Sache hart mit der AfD auseinandersetzen und genau analysieren, wofür diese Partei inhaltlich steht. Nehmen Sie die Europawahl: Ohne das Wort Dexit in den Mund zu nehmen, sinniert die AfD über ein Ausscheiden der Bundesrepublik aus der EU. Obwohl Europa der wichtigste Markt für die deutsche Wirtschaft ist. Ein solcher Schritt wäre ein Programm zur massenhaften Verarmung von Menschen in Deutschland.

Thüringens CDU-Chef Voigt ist ja gerade mit Höcke in den Ring gestiegen. Und Höcke hat dort gesagt, dass es der englischen Wirtschaft deutlich besser geht als der deutschen Wirtschaft. Und dass der Brexit demnach ein Erfolgsmodell sei.
Da sind die Engländer selbst aber inzwischen ganz anderer Meinung. Die bitteren Konsequenzen des Austritts sind dort überall spürbar.

Was Höcke allerdings nicht groß interessiert. Und mit jemandem zu diskutieren, der sich die Welt macht, wie sie ihm gefällt, ist ein bisschen schwierig, oder? Also doch besser lassen?
Wie gesagt, mein Ansatz ist es eher, die Wählerinnen und Wähler der AfD direkt anzusprechen, ihnen zuzuhören und ihre Argumente zu hinterfragen. Letztlich aber gibt es auf die Frage, was man wirklich gegen die AfD tun kann, nur eine richtig gute Antwort.

Das haben Sie schon öfter gesagt. Die Politik muss besser werden, sie muss Sicherheit und Verlässlichkeit vermitteln. Das scheint mir in nächster Zukunft aber bei aller Liebe ein bisschen fraglich, wenn ich mir die Performance der Ampel ansehe.
Es ist dennoch der richtige Weg, und ich hoffe, dass das irgendwann alle Beteiligten verstanden haben. Menschen mit einem gefestigten rechtsextremen Weltbild werden wir mit guter Politik nicht erreichen. Es lohnt sich aber sehr wohl mit denen zu sprechen, die jahrzehntelang CDU, SPD, Grün oder FDP gewählt haben, sich jetzt aber enttäuscht der AfD zuneigen. Viele von ihnen verwahren sich persönlich auch entschieden dagegen, in die rechte Ecke gestellt zu werden. Wir müssen reden, überzeugende Alternativen aufzeigen und dann auch so handeln. Ich habe jetzt damit begonnen, Bürgerversammlungen anzubieten für Menschen, die mir oder auch anderen bitterböse Briefe schreiben. Diese Menschen bringen durch diese Briefe zumindest zum Ausdruck, dass sie noch Erwartungen an die Politik haben. Und ich stelle fest, dass man ins Gespräch kommen kann. Oft macht der Ton die Musik – übrigens auf beiden Seiten. Machen wir also einen Unterschied zwischen den Repräsentanten dieser Partei, wie dem Faschisten Höcke, und ihren Wählerinnen und Wählern. Damit gibt man der AfD keine Bühne. Und nochmal apropos Bühne: Herr Voigt hat zwar sein Ziel erreicht, bundesweite Publizität zu bekommen, aber zu einem ziemlich hohen Preis. Denn auch Herr Höcke hat diese Publizität bekommen.

Den Eindruck hatte ich auch. Zumal gerade beim Thema Zuwanderung die Unterschiede zwischen den beiden für mich nicht so ganz klar geworden sind. Beide sehen das ja als massives Problem. Wahrscheinlich wählen die Leute dann doch lieber das Original.
Das ist das Risiko, wenn man in den Sound der AfD einstimmt. Auch und gerade in Bezug auf Geflüchtete gilt es, die eigenen Argumente sehr sorgfältig abzuwägen. Von den Kritikern unserer Politik wird häufig darauf hingewiesen, dass die Flüchtlinge reichlich bekämen, bei deutschen Rentnerinnen und Rentnern aber gespart werde. Ich weise dann darauf hin, dass etwa ein Viertel aller Arbeitsplätze in Deutschland inzwischen von Menschen mit Migrationshintergrund besetzt sind. Würden wir uns die wegdenken, wäre die Deutsche Rentenversicherung kaputt. Bei solchen Argumenten blickt man dann doch in nachdenkliche Gesichter.

Sprechen wir in dem Zusammenhang noch kurz über die neue Kriminalstatistik. Was die AfD daraus macht, ist klar: Alle Ausländer sind kriminell, als ob es da ein Gen gäbe … Ein Argument mehr, sie nicht ins Land zu lassen oder wieder zu vertreiben. Sie gehören nicht hierher. Und passend kommt dann die die CDU mit der Leitkultur um die Ecke …
Ich glaube, von den Ergebnissen der jüngsten polizeilichen Kriminalstatistik ist zunächst niemand überrascht, der sich schon mal näher mit diesen Statistiken befasst hat. Ich kenne das Thema jetzt seit den 90er-Jahren, als ich mal im Justizministerium gearbeitet habe. Die Kriminalstatistik reflektiert auch sehr stark die soziale Lage. In der Gruppe derjenigen, die mit sehr wenig Geld auskommen müssen, ist die Zahl der Zugewanderten leider stets hoch. Armut ist nicht kausal für Kriminalität, aber Armut kann ein Faktor bei einer Entwicklung hin zur Kriminalität sein, das Gefühl, ohnehin nicht richtig dazuzugehören ein anderer. All das entschuldigt kein kriminelles Verhalten, aber es weist auf Lösungsansätze hin. Mehr Integration und Teilhabe, schneller und unkomplizierter berufliche Perspektiven aufzeigen. Und zur Wahrheit gehört eben auch, dass die allermeisten Menschen, die zu uns kommen, sich große Mühe geben, die Erwartungen in ihrem neuen Heimatland zu erfüllen, dass sie schnell unsere Sprache erlernen und unser Grundgesetz achten und respektieren. Und was die Leitkultur der CDU angeht: Mir reicht unser Grundgesetz.

Das am 23. Mai 75 Jahre alt wird. Und das soll gefeiert werden …
Ja, das sollten wir feiern! Unser Grundgesetz ist wirklich ein guter Kompass, eine kluge Grundlage für unser Zusammenleben und ein Grundpfeiler unserer Kultur. Was mir am Grundgesetz besonders gut gefällt, ist die Balance zwischen den eigenen Freiheitsrechten und anderen ganz persönlichen Rechten und den Belangen der Allgemeinheit. Das ist ganz, ganz große Rechtssetzungskunst.

Da könnten sich heutige Gesetzgeber manches abschneiden …
Das ist leider wahr. Nehmen wir nur die hohe Zahl der einzelnen Regelungen zur Schuldenbremse im Grundgesetz und vergleichen sie mit dem Abschnitt über die Grundrechte.

Heute würde das Grundgesetz bestimmt auch anders heißen.
Besseres-Deutschland-Verfassung-Gesetz. Oder Besseres-Zusammenleben-Gesetz. Aber Spaß beiseite. Wir können sehr stolz sein auf unser Grundgesetz, das übrigens eine ungeschriebene Überschrift hat: Nie wieder! Seine Bilanz kann sich wirklich sehen lassen. Wir hatten 75 Jahre lang in Europa keinen Krieg und bei durchgängig persönlicher und politischer Freiheit einen stetig wachsenden Wohlstand. Das aber sollte uns umso mehr mahnen, uns jetzt für unsere Freiheit, für unsere Demokratie und ihr Fortbestehen einzusetzen. Jede und jeder von uns! Das ist jetzt unsere gemeinsame Aufgabe. Denn unsere Freiheit ist gefährdet, daran gibt es gar keinen Zweifel.

Interview: Lars Kompa

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Staatsoper Hannover: am Küchentisch mit Ketevan Chuntishvili

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Staatsoper Hannover: am Küchentisch mit Ketevan Chuntishvili


Ketevan Chuntishvili

Die in Tiflis geborene Sopranistin Ketevan Chuntishvili absolvierte ihr Studium an der Musikhochschule in Hannover und gab 2020 ihr Operndebut am Stadttheater Klagenfurt. Nach einiger Zeit am Stadttheater Cottbus und mehreren Stipendien und Auszeichnungen für ihr Gesangstalent, schloss sie sich zur Spielzeit 2023/24 nun dem Ensemble der Staatsoper Hannover an. Hier wird sie mit ihrer großartigen Stimme der Susanna aus Mozarts „Le Nozze di Figaro“ Leben einhauchen …

Du wurdest in Georgien geboren, einem Land, in dem die Musik eine große Rolle spielt. Und doch haben dein Musikstudium und große Teile deiner bisherigen Karriere nicht dort stattgefunden, sondern hier in Deutschland. Wie kommt das?
Das hat damit zu tun, dass meine Tante hier in der Nähe lebt und ich somit früh Zugang zu Deutschland hatte. Ich konnte mich hier schon vorher adaptieren und mich schlau machen, wie das mit dem Studium funktioniert. Außerdem müsste man selbst nach einem abgeschlossenen Bachelor in Georgien in Deutschland von vorne beginnen, weil er nur teilweise oder gar nicht anerkannt wird. Und das hätte ich schade um die Zeit gefunden, weil die für mich irgendwie schon lange schneller tickt. Mir ist erst später klar geworden, dass es eventuell nicht klappen könnte, denn ich hatte mich für nichts anderes beworben. Das war ein bisschen unbedacht. Ich habe sonst alles durchdacht, aber das nicht. Aber ich hatte damals diesen Drive, den ich hinterher immer wieder verloren habe, diesen Glauben und die Manifestation, dass alles klappen wird, ja… klappen muss. Ich denke, ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort und bin froh, dass ich hier wirklich gute Bildung genossen habe.

Und wieso unbedingt Deutschland? Weil deine Tante und dein Onkel hier gewohnt haben?
Ja, das war ausschlaggebend. Außerdem ist das Studium in Georgien sehr teuer. Ich hatte das Gefühl, dass ich dort letzten Endes nichts erreichen kann, außer ich investiere nach dem Abschluss noch mal viel Geld, um nach Europa zu gehen, eventuell sogar einen weiteren Abschluss zu machen und Wettbewerbe, um gesehen zu werden und gehört zu werden. Es kamen mehrere Dinge zusammen.

Bist du jetzt nach einigen Jahren an die Staatsoper Hannover gekommen, weil du dich während deines Studiums in die Stadt hier verliebt hast, oder gab es dafür noch andere Gründe?
Es war die Mischung aus vielen Pros: In erster Linie ist die Staatsoper ein überaus begehrenswerter Arbeitsort, aber die Stadt hat auch einen besonderen Wert für mich, aufgrund der mit ihr verbundenen positiven Erinnerungen und Erfahrungen.

Aber nach deinem Studium hast du noch einige Abstecher gemacht, richtig?
Ja. Zuerst war ich eine Zeit in Klagenfurt, dann in Cottbus. Da blieb ich lange.

Als du wieder hierhergekommen bist, hast du da in dein ehemaliges Wohnviertel zurückgefunden?
Ich habe mich jetzt woanders niedergelassen. Ich habe insgesamt dreimal den Stadtteil gewechselt und zuletzt wohnte ich in Linden. Nun hatte ich Lust auf etwas Neues und wohne etwas weiter weg, im Grünen. Aber mit dem Fahrrad geht das superschnell. Ich genieße es, am Ufer des Maschsees entlangzuradeln.

Ist das dein Lieblingsort hier in der Stadt?
Tendenziell liebe ich alles, was grün ist und blüht. Während meiner Studienzeiten bin ich zum Beispiel häufig aus der Mensa in die Eilenriede gegangen. Da komme ich jetzt kaum noch hin. Dafür sind bei mir um die Ecke die Ricklinger Kiesteiche. Und ich mag auf jeden Fall den Maschsee, die List und die Altstadt!

Du hast vor einigen Jahren mit deinem Filmbeitrag zu dem „Lied Me!“-Projekt des Internationalen Liedzentrums Heidelberg über deine Unsicherheiten und „Die Stimme im Kopf“ gesprochen. Ist diese Stimme immer noch da?
Ja, aber die ist viel, viel, viel leiser. Und auch viel netter. Daran habe ich intensiv gearbeitet und tue es noch. Wir Sänger können uns nicht auch noch selbst fertig machen, wenn wir ständig damit konfrontiert sind, kritisiert und korrigiert zu werden. Ich selbst hatte da bis jetzt sehr viel Glück. Aber man hört immer wieder Gerüchte über Vorgesetzte, Dirigenten und Regisseure, die rumbrüllen und Kritik in wirklich offensiver Art und Weise äußern. Da müssen wir uns nicht noch selbst fertig machen und uns selbst umso mehr unter Druck setzen.

So viel Stress. Dabei warst du Stipendiatin eben jener Lied-Akademie des Heidelberger Frühlings und vieler weiterer Organisationen und hast bereits zahlreiche Preise wie den Max-Grünebaum-Preis gewonnen. Ist Unsicherheit eine Art Berufskrankheit, die sich durch die Branche zieht?
Ich glaube, dass das etwas super Persönliches, Individuelles ist. Ich verstehe jedoch, warum der Eindruck entsteht, dass das eine Berufskrankheit ist. Der Beruf an sich ist einfach so persönlich. Man gibt etwas von sich selbst preis, man entblößt sich sehr oft, im übertragenen Sinne natürlich. Man zeigt seine Psyche und sein Inneres nach außen und das macht einen verletzlich.

Schön zu hören, dass es dir damit mittlerweile besser geht. Was hast du dagegen gemacht oder was hat sich seitdem gebessert?
Ich habe Therapie gemacht. Viel reflektiert, mich anderweitig schlau gemacht. Ich höre mir gerne Podcasts beim Joggen an, um auch noch außerhalb von dieser Bubble, in der wir leben, etwas mitzubekommen. Sonst ist man morgens und abends in der Oper. Regulär. Und in der Mittagszeit bereitet man sich für die Proben am nächsten Tag vor. Außerdem haben wir meistens Kontakt mit Sänger*innen, gezwungenermaßen, weil wir ansonsten für nichts anderes Zeit haben, und da geht es auch meistens um die Themen rund um den Gesang. Dadurch kann man, glaube ich, ein bisschen durchdrehen, wenn man sich nicht ab und zu Schlupflöcher in andere Themen sucht.

Ein weiteres Thema, mit dem du dich innerhalb des HIDALGO Festivals 2021 auseinandergesetzt hast und das sich ebenfalls in „Le Nozze di Figaro“ findet, ist der sexuelle Missbrauch. Ist es Zufall, dass sich dieses wichtige Thema häufiger in Projekten, die du wahrnimmst, findet?
Ja (lacht). Es ist Zufall, aber ich bin froh, dass ich doch etwas dazu beitragen konnte. Ich gehört zu denen, die bis jetzt keine schlimmen persönlichen Erfahrungen mit dem Thema gemacht haben. Es gab auch bei mir mal Ansätze davon, aber jetzt nichts so Krasses, was ich da verkörpert, vertont oder dargestellt hätte. Es ist einfach verrückt, dass so etwas passiert. Wir haben den Stoff gehabt, um den die Idee und das Projekt entstanden sind, aber ich wünschte ehrlich gesagt, diese ganzen Storys würden gar nicht erst existieren.

Dann lass uns über die Oper reden. „Le Nozze di Figaro“, ist das für dich nicht mittlerweile schon ein alter Hut, den du in- und auswendig kennst?
Ja, ist es. Ich kenne mich mit dieser Oper sehr gut aus, trotzdem lerne ich bei jeder Probe so viel Neues dazu. Da gibt es unendlich viel zu verfeinern. Aber ja, es ist die Partie, die ich bis jetzt am häufigsten gesungen habe.

Die Oper soll recht schwer zu beschreiben sein, aber du als Profi kannst das sicher trotzdem versuchen.
Also …Wie soll ich’s zusammenfassen… Wir haben ein Paar, das jede Minute heiraten möchte, Susanna und Figaro. Sie sind beide angestellt im Hause von Graf und Gräfin Almaviva. Zwischen diesem Ehepaar läuft es nicht mehr so gut. Der Graf sucht Ablenkung und Fun bei allen anderen Frauen außer bei seiner eigenen. Er kennt wirklich keine Grenzen. Und jetzt hat er ein Auge auf Susanna geworfen. Sie spürt das, traut sich aber nicht, ihrem Mann gegenüber etwas zu sagen, weil die Männer gut befreundet sind und sie sich deswegen auf dünnem Eis bewegt. Außerdem ist der Graf ihr Vorgesetzter, woraus sich ein Machtgefüge ergibt. Letzten Endes erfährt Figaro von ihr davon und ist außer sich. Er legt den Grundstein für die Revolution.

Du hast schon an andere Inszenierungen mitgewirkt. Was macht diese hier so besonders? Was sind ihre Eigenheiten?
Diese Inszenierung ist auf eine Art düster und irgendwie grotesk. Sie hat einen gruseligen, spukigen Touch. Ich bin ein großer Fan der Regisseurin, Lydia Steier. Sie hat einen so frischen Blick auf die Oper geworfen, indem sie sich mit etwas beschäftigt hat, über das immer spekuliert wird. Was empfindet Susanna denn eigentlich für den Grafen? Ist das nur Ekel? Ist sie einfach nur genervt von ihm? Oder gibt es eine gewisse Anziehung? Es ist superinteressant zu beobachten, wie sich diese Spannung im Laufe der Akte immer mehr entwickelt.

Was gefällt dir generell an der Figur der Susanna? Magst du sie?
Ja, sehr. Ich mag, dass sie den Überblick über alles hat. Und ich mag, dass sie trotz des Wahnsinns, der um sie herum passiert, die Contenance bewahrt, professionell bleibt und weiterhin ihre Arbeit macht. Sie ist trotzdem so liebevoll, so herzlich, lebendig und fleißig.

Ließe ihr Kampf sich nicht fast als Mozarts-Version einer Me-Too-Geschichte auslegen?
Total! Es ist eine Me-Too-Geschichte schlechthin, wegen der übergriffigen männlichen Figuren. Allen voran der Graf.

Könnte man das Happy End des Stücks dann schon fast als empowernden Triumph Susannas und Figaro als den edlen Helden auslegen, weil er sich mit dem Grafen anlegt?
Ich denke, bei uns geht das nicht. Bei uns ist alles ein bisschen anders. Besonders das Ende ist so anders als alles, was ich bisher miterlebt habe. Unsere Inszenierung weicht ein bisschen ab von der Originalhandlung und das löst Lydia eigentlich sehr gut durch die letzte Szene. Normalerweise sind alle Paare vom Anfang wieder zusammen, der Graf ist bei der Gräfin und bereut sein Verhalten und Figaro ist bei Susanna. Für den Moment verzeihen alle einander und sind happy. Aber trotzdem wissen wir nicht, ob es morgen wieder von vorne losgehen wird. Bei uns sind viele Menschen am Ende nicht happy, vor allem Susanna und der Graf.

Manche werfen der Figur des Figaros vor, sie würde nur aufbegehren, um aufzubegehren, und eigentlich gar kein klares Ideal haben. Siehst du das auch so? Es handelt sich immerhin, um deinen „Geliebten“?
Ja, er ist eben auch nur ein Mann … Das sehe ich auch so. Im Figaro steckt etwas… Im Kern ist er ein leicht gewalttätiger, leicht übergriffiger Macho-Typ und ich glaube, nur seine Position erlaubt ihm nicht, das auszuleben. Je mehr er vordringt und mit seiner Revolte erreicht, umso mehr zeigt er auch seine wahren Triebe und die narzisstische Art.

Wenn du einen anderen Charakter aus dieser Oper singen müsstest, egal ob männlich oder weiblich, welcher wäre das?
Der Graf (lacht). Ich finde seine Arie richtig geil. Außerdem kann man den Grafen auf so viele verschiedene Arten und Weisen darstellen. Das geht sowieso mit allen Charakteren, aber gerade bei ihm gibt es Millionen Wege. Die Psychoanalyse des Grafen fände ich auch superinteressant. Ich habe das Gefühl, dass er die ganze Zeit eine Fassade errichtet hat und ich würde gerne entdecken, was dahintersteckt.

Die Inszenierung wurde mit großartigen Kostümen ausgestattet. Hat man da als Darsteller oder als Darstellerin eigentlich irgendein Mitspracherecht? Kann man sich bestimmte Details wünschen?
Wenn irgendwas gar nicht passt, dann werden wir auf jeden Fall gehört. Wir dürfen was sagen, so war zumindest bis jetzt immer meine Erfahrung. Aber ich bin auch ziemlich entspannt und vertraue da den Kostümbildnern. Ich weiß, dass sie wissen, was sie tun, und ihr Bestes geben, damit wir uns wohlfühlen und auch möglichst gut aussehen. Ob mir jetzt eine bestimmte Farbe steht oder nicht, ist völlig egal. Darum geht es nicht. Hauptsache, es drückt nicht an der Stelle, an der ich atmen muss, und nimmt nicht so viel Fokus von meinem Gesang, damit ich mich wohlfühle. Darauf passen die schon immer auf und ich habe bisher wirklich gute Erfahrungen gemacht.

Zuletzt eine Art Doppelfrage: Welche Stelle in der Oper singst du am liebsten und welche Szene wird euer Publikum am meisten umhauen?
Welche Szene ich am liebsten singe … Erst einmal die Arie im vierten Akt und dann die Szene mit Figaro und Susanna, in der wir diesen Kampf haben und sie ihn schlägt. Ich finde die Szene unglaublich schön und sie hat einen guten Aufbau. Da explodiert alles und dann beruhigen sie sich wieder. Ich glaube, das wird das Publikum umhauen, was er da in dieser Szene mit ihr macht.

●Filine Hunger

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Stadtkinder essen: Restaurant Safran

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Stadtkinder essen: Restaurant Safran


Am Steintor tut sich ja immer so Einiges – meist sind es Friseur- und Barbershops, die Namen, Äußeres und Inhaber wechseln, aber auch in der Gastroszene geschieht ordentlich was. Kaum zu übersehen ist das neue afghanisch-persische Restaurant Safran. Auch wenn der Name erst einmal verwirrend ist – schließlich gibt es auch noch das Café Safran an der Glocksee, das seit geschätzten 526 Jahren eine Institution in dieser Stadt ist. Die beiden Läden hängen nicht zusammen – da sind wir uns seit unserem Besuch sicher.

Safran macht den Kuchen gel – oder lila? Lila dominiert hier nämlich: Außen ein leuchtendes, innen ein blasseres Lila, das die Wände schmückt. Ganz schön viel Platz hier, immerhin erstreckt sich das Restaurant über zwei Etagen.
Die Karte ist gigantisch groß und ziemlich fleischlastig, das soll aber in der persischen Küche so üblich sein, haben wir uns sagen lassen.

Trotzdem, oder gerade deshalb, testen wir auch eine vegetarische Vorspeise. Kaschko Bademdjan – dabei handelt es sich um gebratene Auberginen in persischer Buttermilchsauce mit gerösteter Minze, Röstzwiebeln und persischen Gewürzen (7,90€). Sehr lecker und cremig, ein spannender Geschmack – unbedingt probieren!
Dazu gibt es einen Blaubeer-Eistee (3,90€). Dieser wird allerdings nicht schnöde in der Hipster-Flasche serviert, in der er verkauft wird, sondern kommt elegant mit reichlich Eis und Spearminze im Cocktailglas.
Außerdem testen wir die Vorspeisenplatte für eine Person (9,90€), bestehend aus zwei gefüllten Weinblättern, einer frittierten Teigtasche mit Gemüsefüllung, einem Schälchen Oliven, einem Falafelbällchen sowie vier Dips: Zwei auf Schafskäse- und zwei auf Labneh-Basis, einem recht stichfesten Joghurt. Alles ist gut abgeschmeckt und wirklich frisch. Wem es nicht abgeschmeckt oder frisch genug ist: Die Servicekraft bringt uns nicht nur Brot, sondern auch einen Teller mit frischen Kräutern wie Minze, Koriander und Petersilie, sowie einigen Stücken Schafskäse zum Nachjustieren der Würze.

Wir haben noch nicht ganz aufgegessen, da kommen schon die Hauptgänge: Ghormeh Sabzi (12,90€), ein klassisch-persisches Schmorgericht mit Kalbfleisch, diverse Kräutern, roten Bohnen und getrockneten Zitronen. Serviert wird es mit wirklich gutem Basmatireis.
Ehrlicherweise sieht das Gericht zum Davonlaufen aus, aber das tun die meisten Schmorgerichte, egal, welcher Küche sie entstammen. Geschmacklich erinnert es ein bisschen an Grünkohl, aus welchem Grund auch immer, aber die Zitronen geben eine interessante exotische Note, die schwierig zu beschreiben ist. Spannend!
Auch das andere Hauptgericht, Djudje Esfenaj (17,90€), kommt mit Reis sowie Grilltomaten. Hier handelt es sich um fein mariniertes und gut gegrilltes Hähnchenbrustfilet (den Spieß, an dem es gegart wurde, hat man in der Küche netterweise schon entfernt) mit einer Sauce aus gebratenem Spinat, frischen Pilzen, Knoblauch und Schafskäse – superlecker, aber auch unglaublich mächtig.

Wir sind ganz schön satt und zufrieden. Beim nächsten Besuch werden wir uns wohl eher auf eine Vorspeisenauswahl beschränken. Zumal dort auch die Auswahl an vegetarischen Gerichten größer ist (als Veganer wird man hier kaum glücklich), die vegetarischen Hauptgerichte muten nämlich seltsam italienisch-international an. Alles in allem aber wirklich gute Küche, die einen Besuch lohnt.

Restaurant Safran
Kurt-Schumacher-Straße 26
30159 Hannover
Montag bis Sonntag von 12:00-21:30 Uhr geöffnet
www.safran-hannover.de

● IH, Fotos Gero Drnek

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