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Übers Veranstalten – im Gespräch mit Peter Holik

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Übers Veranstalten – im Gespräch mit Peter Holik


Nadine Baer & Peter Holik (Kinderfest)

Ich habe den Verdacht, du muss mir zuerst erzählen, wo du herkommst und was dein Weg war, damit ich verstehen kann, wo du eigentlich hinwillst.
(Lacht) Mein Vater wurde 1910 in Prag geboren, meine Mutter 1922 in der Nähe von Breslau, in einem Dorf. Sie haben sich beim Rübenhacken in russischer Feldgefangenschaft kennengelernt. Und dann sind sie mit der Familie meiner Mutter in den Westen geflohen und 1946 irgendwie in Warburg gelandet. Sie haben fünf Kinder in die Welt gesetzt, ich war Nummer 5, und dann kam noch mein Bruder Martin in Hannover dazu. Mein Vater war dann Ingenieur bei der Hanomag und Troester in Hannover. Er hat später so ein Familienblockhaus in Fünfer-Reihen in Sarstedt gekauft und ich bin dort zur Grundschule gegangen, später aufs Gymnasium in Hildesheim. Und dann ging es 1973 zur Uni nach Hannover.

Was hast du studiert?
Ich habe mit Politik und Geschichte angefangen, Geschichte aber aufgegeben, weil mich Politik einfach mehr interessiert hat. Und dann habe ich noch Germanistik und Philosophie dazu genommen und später den Magister gemacht.

Der Magister kam aber viel später, zuerst gab es noch eine nicht so kurze Schleife …
Ich habe 1979 das Studium unterbrochen und meinen Zivildienst gemacht. So bin ich in Linden gelandet. Ich habe offene Jugendarbeit in der evangelischen Gemeinde gemacht, das war sehr spannend, eine tolle Lehrzeit bei Jochen Günther, der hatte in dieser kirchlichen Gemeinde eine Sonderposition, der hat mehr das Gemeinwesen gefördert. Also etwas abseits der Diakonie, weniger beten, mehr Sozialarbeit. Sozialstadtarbeit, Gemeinwesenarbeit, das waren damals die Ansätze in der evangelischen Weltkirche, diese Konzepte waren überall anwendbar, in einem afrikanischen Dorf oder im Stadtteil Linden. Da geht es größtenteils um Sozialmanagement, nicht bezogen auf den Glauben, sondern mehr auf die Nachbarschaft, die eingeladen wird. Die offene Jugendarbeit war natürlich chaotisch ohne Ende damals, das war ja mitten in Linden, die Jugendlichen waren Richtung 14, 15, 16 Jahre. Und ich kam frisch aus dem Walter-Benjamin-Seminar. Diese Jungs haben sich alle immer erst geprügelt, bevor sie Freunde wurden. Es gab zuerst was auf die Schnauze, dann waren sie Kumpels. Sie hatten sozusagen eine besondere Art, sich guten Tag zu sagen. Aber das war eben so.

Wie ist das bei dir mit dem Glauben?
Das geht mir am Arsch vorbei, wie den meisten. Wenn sie in der Kirche heiraten, ihre Kinder taufen lassen, sterben, dann sind die gläubig. Oder an Weihnachten. Aber ansonsten spielt das keine Rolle.

Und glaubst du?
Ich? Ich bin Laienbuddhist. Sage ich immer. Und viel mehr kann ich dazu auch gar nicht sagen. Ich bin ein gläubiger Mensch, aber nicht religiös. Das vielleicht so als Abgrenzung.

Was kam nach dem Zivildienst?
Da hatte ich erstmal zwischendurch ziemlich viel Zeit. Und dann gab es diese Idee von ein paar Leuten, ins Bad zu ziehen, das alte HSV-Bad. Ich habe mitgemacht. Wir haben damals 600 DM Pacht bezahlt. Wir waren zu dritt, Jörg Bartels, Jürgen Ruppert und ich. 200 für jeden. Und wir haben da was veranstaltet. Es ist gewachsen. Meine Tochter ist im Bad geboren. Und ich habe dort meine Berufung als Kulturproduzent gefunden. Der Begriff „Produzent“ war für mich ganz zentral. Du überlegst ja, was du eigentlich bist. Und der Produzent war mein Clou. Ich hatte damals schon eineinhalb Jahre im Bad gearbeitet und dann war ich mit meiner Frau und unserem Baby zwischendurch für sechs Wochen in Berlin, in einer Wohnung, die uns Freunde während ihres Urlaubs überlassen hatten. Ich kann mich erinnern, wir haben dort einen Film gesehen. Und im Nachspann kamen dann all die Beteiligten. Beleuchter zum Beispiel. Die hatten wir auch, aber das war ich nicht. Ich war nichts von alledem. Und ganz zum Schluss kam noch der Produzent. Und ich habe gedacht: Das bin ich. So ist mir das in den Kopf gekommen.

Der Produzent Peter Holik …
Genau so ist das. Wenn du etwas veranstaltest, ein Konzert, ein Festival, eine Lesung, dann ist das so, als würdest du einen Film drehen. Du baust die Kulissen auf, die Bühne, die Akteure kommen, die Musiker, sie richten sich ein, die Beleuchter machen ihren Job, der Ton, die Kasse, das Catering. Alle machen ihr Ding und es gibt einen, bei dem all diese Fäden zusammenlaufen. Das war ich. Das hatte ich vorher in diesem ganzen Gewusel im Bad für mich nicht so klar gehabt. Insofern war dieser Abspann fast ein Erleuchtungserlebnis. Auf einmal konnte ich alles zuordnen, es bekam eine Struktur, es wurde handhabbar. Das war eine Form der Ermächtigung. Ich hatte sozusagen meine Rolle in dem ganzen Spiel gefunden. Ich war der Produzent. Das Mädchen für alles.

Das Mädchen für alles?
Absolut. Das ist das, was du als Produzent machst. Du besorgst das Geld, du findest den Ort, die Akteure, du unterschreibst die Verträge, du sorgst dafür, dass genug Stühle da sind, dass genug eingekauft wird, und dann ist nicht genug Wechselgeld da. Du musst das alles organisieren, das ist der Job. Und am Ende steht der Headliner ganz oben und ganz unten steht der Produzent.

Wolltest du mal selbst der Headliner sein?
Nein, ich bin kein Künstler. Ich habe auch gar keine besonderen Affinitäten zu irgendeiner Kunstform. Aber Produzent zu sein, das war mein Ding. Und als ich das erkannt hatte, war das für mich ein Sprung. Es gab plötzlich ein ganz anderes Framing.

Wenn man für alles verantwortlich ist, die Verträge unterschreibt, braucht es wahrscheinlich ziemlich viel Mut, oder?
Darüber haben wir uns damals keine Gedanken gemacht. Das ist für mich bis heute kein Thema. Du willst das machen und machen kommt von tun. Da hat niemand dieses Verständnis von sich selbst, besonders mutig zu sein. Alle waren damals mutig. Alle, die nicht den Weg einer vorgeformten Karriere gehen, die sich ausklinken, die einen anderen Weg versuchen, die in andere Sphären vordringen, die sind mutig. Du lebst das einfach.

Zwischen Arbeit und Leben gab es bei dir nie einen Unterschied, oder?
Das war immer eins. Ich habe auch nie einen Beruf gelernt, das hätte ich merkwürdig gefunden. Das war nie ein Plan. Ich habe gelebt und die Arbeit war ein Teil.

Naja, du hast Produzent gelernt, learning bei doing …
Klar, aber es gab keine Lehre, kein Studium. Das ist heute für die meisten wahrscheinlich gar nicht mehr vorstellbar. Damals haben viele einfach was gestartet. Und es gab die Aussteiger, die Bankangestellten oder Maler oder Maurer, die dann einfach Rock’n’Roll machen wollten, die raus sind aus ihrem bürgerlichen Leben. Guck dir mal die Lebensläufe von denen an, die in den Sechzigern auf der Bühne gestanden haben. Meine Brüder, eine Generation vor mir, die sind noch Freaks aus Not geworden, weil die Zeiten scheiße waren, mit einer autoritären Gesellschaft. Da wurden dir noch die Haare abgeschnitten. Wenn du zu einer Prüfung gegangen bist, musstest du vorher zum Frisör. Die jungen Leute wollten aber lange Haare. Das waren dann die Gammler. Und die „anständigen“ Bürger haben geschimpft, mit Geifer vor dem Mund, mit einer unglaublichen Aggressivität. Die haben ihre Kinder geprügelt, die Mädchen durften keinen Minirock oder Jeans tragen. Die haben das dann heimlich gemacht, die Jeans draußen versteckt, sie sind in Röcken raus, haben sich draußen umgezogen und sind dann zur Party. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen, was das für eine unfreie, biedere Scheiße war. Gibt es so in der Form heute nicht mehr – zum Glück. Meine Brüder haben dagegen aufbegehrt, sie waren gegen das Scheißsystem und haben gesagt, dass sie nicht mitmachen, für kein Geld der Welt. Die haben tatsächlich nie gearbeitet, ganz konsequent. Die sind ausgestiegen und haben Rock’n’Roll gemacht. Und von der Sorte gab es auf der ganzen Welt damals Zehntausende. Die Aussteiger. Der Begriff ist heute gar nicht mehr so präsent. Damals waren die Aussteiger in aller Munde. Ab den 80er-Jahren war das Problem der jungen Leute dann ja eher, wie sie reinkommen. Vorher, in den 60er- und 70er-Jahren gab es nicht genug junge Leute auf dem Arbeitsmarkt, die wollten uns haben – und wir haben gesagt, ihr könnt uns mal, wir machen Rock’n’Roll.

Hast du immer selbstständig gearbeitet?
Ich habe auch mal für einen Prof gejobbt und ich habe immer viel auf dem Bau gearbeitet, wenn ich Geld brauchte. Schon mit 14 Jahren. Ich habe sogar mal als Lehrer gearbeitet, zwei Jahre, Deutsch als Fremdsprache. Ich bin aber überhaupt kein Lehrer, das ist nicht mein Beruf.

Keine Geduld?
Genau das richtige Stichwort. Ich passe da nicht rein. Die Lehrerinnen und Lehrer waren nicht mein Pack. Die mochten mich alle, aber sie waren trotzdem nicht mein Pack. Und die Kinder noch weniger. Ich bin kein Didaktiker. Ich habe keine Geduld, Wissen so häppchenweise zu vermitteln.

Was braucht man denn als Produzent für Qualitäten?
Ich glaube, das Entscheidende ist, dass du Orte erkennst. Dass du ein Gefühl hast für das richtige Venue. Wo kann etwas stattfinden, wo funktioniert das? Der Ort ist ganz entscheidend. Der Zeitpunkt natürlich ebenfalls, klar. Du könntest das Fährmannsfest auch an einem Dienstag im Winter machen, aber das wäre ziemlich dämlich. Doch der Ort steht an erster Stelle. Der kann überall sein, eine Wiese, ein Park, völlig egal. Wichtig ist, dass du als Veranstalter oder Produzent zu diesem Ort eine Phantasie entwickeln kannst. Dass du dir die Veranstaltung vorstellen kannst, sie dir ausmalen kannst. Wenn dir diese Fähigkeit fehlt, dann solltest du besser was anderes machen. Aber wenn du ein Produzent sein willst, geht es nicht ohne dieses Gespür für den Ort. Und dann musst du fokussieren können. Am Ende steht wegen mir ein Konzert, es ist übermorgen, es startet um 20 Uhr. Dann muss alles auf diesen Zielpunkt ausgerichtet sein. Es geht einfach um ein Produkt, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt erscheint. Ein Kunstprodukt, ein Konzertprodukt. Das kann auch ein Film sein. Ein Buch. Irgendwann steht der Erscheinungstermin und auf diesen Termin ist dann alles fokussiert. Ohne so einen Endpunkt würde es auch gar nicht funktionieren. Wenn du als Band deinen ersten Auftritt hast, und du weißt, in drei Wochen stehst du abends auf der Bühne, dann übst du dir die Finger blutig. Wenn du nur weißt, dass du irgendwann demnächst vielleicht mal deinen ersten Auftritt hast, übst du wahrscheinlich gar nicht.

Und als Produzent spinnst du alle Fäden.
Du bist sozusagen so ein Magnetstäbchen, dass alle in die richtige Richtung zieht. Der LKW mit der PA-Anlage kommt pünktlich, die Leute zum Abladen und Aufbauen sind da. Wenn alles steht, kommt der Tonmischer. Und dann folgt der Tag. Für das Fährmannsfest arbeitest du im Grunde ein Jahr und es sind an drei Abenden jeweils vielleicht vier Stunden Programm. Dann baust du wieder ab und alles ist Geschichte. Wie so eine Fata Morgana. Und es war entweder ein Erfolg, der Abend war gelungen, alles hat funktioniert. Oder es war scheiße, das kann auch passieren. Das alles ist für mich insgesamt ein sehr magischer Prozess, weil sich alle Energie auf einen Ort und einen Zeitpunkt fixiert. Als Produzent stellst du sozusagen die Schale hin, in die dann alle gemeinsam ein bisschen Magie träufeln, natürlich ganz am Ende auch die Künstlerinnen und Künstler. Aber alle Tropfen in dieser Schale sind wichtig, alle Leute, die beteiligt sind, sind wichtig. So eine Geschichte wie das Fährmannsfest ist ein Riesen-Sozialprojekt.

Du hast gesagt, du arbeitest ein Jahr für das Fährmannsfest. Gibt es ein Büro?
Ich arbeite natürlich nicht ein Jahr nur am Fährmannsfest, aber doch kontinuierlich immer wieder, gemeinsam mit allen Beteiligten. Und ohne ein gemeinsames Büro. Wir haben ein Flying-Orga-Team. Es wechseln auch immer wieder die Leute. Nichts ist fest, alles ist frei.

Klingt speziell …
Das ist eigentlich eine Anleihe aus uralten Stammesstrukturen. Wer nicht mitmachen will, der geht weg. Ich kann die Leute ja nicht bestechen, die müssen schon freiwillig dabei sein. Wir bilden eine Zustimmungsgemeinschaft, keine Verbietungsgemeinschaft. Wenn ich ein Theater habe, dann gibt es Angestellte, die müssen kommen. Bei unserem Theater muss niemand kommen. Das sage ich auch immer ganz ausdrücklich: Wer beim Fährmannsfest mitarbeiten will, muss sich das leisten können. Manche nehmen Urlaub. Und die beteiligten Geschäftsleute müssen mit einer kleinen Gage klarkommen. Die leisten sich das Fährmannsfest auch. Viele junge Peergroup-Festivals arbeiten so, zum Beispiel das SNNTG Festival. Da versammeln sich Menschen um diese Idee und dann wird das gemeinsam aufgezogen. Die haben für den Aufbau auf diesem Gelände des Straßenbahnmuseums allerdings sechs Wochen, wir haben beim Fährmannsfest drei Tage. Darum funktioniert es bei denen anders als bei uns. Da kommt dann an einem Freitag eine Truppe und die bauen eine Butze auf, sie kommen am nächsten Tag wieder und bauen weiter, andere kommen dazu, so entsteht eine Art Community über die Zeit. Finde ich super, was die so aus dem Ort machen.

Aber besteht bei solchen offenen Strukturen nicht auch die Gefahr, dass es am Ende alle schleifen lassen oder einzelne ihr ganz eigenes Süppchen kochen? Dass das letztlich ein Selbstbedienungsladen wird?
Ich glaube, dass passiert viel eher in öffentlich geförderten Kultureinrichtungen. Wenn sich Leute frei an einem Projekt beteiligen, ist der Spirit ein anderer. Ich habe immer alles selbst finanziert und selten Zuschüsse bekommen. Von Seiten der Stadt hat es wenig gegeben. Ich habe 1983 unser Musik Theater Bad-Programm mal Veranstaltern aus anderen Städten gezeigt, die haben gar nicht geglaubt, dass das möglich ist. Und wenn du selbst finanzierst, ist dein Fokus ein ganz anderer. Das ist für mich auch ein Problem in den festen Einrichtungen, da stehen dann am Ende 20 Leute, und die wollen alle irgendwie mitmachen. Ich würde mir vier aussuchen und den Rest nach Hause schicken. Weil ich keine Lust habe, mit 20 Leuten zu diskutieren, wo der Mülleimer stehen soll.

Du bist nicht so der Plenum-Typ …
Das geht doch gar nicht. Bei Eventproduktion ist das sozusagen Kriegsproduktion – du hast nur einen Schuss. Du hast die Kanone, das Pulver und die Kugel. Das muss dann funktionieren. Jeder muss mit Freude und gesundem Stress am Start sein. Und am Ende sagen alle: geschafft! Alle sind fokussiert, alle wollen das. Diesen Spirit bekommst du mit einem Plenum nicht hin. Du musst das selbst machen. Wie in der WG. Du willst, dass der Abwasch verschwindet? Dann mach den Abwasch oder diskutier stundenlang rum. Alle denken immer, das Plenum macht irgendwas. Aber das Plenum macht gar nichts. Das ist auch so eine Selbstlüge von Aktivisten, die letztlich nichts tun, aber ganz viel reden. In der alternativen Szene weit verbreitet. Und wenn dann noch Geld verdient werden soll, weil Geld verdient werden muss, dann wird es ganz kompliziert und böse.

Das war ja eine heftige Diskussion beim Fährmannsfest, weil es plötzlich etwas kosten sollte. Du hast dir ganz schön was anhören müssen.
Das war teilweise sehr persönlich und sehr lächerlich. Mir ist es immer darum gegangen, dass die Kosten gedeckt sind. Mehr nicht. Und mehr war es auch nie. Ich habe den Großteil meines Lebens von Sozialhilfe, von Arbeitslosenhilfe oder von BAföG gelebt, sozusagen von der Reisschale der Gesellschaft. Und ich habe gut gelebt. Für meinen Lebensunterhalt habe ich nie einen Pfennig gebraucht. Das war mir nie wichtig.

Geld zu verdienen war dir nie wichtig?
Ich brauche am Ende eine schwarze Null. Mehr nicht. Und ich persönlich brauche kein Geld aus diesem Veranstaltungskontext, um zu leben oder mich zu finanzieren. Diese Freiheit haben nicht viele Menschen. Aber diese Freiheit ist für meine Art zu produzieren förderlich. Ich bin ein vermögender Mann, aber nicht im ökonomischen Sinne. Das ist für mich nur Spielerei. Ich bin ein sehr aktiver Arbeitsloser, basisfinanziert durch die Kommune.

Wenn ich Leute von dir sprechen höre, dann fallen oft so zwei, drei Begriffe: irre, wahnsinnig, anstrengend … Das findest du ganz gut, oder? Ist das so ein bisschen die Marke Peter Holik?
Ich habe damit nichts zu tun, das ist deren Denken. Wenn die zu mir kommen und mit mir darüber sprechen, dann habe ich damit zu tun. Also, wenn sie von Irrsinn reden, reden sie Irrsinn, nicht ich. Und wenn sie von Wahnsinn reden, reden sie Wahnsinn, nicht ich. Das geht mich nichts an. Und klar, ich bekomme durchaus mal das Feedback, anstrengend zu sein. Aber ich zwinge ja niemanden dazu, in meiner Nähe zu sein. Jeder kann weggehen. Niemand muss bleiben. Es gibt natürlich so Momente bei mir, wenn ich etwas sehe und denke, dass es geändert werden muss, wenn zum Beispiel Tische falsch stehen und dann Wege versperrt sind, dann muss das wieder weg und dann sage ich das. Was dann manchmal nicht so gut ankommt. Und dann kann es sein, dass jemand diskutieren will. Und dann kann es sein, dass ich lauter werde. Und dann nennen mich Leute manchmal Künstler. Nenn einen Produzenten Impresario, dann ist der Wahnsinn ein bisschen dabei. André Heller ist so ein Typ. Der ist sachlich, der steuert, aber der hat eine Idee, die viel feiner ist, die sich nicht in Papier und Struktur zeigt, sondern mehr im Geschmack, und wenn das nicht klappt, dann wird der irre. Tja, und dann muss der Stuhl da weg.

Und dann bist du kompromisslos?
Wenn es gar nicht klappt, lasse ich es irgendwann, aber solange ich eine Chance habe, etwas zu realisieren, ziehe ich es durch. So bis zwei Minuten vor Beginn (lacht).

Du bist auch ziemlich kompromisslos bei der Kultur. Von dem Begriff der Hochkultur hältst du nicht viel.
Für mich ist zentral, was ich die verborgene Kultur nenne, die versteckte Kultur, die Rock-Kultur. Die in den Stadtteilen an verborgenen Orten wächst. Die in den Kellern stattfindet. Denk mal an die Kellerclubs damals in der DDR, die ganzen Jazzclubs. Alle versteckt, aber du hast gehört, dass sie da sind. Das ist diese versteckte Kultur. Und die muss kämpfen, wenn sie vorkommen will, um Platz, um Erlaubnis, um Genehmigung. Wenn du im öffentlichen Raum etwas veranstaltest, dann bist du nach Recht und Gesetz zunächst mal ein Zustandszerstörer von Ruhe und Ordnung. Wenn wir das Fährmannsfest veranstalten, sind wir für die Polizei ein Zustandszerstörer. Auf öffentlichen Plätzen herrscht Ruhe und Ordnung. Und das Fährmannsfestgelände ist ein öffentliches Gelände. Wir bekommen diese Zustandszerstörung nur genehmigt. Stell dir mal vor, Max Weber würde das hören. Wahnsinn, dass eine Störung genehmigt wird. Aber es ist so. Rock‘n’Roll ist ein Zustandszerstörer. Das Maschseefest natürlich auch. Darum dürfen sich übrigens Privatpersonen melden und sich beklagen, weil ihnen der Staat Ruhe und Ordnung garantiert.

Und klar, solche die Ruhe und Ordnung zerstörenden Veranstaltungen haben es dann auch schwer, Förderungen zu bekommen.
Ich spreche da immer gerne von der soziokulturellen städtischen Mafia. Die sitzen auf dem Geld, und den freien Produzenten geben sie nichts. Sie geben viel Geld aus für Veranstaltungen, bei denen dann niemand kommt. Sie finanzieren Strukturen mit vollbeschäftigten Leuten. Die würden wahrscheinlich drei Generationen brauchen, um ein Fährmannsfest zu produzieren. Ich gönne denen allen ihren festen Arbeitsplatz. Aber sie sitzen eben auch auf dem Geld, das eigentlich öffentlich verteilt werden sollte. Da gibt es dann Absprachen und Kooperationen. Dieses soziokulturelle Milieu ist gar nicht meins. Das Schlimmste war immer, wenn Sozialpädagogen Kulturhäuser übernommen haben, weil das ja aus dem Sozialetat bezahlt wurde. Das ist jetzt weniger geworden, weil sie inzwischen Kulturmanagementleute ausgebildet haben. Früher waren das alles Sozialpädagogen. Und dann war es Soziokultur. Gewachsene Strukturen, das hat die SPD mit aufgebaut, nicht nur in Hannover. Überall Jugendzentren. Die meisten sind heute insolvent. In Hannover erstaunlicherweise nicht. Da hat die SPD immer wieder nachgeschossen. Es gibt nirgends so viele Jugendzentren wie in Hannover. Heute sind es aber freie, autonome Jugendzentren, die mussten alle erst noch den städtischen Hausmeister loswerden.

Was hältst du denn von den kulturellen Leuchttürmen in Hannover?
Diese Leuchtturmkonzepte sind ja immer verbunden mit dem Tourismuskonzept und dem Marketingkonzept der Stadt – und das ist aus meiner Sicht kompletter Bullshit. Wir werden niemals New York und niemals Berlin, wir sind Hannover. Und allein schon die Idee, sich da im Städteranking zu messen, ist töricht. Da wird viel Geld rausgeschmissen. Was nützen Plakate in München? Dieses Geld wäre besser hier investiert. Doch es geht immer nur um die Hotelbetten, das scheint mir der einzige Parameter zu sein. Man sollte das Geld hier vor Ort in die kleinen Veranstaltungsorte stecken. Mit der Gießkanne, das hat Wirkung direkt im Viertel. Ich bin ein Fan von Obolus-Marketing in der 15-Minuten-Stadt. Jedes Unternehmen, das fördern möchte, sollte sich vor Ort in der Nachbarschaft umsehen. Nicht New York, Hannover. Hier spielt die Musik!

Wie findest du die Kunstfestspiele?
Die sind als künstlerische Produktion eine echte Perle. Der ganze Garten, das ist alles super. Auch der Feuerwerks-Wettbewerb hat seine Faszination. Ich habe nichts dagegen. Ich habe nur etwas dagegen, dass so viel Geld in die großen Häuser fließt. Ich sage: privatisiert alle Theater! Ich habe nichts gegen Goethe und Othello, wer das mag, soll sich das ansehen – aber das entsprechend auch selbst bezahlen. Wenn du zu einem Rockkonzert gehst, bezahlst du deine Karte und der Rockmusiker bezahlt damit für sein Venue. Der Zuschauer bezahlt das. Bei den Staatstheatern werden stattdessen bei jeder Veranstaltung 80 Euro auf jeden Sitz gelegt. Was ist das für ein Wahnsinn? Und was hat das mit der Lebensqualität im Viertel zu tun? Unterstützt doch lieber den Kindergarten, den kleinen Club, wenn du diese Beträge runterbringst, dann löst das etwas aus. Diese Theater verschlingen Millionenbeträge, vielleicht Milliardenbeträge. Und wir finanzieren auch einen Kunstbetrieb, der völlig pervertiert ist und irgendwelche Milliardäre hängen dann Bilder als Aktie in Schweizer Häusern in den Keller. Und für diesen Betrieb und Mechanismus machen die Kommunen Marketing. Seid ihr irre? Das können die doch alles selbst finanzieren.

Aber ist das nicht der falsche Ansatz, der einen Kultur etwas wegzunehmen, um es der anderen zu geben? Mir ist die eine Seite so nah wie die andere. Mehr Geld für beide Seiten, das würde ich sofort unterschreiben.
Sie werden sich ohnehin nichts wegnehmen lassen. Da geht es um Macht, um Stellen, um Posten. Zumal sich momentan die Zeiten ändern und es enger wird. Die Inflation, die Energie, das kostet alles. Und dann kürzen sie, im Sozialbereich, im Kulturbereich. Und da sind zuerst die freien Leute dran. Ganz zuletzt kommen vielleicht die staatsfinanzierten Geschichten. Denn das sind Pflichtaufgaben. Die Faust ist dagegen eine freiwillige Aufgabe. Staatstheater ist Pflichtaufgabe. Ich bin dafür, dass die Staatstheater, die großen Museen, dass die alle aus dem Staatshaushalt rausfallen. Das Geld stecken wir in die Schulen, das geben wir für die Kinder aus, für die Ausbildung der Kinder bis zum 12. Lebensjahr. Mit dem Geld sorgen wir dafür, dass es genug Lehrer gibt. An den Schulen entsteht unsere Kultur. Da ist unsere Basis. Unsere gesamte Kulturbürokratie stammt noch aus uralten Zeiten, das kann alles komplett weg. Dann hast du Milliarden für die Schulen. Wir müssen unten satt werden. Wenn wir unten satt sind, dann können sie gerne verteilen, was sie wollen. Aber wir sind nicht satt in der Bildungsrepublik Deutschland. Wir müssen da einfach mal genau hinsehen. Wir haben diese Tradition, die Opernhäuser, warum leisten wir uns das noch? Für wen? Die Adligen herrschen nicht mehr in Deutschland. Wir zahlen Milliarden für das Vergnügen ganz weniger Leute, die sich ihre Karten auch ohne Subventionen leisten könnten. Das ist so eine seltsame Selbstverständlichkeit. Kann man das bitte mal hinterfragen?

Hast du mal versucht, Förderungen für deine Veranstaltungen zu bekommen?
Ich habe es versucht und bin gegangen, wenn es nicht geklappt hat. Unsinn, da zu diskutieren. Die machen ihr Ding. Wir haben mal zusammengesessen wegen City of Music Hannover, 80 Leute in so einem großen Saal, Wolfgang Besemer von Hannover Concerts war damals auch da, ein großartiger Mann, wir waren vielleicht drei Rock‘n’Roller, der Rest Intendanten, Musikhochschule und so weiter. Und dann gab es im Anschluss eine Broschüre mit ein bisschen Alibi-Scorpions und für den Rest gab es das alte Cluster, die sogenannte Hochkultur.

Würdest du nicht sagen, dass diese Kultur auch lebt und atmet? Oder findest du, dass lebendige, echte Kultur nur beispielsweise beim Fährmannfest stattfindet?
Nein, Kultur lebt überall, Kultur lebt im Kinosaal, Kultur lebt im Theatersaal, im Konzertsaal. Überall, wo die Menschen sie zusammenfinden, lebt Kultur. Oder sagen wir lieber Kunst. Wir reden nicht über Kultur, wir reden über Kunst. Das ist nicht gleich Kultur. Die tun zwar gerne so, aber es ist nicht so. Der Künstler ist bei uns die letzte Person, die sich vollständig ausleben darf. Dem Künstler wird erlaubt, persönlich zu sein. Und wir interessieren uns dann dafür, welche Unterhose er anhatte, als er das Gedicht geschrieben hat. Die Recherche der Rezipienten von Kunstprodukten geht total rein in die Persönlichkeit. Es gibt einen privaten, intimen Briefwechsel? Egal. Und die Schweinereien, die drinstehen, nimmt man dem Künstler nicht übel. Weil er eine Persönlichkeit sein darf, sich ausleben darf. Und zu seinem Kunstprodukt darf jeder seine Meinung ausdrücken. Es fängt immer mit einem Urteil an: Gefällt mir. Gefällt mir nicht. Bei einer Waschmaschine oder einem Mercedes Benz kannst du das auch sagen, aber die erste Aussage ist eine andere: Funktioniert. Funktioniert nicht. Die Kunst fordert uns dazu auf, und das ist die Chance, ein persönliches Urteil abzugeben. Zu dem, was der Künstler freigesetzt hat, der Einzige, der noch Persona sein darf. Alle anderen sind ja schon Individuen innerhalb der Gesellschaft, Funktionsbeamte. Der Künstler dagegen ist frei und sein Produkt ist ebenfalls frei.

Und dann sagt der Hofmaler Conti bei Lessing „Die Kunst geht nach Brot“.
Was selbstverständlich sein müsste. Der, der arbeitet, bekommt ein Arbeitsentgelt. Bei einem Künstler ist das anders, man schätzt zwar seine Kunst als Arbeit, aber sie hat keinen Tarifvertrag.

Und darum bin ich dafür, die Künste insgesamt gut auszustatten. Alle Künste.
Aber bitte nicht die Staatsschranzenkultur. Die ja diesen Begriff der Kultur prägt. Zu Unrecht, weil sie unsere Kultur längst nicht mehr prägt. Sie war vielleicht mal revolutionär, aber sie ist es längst nicht mehr. Heute zitieren Kinder eher Rockstar-Zitate und Popstar-Zitate, Goethe, Schiller, Heinrich Heine haben nichts mehr mit ihrem Leben zu tun. Und wenn du die Rezensionen liest zu dieser Hochkultur, dann beschreiben sie ihre Not, dass sie nur noch alten Kaffee aufbrühen. Sie machen alle Covermucke. Im Rockbereich wirst Du dafür beschimpft. Da verdient eine Coverband halt Geld mit einer Dienstleistung. Was machen wir? 30.000-mal Wagner. 50.000-mal Othello und 100.000-mal Faust. Wozu? Und dann Platon. Ein Kopf-Verseucher. Das wissen wir heute. Ein völlig falsches Konzept. Und auch die Kant-Philosophie, alter Kaffee. Wer ernsthaft Philosoph sein will, muss das gelesen haben, aber alle wissen, dass es kalter Kaffee ist. Weißt du, wie viel Historiker-Stellen es gibt, die immer noch übersetzen? Wie viel wollen die denn noch übersetzen? Was bringt uns denn das Wissen, wenn die die noch mehr mittelalte Texte übersetzten. Wie bringt uns das als Gesellschaft voran? Wer braucht denn noch die Geschichte des römischen Reiches bei den Alltagsproblemen, die wir haben?

Aber wir brauchen doch diese Basis? Du kannst das alles nur sagen, weil du diese Basis hast, weil du Platon und Kant gelesen hast, weil du das einordnen kannst.
Hat denn all unser Wissen über die Geschichte etwas Fruchtbares bewirkt?

Aus all diesem Wissen baut sich dein Denken zusammen.
Und trotzdem steht die Menschheit, wo die Menschheit steht. Was bringt uns faktisch unser Wissen über die Geschichte. Überleg mal, wie viel Geld wir allein in die archäologische Forschung stecken? Nur um 20.000 Jahre alte Knochen zu analysieren? Da stecken wir Unsummen rein. Während an den Schulen der Unterricht ausfällt. Verstehe ich nicht. Ich habe gar nichts dagegen, dass du Kant liest, oder Platon. Mach doch. Ich habe nur etwas gegen diese staatliche Budgetierung. Eigentlich würde es doch für alle Menschen reichen. Aber es reicht nicht, weil das Vermögen falsch verteilt wird. Sagt wegen mir allen Millionären und Milliardären, komm, ihr könnt alle eine Millionen behalten, und eure Kinder auch eine Millionen, aber der Rest kommt zurück in den großen, allgemeinen Pott. Denn alles darüber gehört nicht euch, es ist nicht euer Privatvermögen, es ist gesellschaftlich erarbeitet. Momentan wird alles privatisiert. Kapitalismus, das ist unsere Kultur. Aber Kapitalismus ist die Legalisierung der Unsittlichkeit. Und wenn du in diesem System bist, wenn du gewisse Produktionskosten erreichst, dann unterliegst du der Kapitallogik. Dann musst du sozusagen den Gesetzen der Maximierung des Profits gehorchen. Du kannst kleine Ausnahmen machen, kannst ein bisschen ausgleichen, aber grundsätzlich verlangen alle deine Partner, dass du mit dieser Struktur mitgehst.

Und damit sind wir wieder bei dir als Kulturproduzent. Das Publikum finanziert alles. Und du brauchst keine Förderung.
Ja, so geht die Geschichte, die Unterhaltungskultur, die Massenkultur, die braucht kein Geld, weil die Massen genug bezahlen. Darum wird das Fährmannsfest auch nicht als gemeinnützig eingestuft. Weil in diesem Segment der Markt bestimmt. Und das Argument ist: Wenn sie dem Fährmannsfest Gemeinnützigkeit zugestehen, müssten sie auch Hannover Concerts so einordnen. Geht ja nicht, weil das Massenkultur ist. Unterhaltung. Was ja nicht identisch ist mit der Hochkultur für die sogenannte Elite. Die Elite gibt nichts ab, die Masse kann sich selbst finanzieren. Hat sie auch. Die Rockkultur hat sich eindeutig privatwirtschaftlich etabliert. Was aber für alle kleinen Bands heißt, dass sie in dieser Marktlogik spielen. Wenn du das nicht willst, dann musst du halt Geige studieren.

Wie stehst du zur Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens?
Das wäre wunderbar. Malt, was ihr wollt, singt wie ihr wollt, zwitschert wie ihr wollt, tanzt wie ihr wollt. Ihr habt das Grundeinkommen und wenn ihr auf dem Markt noch ein bisschen mehr bekommt, wunderbar. Dann müsste niemand mehr betteln gehen. Diese Bettelei ist so unwürdig.

Du meinst diesen Wettbewerb um Fördergelder, das Anträge schreiben etc.
Genau. Alle betteln um das, was im Pott ist. Und die mit der akademischen Kunstausbildung, die mit dem Stempel vom Professor, werden bevorzugt behandelt. Sie haben mehr Geltung. Wobei eigentlich dein Produkt zeigt, ob deine Kunst Geltung hat. Das zeigt dir das Publikum. Ich könnte fast kotzen, wenn ich das Wort Elite höre. Wer ist denn das? Das ist eine einzige Einbildung, mehr nicht. Eine Einbildung von Leuten, die irgendwann mehr angehäuft haben als andere und sich nun für etwas Besseres halten. Im Grunde peinlich. Aber dieser Dünkel wird sozial akzeptiert. Man lacht nicht, wenn jemand sich der Elite zuordnet. Obwohl das ein armseliger Witz ist.

Kommen wir mal zurück zum Veranstalten und zu Hannover. Was hältst du davon, wenn die Stadt zum Veranstalter wird?
Nichts. Weil dann ganz oft Geld ausgegeben wird für nichts. Die Stadt sollte lieber die Institutionen in den Stadtteilen fördern. Den 15-Minuten-Stadtteil. Direkt unterstützen, was in der Nachbarschaft schon läuft. Die Frau, die einen Malkurs gibt. Das ist Kulturarbeit für die unbekannte Stadt. Wie das funktionieren kann, sehen wir in Linden-Süd. Da gibt es mit Carsten Tech ein professionelles Backup, bei dem laufen sozusagen die Fäden des Stadtteils zusammen. Der hat eine halbe Stelle und koordiniert und vernetzt ganz viel. Damit sich die verschiedenen Geschichten zum Beispiel auch terminlich nicht in die Quere kommen. Das schafft Räume. Es gibt sozusagen ein Basislager für die Künste im Stadtteil. Das bietet die Chance, dass sich Menschen andocken können, künstlerisch aktiv werden können. Von solchen Basislagern müsste es viele geben. Gibt es aber nicht, weil sie eine Horrorangst vor den Personalkosten haben. Das würde dann ja wieder zu den Pflichtaufgaben gehören. Und die Budgets werden kleiner. Und sie wollen ja weiter Gockel sein und honorig verteilen.

Hast du eigentlich Kontakt zu denen, die so ein bisschen in deine Fußstapfen treten? Ich denke da zum Beispiel an die Leute vom Kulturhafen.
Ich habe nicht so viele direkte Kontakte, aber ich finde super, was die machen. Das sind wieder diese guten, alten Peergroup-Strukturen. Gab es schon immer. Wir haben es früher nicht anders gemacht. Wir haben uns verbündet. Heute ist das mit dem Internet noch viel einfacher. Solche Strukturen können sehr stabil sein, über Jahre. Wenn jemand ausfällt, rückt einfach jemand nach. Diese Vernetzung hat unglaubliches Potenzial. Wenn da eine Person aus dieser Peer-Group zehn Leute mitnimmt, dann entwickelt sich das wie ein Hefeteig. Und dann hängt es irgendwann nicht mehr an einer Idee und an einer Person, sondern ist breit aufgestellt. Dann wird es zum Kollektiv. Aber es braucht wie gesagt immer eine Basis, einen Ankerplatz. Es braucht in jedem Stadtteil so ein Backup. So einen Knotenpunkt. Daraus kann dann viel Positives entstehen. Man findet zueinander, man lernt sich gegenseitig kennen. Und wenn es dann noch ein Grundeinkommen für alle gibt, dann ist doch alles schön.

Tanja Diekamnn / LAK

https:\\www.faehrmannsfest.de

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Ein letztes Wort im Juli

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Ein letztes Wort im Juli


mit dem Ministerpräsidenten Stephan Weil


Herr Weil, wir haben das Thema bei unseren letzten Gesprächen schon zwangsläufig gestreift – die AfD liegt momentan bei fast 20 Prozent. Über dieses Thema würde ich mich gerne mit Ihnen unterhalten, und zwar auch und gerade als SPD-Landesvorsitzender und nicht primär als Ministerpräsident. Erleben wir in Deutschland jetzt eine ähnliche Entwicklung wie in Italien, Schweden oder Polen?

Wenn man ein bisschen genauer hinschaut, dann stellt man fest, dass etwa zwei Drittel derjenigen, die jetzt angeben, die AfD wählen zu wollen, das nicht aus besonderer Sympathie zur AfD tun würden und auch nicht, weil sie sich von der AfD Antworten auf drängende gesellschaftliche Fragen erwarten. Nein, sie wollen in erster Linie ihren Protest gegenüber der aktuellen Politik ausdrücken. Die richtige Antwort auf solche Umfragewerte ist also vor allem eine Politik, die Sicherheit und Vertrauen schafft. Das gilt ganz generell, aber im Moment besonders. Diese Herausforderung gab es bereits bei den Landtagswahlen im vergangenen Jahr. Damals ist es uns zwar leider nicht gelungen, die AfD aus dem Landtag herauszuhalten, aber mit elf Prozent sind die Bäume eben auch nicht in den Himmel gewachsen. Das ist nach wie vor überall in Deutschland möglich, davon bin ich überzeugt. Eine Entwicklung wie in den von Ihnen genannten anderen Ländern ist alles andere als zwangsläufig. Das hängt von der Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft der demokratischen Parteien ab und von denjenigen, die in diesem Land Verantwortung tragen.

Insbesondere im Osten Deutschlands sind die Zustimmungswerte teilweise noch deutlich höher. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Das fällt mir schwer – ich bin ja nun wirklich ein Wessi und wenn ich etwas gelernt habe, dann, dass ich als solcher nicht so tun sollte, als wäre ich Experte zu Fragen über Ostdeutschland. Bei ziemlich vielen Fragen stellen wir inzwischen fest, dass die Einstellungen der Westdeutschen und Ostdeutschen auseinanderdriften. Wenn man dagegen allein auf Kennziffern schaut, wie beispielsweise auf die Arbeitslosigkeit etc., dann gibt es nicht mehr die ganz großen Unterschiede. Und auch ansonsten haben sich die Lebensbedingungen im Osten in den letzten 33 Jahren sicherlich massiv verbessert. Gleichwohl ist die Stimmung dort offenkundig eine andere. Sicher spielen dabei die Erfahrungen seit der Einheit eine Rolle, aber so richtig erklären kann ich mir diese wachsende Distanz nicht.

Offenbar wird es immer salonfähiger, die AfD zu wählen.

Ja, ein Unterstützen der AfD verliert leider langsam den Status, anrüchig zu sein. Und in Thüringen ist das besonders besorgniserregend, weil man es dort mit der rechtsextremen Höcke-AfD zu tun hat.

Mich wundert diese „Normalisierung“ nicht, denn auch Politiker*innen anderer Parteien klingen zunehmend ganz ähnlich, der Sound wird rechter. Markus Söder ist da nur ein Beispiel. Ich sehe überall zunehmenden Populismus. Sie auch?

In der Tat neigen sowohl Markus Söder als auch Friedrich Merz mitunter zu populistischen Äußerungen. Da kann man aber nur dringend warnen. Es ist eine alte Erfahrung: Wer die Themen von politischen Gegnern stark macht, sollte nicht glauben, davon etwas zu haben. Am Ende wählen die Leute das Original.

Aus den Reihen der Ampel höre ich inzwischen gelegentlich auch recht absurde Einlassungen. Zum Beispiel von Seiten der FDP …

Vielleicht ist das aber gar nicht unbedingt Populismus. Ich habe nichts gegen lebhafte Diskussionen innerhalb einer Koalition, zumal wenn die Koalitionäre aus sehr unterschiedlichen Richtungen kommen. Und in einer Dreier-Koalition sind Einigungen deutlich schwieriger als in einer Zweier-Koalition. Differenzen müssen aber doch nicht in epischer Breite auf offener Bühne austragen werden. Das verunsichert viele Menschen und beschädigt das Vertrauen in die Politik.

Ich habe immer meine Probleme mit der Aussage, dass man die Sorgen und Ängste „der Menschen“ ernst nehmen müsse. Viele dieser Ängste sind irrational oder bewusst geschürt. Wie kann eine Berücksichtigung solcher Gefühle dann Ausgangspunkt für vernünftige politische Entscheidungen sein?

Man muss schon darauf schauen, was die Menschen umtreibt, die vor einem sitzen. Bürgerinnen und Bürger müssen den berechtigten Eindruck haben, dass sich die Politik um ‚ihre‘ Probleme kümmert. Es gibt oft keine einfachen Lösungen und auch das muss dann erklärt werden. Überhaupt muss viel und geduldig begründet werden, gerade bei umstrittenen Themen. Das Heizungsgesetz zum Beispiel soll dem Klimaschutz dienen und ist erst einmal kein Beispiel für einen übergriffigen Staat.

Beim Thema Heizung gab es ja eine regelrechte Kampagne, der Heizungs-Hammer, befördert durch die BILD, Populismus pur.

Ja, das stimmt, aber da sind in der Kommunikation auch vorher viele Fehler gemacht worden. Statt Medienschelte zu betreiben, würde ich mir eher die Frage stellen, wie es passieren konnte, dass ein so wichtiges Thema angegangen wurde, ohne diejenigen zu beteiligen, die die Umsetzung sicherstellen müssen, wie etwa Wärmepumpen-Hersteller oder Handwerksbetriebe. Das hat die Diskussion von Anfang an belastet.

Wenn ich jemanden treffe, der kompletten Unsinn erzählt, faktisch falsch, dazu vielleicht noch rassistisch und/oder sexistisch, dann sage ich dem, dass ich nicht mit ihm diskutieren kann, weil seine Basis verquer ist. Trotzdem mit solchen Menschen zu sprechen, zu diskutieren, halte ich inzwischen für ziemlich nutzlos. Man gibt den meist nur gefühlten Wahrheiten so womöglich nur mehr Gewicht …

Ich wäre da sehr vorsichtig, denn es ist ausgesprochen fragwürdig, jemandem zu sagen, dass er oder sie falsch fühlt. Etwas was Sie oder ich nicht als Problem wahrnehmen, kann von anderen sehr wohl als problematisch empfunden werden. Ich mache ja seit vielen Jahren öffentliche Bürgerversammlungen und habe gelernt, dass es wichtig ist, mit der Antwort da anzusetzen, wo die Fragestellenden sich befinden. Von da aus kann es dann argumentativ weitergehen. Das ist aber wesentlich erfolgreicher, wenn die Menschen zunächst den Eindruck haben, dass ich verstanden habe, um was es ihnen geht.

Gleichwohl haben Sie mir mal gesagt, im Zuge der Diskussionen um die Corona-Impfungen, dass wir sprechen und diskutieren können, wenn wir uns grundsätzlich einig sind, dass Corona eine lebensbedrohliche Krankheit ist. Sonst gäbe es keine Basis.

Ja, aber dennoch gebe ich mir überall dort, wo es nicht um plumpe Schuldzuweisungen oder Beschimpfungen geht, Mühe, auf die Leute einzugehen. Wenn sie aus meiner Sicht falsch liegen, versuche ich, ihnen das auf eine vernünftige Art und Weise zu vermitteln.

Wenn jemand sagt, es gibt den Klimawandel nicht und falls doch, ist er jedenfalls nicht menschengemacht …

Da kann man dann in der Tat nicht mehr vernünftig diskutieren, der Klimawandel ist Realität, die Erkenntnisse der Wissenschaft lassen gar keinen anderen Schluss mehr zu.

Und trotzdem bekommen solche Klimawandel-Leugner immer wieder eine Bühne. Neulich saßen bei Markus Lanz der Klimaforscher Prof. Mojib Latif und Steffen Kotré, energiepolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, nebeneinander. Und Steffen Kotré hat wirklich hanebüchenen Unsinn erzählt, völlig unhaltbares, dummes Zeug. Aber er hatte dort seinen Auftritt und wird einige Menschen erreicht haben. Muss man solchen Leuten diese Bühne geben?

Muss man nicht, kann man aber, das gehört zur Pressefreiheit dazu. Und vielleicht kann man aus solchen Talkshows Anregungen mitnehmen für vergleichbare Diskussionen im eigenen Umfeld.

Auf der anderen Seite haben wir dann das Problem der False Balance. Es scheint so, als säßen dort Gesprächspartner mit ähnlicher Expertise nebeneinander. Und das erzeugt völlig falsche Bilder und Eindrücke.

Ich habe auch schon öffentlich mit Leuten diskutiert, die aus meiner Sicht komplett auf dem falschen Dampfer waren. Dennoch hatte ich auch dann ziemlich oft den Eindruck, mich mit meinen Argumenten am Ende durchgesetzt zu haben. Aber solche Settings liegen in der Verantwortung der Medienmacher*innen. Und wäre es eine Alternative, bestimmte Themen und bestimmte Menschen gar nicht mehr zuzulassen? Würde man dann nicht gerade den Vorwurf dieser Leute bestätigen, ausgegrenzt zu werden? Menschen mit extremen, inakzeptablen Vorstellungen inszenieren sich ja gerne als politisch Geächtete, deren Meinung nicht gehört wird. Ich glaube, es ist besser, zu versuchen, diese Leute argumentativ zu stellen. Das ist gelegentlich anstrengend, aber das ist unsere Aufgabe.

Interview: Lars Kompa

 

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El Kurdis Kolumne im Juli

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El Kurdis Kolumne im Juli


Der schmatzende Schlund der Hölle

Dass Eltern ihren Kindern im Teenageralter auf den Sack – oder andere vergleichbare metaphorische Körperteile – gehen, gilt in unserer Gesellschaft als völlig normal und wird als übliche Nebenwirkung der Pubertät angesehen. Bei mir fing das allerdings viel früher an. Schon als Sieben- oder Achtjähriger fand ich meine Mutter eklig und abstoßend. Mehrmals am Tag. Allerdings jeweils nur für zwanzig bis dreißig Minuten. Sonst mochte ich sie eigentlich ganz gerne.

Die Ekelattacken überfielen mich stets während der Mahlzeiten. Mir kam es nämlich so vor, also ob meine Mutter beim Essen Geräusche von sich gäbe wie eine Herde Schweine am Fütterungstrog. Gleichzeitig schämte ich mich dafür, so zu empfinden. Schließlich wusste ich als christlich-fundamentalistisch erzogenes Kind, dass man Vater und Mutter ehren sollte: 2. Buch Mose, Kapitel 20, Vers 12. Das vierte der zehn Gebote. Einen Vater gab es in unserem Haushalt nicht, also musste ich das Mütterlein doppelt ehren. Aber wie sollte ich das tun, wenn ich doch das Gefühl hatte, einem schlürfenden, schmatzenden, ohrenbetäubend laut schluckenden dämonischen Gier-Schlund ohne jegliche Tischmanieren gegenüber zu sitzen?

Der Umstand, dass wir in einem Zwei-Personen-Haushalt lebten und ich die Mahlzeiten fast nie mit weiteren Menschen einnahm – auch Restaurantbesuche waren bei uns unüblich – beförderte meine Selbsteinschätzung, ein undankbares, seine Mutter abgrundtief hassendes Balg zu sein.

Das Einzige, was mich beruhigte, war, dass der Hass nach den Mahlzeiten immer wieder schnell abklang und ich keinerlei Familien-Massaker plante. Das wäre bei der Intensität meiner Empfindungen durchaus verständlich gewesen. Aber war das Essen vorbei und das – wie ich es empfand – Grunzen verhallt, war alles wieder gut. Ich lebte also mit einem gelegentlich – zwei, drei Mal am Tag – aufblitzenden schlechten Gewissen: Sicher, ich war ein miserabler Sohn, aber eben nur temporär begrenzt.

Bis zu dem Moment, einige Jahre später, als mir klar wurde: Ich fand nicht nur meine Mutter widerlich, sondern auch meine Freunde. Und deren Eltern. Eigentlich alle Menschen. Geahnt hatte ich das schon länger. Und dann kam dieser Tag respektive Abend, an dem es zur Gewissheit wurde. Ich saß am Abendbrottisch meiner Jugendliebe: Vater, Mutter, Oma, Bruder meiner Freundin und sie selbst – alle schmatzten und schluckten so aufdringlich laut, dass mir die Essgeräusche meiner Mutter im Vergleich dazu plötzlich vorkamen wie eine in der Ferne erklingende Querflöten-Etüde….

So ging es dann weiter. Die Jahre zogen dahin, zwischen den Mahlzeiten war mein Leben ganz okay und mein Verhältnis zur Restbevölkerung größtenteils entspannt. Aber während des Essens dachte ich wirklich immer wieder, ich könne Menschen grundsätzlich nicht ertragen. Ich dachte: Hartmut, du bist ein Misanthrop. Du solltest als Eremit in einer Höhle wohnen! Und die Höhle sollte am besten auf einer einsamen Insel liegen. Und die Insel inmitten eines Ozeans …

Vor einiger Zeit aber lieferte mir jemand, dem ich meinen Menschenhass zu später Stunde, in dezent angeschickertem Zustand voller Scham enthüllte, die naheliegende, aber von mir – aus Unkenntnis – nie in Erwägung gezogene Erklärung: Ich leide unter „Misophonie“, einer wohl gar nicht so seltenen psychischen Störung. Dr. Wikipedia beschreibt meine Schacke so: Misophonie (von griechisch μῖσος misos ‚Hass‘ und φωνή phonḗ ‚Geräusch‘), ist eine Form der verminderten Toleranz gegenüber bestimmten Geräuschen (…) Ein häufig verwendetes Synonym ist „Selektives Geräuschempfindlichkeits-Syndrom“ (…) Stimuli, die die beschriebenen Reaktionen hervorrufen, werden als Trigger bzw. Triggergeräusche bezeichnet.“

Ich muss also mein Selbstbild revidieren: Ich habe gar nichts gegen Menschen! Weder hasse ich, noch verachte ich sie. Es macht mich nur wahnsinnig, ihnen beim Essen zuhören zu müssen. Ganz normale menschliche Nahrungsaufnahmegeräusche foltern mich. Nicht mehr, nicht weniger. Seit dieser Erkenntnis bin ich auf der Suche nach einer Selbsthilfegruppe. Neulich hatte ich einen Albtraum: Endlich war ich fündig geworden. Nach der ersten Sitzung der „Anonymen Misophoniker“ – was im Übrigen auch ein hübscher Name für eine Punkband wäre – standen wir noch plaudern beieinander. Plötzlich holte jemand eine Tüte aus einem Leinenbeutel, öffnete sie raschelnd, steckte sich eine Handvoll des Inhalts in den Mund und fragte kauend, uns anderen die Tüte vor die Nase haltend: „Auch Chips?“

Hartmut El Kurdi

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Der besondere Laden: Einzigartig Stilfrei

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Der besondere Laden: Einzigartig Stilfrei


„Farbenfroh, originell, qualitativ hochwertig“ – so beschreibt Tina von Einzigartig Stilfrei, die Schätze, die Second-Hand-Begeisterte in ihrem Laden erstöbern können. Seit Mitte Januar ist Tina mit ihrem bunten Sammelsurium in der Calenberger Neustadt zu finden.

In der Calenberger Straße findet man bei Einzigartig Stilfrei Kleidung, die zu neuen Lieblingsstücken werden können, selbstgemachten Schmuck und so manch andere kreative Kleinigkeit.
„Bei mir gibt es die bunte Vielfalt. Farbenfroh und originell, auch gewagte Farben und Muster – das macht mich aus. Stilfrei, weil mein Sortiment nicht an einen Stil gebunden ist, aber trotzdem jeder Mensch hier seinen eigenen Stil finden kann. Man findet hier aber natürlich auch ganz simple Jeans und T-Shirts. Das ist das Schöne, das viele verschiedene Leute hier fündig werden“, erklärt Gründerin und Inhaberin Tina.

„Ich möchte mit diesem Laden einen Ort der Begegnung schaffen, wo Menschen hereinkommen und stöbern wollen. Es geht hier nicht darum, hektisch und schnell etwas zu finden. Diese Entschleunigung ist ganz wichtig. Sich Zeit nehmen, runterkommen“, erzählt sie.
Die Kleidungsstücke, die in Tinas eigens kreierter Schmuckschatulle gefunden werden können, kommen von Menschen, die ihren alten Schätzen ein zweites Leben geben. Auf Kommission nimmt Tina Kleidung an und vermittelt so ein neues Zuhause. „Teilweise haben die Leute so viele Klamotten in ihren Schränken. Es ist toll, wenn die wieder in den Kreislauf gebracht werden.“
Viele Kund*innen werden bei Einzigartig Stilfrei nicht nur fündig oder bereichern den Fundus, sie treten auch miteinander in Kontakt. „Das ist oft eine so nette Atmosphäre im Laden. Die Leute kommen auch untereinander ins Gespräch, noch mehr als bei gewöhnlichen Läden. Es kommen wirklich total interessante Menschen vorbei – dieser Austausch macht einfach Spaß“, meint sie.
„Der Faible für Second-Hand und Gebrauchtes war bei mir schon immer da. Und eben auch das Kreative. Dann gab es die Möglichkeit, eigenen Second-Hand-Laden zu eröffnen, und ich hab’s einfach gewagt. Um der Kreativität und den Farben mehr Raum zu geben“, erzählt Tina über die Idee für Einzigartig Stilfrei.
„Wenn du dein Herz in etwas reinsteckst, dann reagiert das ganze Herum auf dieses Gefühl, dass du mitbringst – das ist quasi meine Lebensphilosophie.“

Für die Zukunft plant Tina auch „kreative Akzente reinzubringen“: Produkte von ausgewählten Kleinkunsthandwerker*innen zu verkaufen und Workshops anzubieten – selbst Schmuck machen, gemeinsam Häkeln, Mosaike erstellen. „Erstmal konzentriere ich mich aber auf den Laden, dass der seine Form bekommt, das ist ja noch alles im Werden. Aber für die kurze Zeit ist hier schon sehr viel passiert.“
Nicht immer alles Neu kaufen – ein Aspekt, der auch der Umwelt guttut und sich noch mehr in den Köpfen der Menschen verankern sollte. „Diesen Umweltaspekt finde ich ganz wichtig. Das, was schon da ist, zu verwerten und wertzuschätzen – das finde ich schön. Es geht dabei um Energie, Ressourcen und darum, die Umwelt zu entlasten. Man muss nicht immer alles neu kaufen. Weniger ist manchmal mehr.“

Einzigartig Stilfrei
Calenberger Straße 31, 30169 Hannover
Öffnungszeiten Mo & Mi 13-18 Uhr, Fr 12.30-17 Uhr
Telefon 0171 3193782

Jule Merx

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Neu in der Stadt: Paper & Tea

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Neu in der Stadt: Paper & Tea


Am 1. Juni eröffnete das Berliner Unternehmen seine Türen gegenüber der Oper.
Auf 230 Quadratmetern lädt der Store mit Tea-Bar zum Verweilen, Genießen und Träumen ein. Kernstück sind dabei die mit hohem Anspruch an Qualität und Ästhetik kreierten Produkte – von kunstvoll gefertigten Notizbüchern, über feinste Tee-Ernten bis hin zu eleganten und zugleich nützlichen Accessoires.
Eine Tribüne bietet nicht nur Platz zum Sitzen und Entspannen, sondern wird im Rahmen der P & T Tea Time Sessions regelmäßig auch als Bühne für kulturelle Events genutzt.
Und auch für die Kleinsten ist gesorgt: Erstmals überrascht Paper & Tea im Store mit einer bunten Pop-Up Fläche für Kinder.  „Wir möchten in Hannover einen Ort schaffen, der zu einem lebendigen Treffpunkt wird. Hier sollen alle in unsere Welt eintauchen können, tolle Begegnungen, Gespräche und Produkte genießen“, erzählt Markus Schwitzke, Managing Director und CBO.

Das Store Design vereint japanische und skandinavische Einflüsse, um die Ursprünge der Tee- und Teekultur zu präsentieren und gleichzeitig den zeitgemäßen, urbanen Anspruch der Marke zu unterstreichen.
Das Farb- und Materialkonzept des Designs setzt auf Grautöne und natürliche Materialien wie Stein und Metall, ergänzt durch Shoji-Papier und Holzelemente sowie den Paper & Tea Illustrationen sorgen für eine gemütliche Atmosphäre.
Eine weitere Besonderheit ist zudem das bargeldloses Kassensystem.

Georgstraße 36, 30159 Hannover.
Tel. 0511 95731809.
E-Mail storehannover@paperandtea.com.
Öffnungszeiten: Mo-Sa 10-20 Uhr.

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